Augsburger Allgemeine (Land West)

BRK vernetzt alle neun Rettungswa­chen

Notfälle Zwei Sanitäter des Kreisverba­nds entwickeln eine Software, die den Mitarbeite­rn alle wichtigen Informatio­nen auf einen Blick bündelt. Von diesem System profitiert nicht nur das BRK.

- VON MATTHIAS SCHALLA

Landkreis Augsburg Corona hat den Rettungskr­äften und sozialen Diensten bei der Erstellung ihrer Dienstplän­e so manche Bauchschme­rzen bereitet. Mitarbeite­r fielen krankheits­bedingt aus, andere mussten in Quarantäne. Momentan hat sich die Situation zwar ein wenig entspannt, doch noch lange nicht ist die Pandemie besiegt. Auch der Kreisverba­nd des Bayerische­n Roten Kreuzes (BRK) musste lange Zeit die rund 320 Männer und Frauen des Teams wie auf einem Schachbret­t hin und her schieben, um die vorgeschri­ebene Einsatzstä­rke zu gewährleis­ten. Aus dieser prekären Lage heraus entwickelt­en zwei Notfallsan­itäter ein bundesweit einzigarti­ges Computerpr­ogramm, das alle für einen stabilen Dienstplan erforderli­chen Elemente auf einen Blick sichtbar macht: das „Wachinform­ations-Monitor-System“, kurz „Wims“. Und davon profitiert jetzt nicht nur das BRK.

Unzählige Stunden hat Notfallsan­itäter Markus Beck zusammen mit seinem Kollegen Daniel Post in seiner Kellerbar in Zusmarshau­sen verbracht und getüftelt. „Die Grundidee für dieses System entstand im vergangene­n Jahr bei einem Kurs für Wachleiter“, sagt Beck. Als Vertreter des Kreisverba­nds (KV) stellte er sich der Herausford­erung, mit einer ganz neuen Software die relevanten Informatio­nen für alle neun Rettungswa­chen im Augsburger Land zu bündeln und für alle Mitarbeite­r auf einen Blick zugänglich zu machen. „Unser KV ist einer der größten in Bayern“, erklärt Beck. Allein schon aufgrund der Entfernung von mehr als 60 Kilometern zwischen den Rettungswa­chen von Thierhaupt­en im Norden und Schwabmünc­hen im Süden drohte daher immer wieder, wertvolle Zeit verloren zu gehen.

„Es war immer so ein bisschen wie Stille Post spielen“, erklärt Geschäftsf­ührer Thomas Haugg. Bis die Nachrichte­n an der richtigen Stelle ankamen, waren nicht nur zahlreiche Telefonate erforderli­ch, schlimmste­nfalls drohten sogar wichtige Informatio­nen auf der

zu bleiben. Ein Beispiel: Ein Fahrzeug fällt aus, und wo befinden sich aktuell die Ersatzfahr­zeuge, und sind diese einsatzkla­r? Diese Zeiten sind nun vorbei. „Schauen Sie mal auf dieses Feld“, sagt Beck und zeigt in der Rettungswa­che Bobingen mit dem Finger auf den Bildschirm. Unten rechts ist der Menüpunkt „Fahrzeuge“gelistet. Auf einen Blick ist zu sehen, dass bei einem Rettungswa­gen der TÜV fällig ist und zuvor noch ein Reifenwech­sel erforderli­ch ist. Anschließe­nd wird das Fahrzeug bei der Wache in Schwabmünc­hen stationier­t sein.

Unter dem Punkt „Wache“ist notiert, dass auf einer Dienststel­le aktuell beide Wachleiter nicht anwesend sind. Wer trotzdem noch auf dem Handy zu erreichen ist und was getan werden muss, wenn sich niemand meldet, ist ebenfalls dort festgehalt­en. Grüne Punkte markieren zudem alle einsatzber­eiten

Fahrzeuge zwischen Thierhaupt­en und Schwabmünc­hen. Eine rote Markierung zeigt an, welcher Rettungswa­gen aus welchen Gründen momentan ausfällt und welche Ersatzfahr­zeuge zur Verfügung stehen. Das „Wims“liefert aber auch Informatio­nen über aktuelle Streckensp­errungen, welche Wäscherei seit Neuestem für die Abholung der Handtücher und Putzlappen zuständig ist oder dass an einem Fahrzeug das Scharnier für die Klappe des Staufachs gebrochen ist. „Das System ist einfach klasse“, lobt Haugg. Denn: „Es ist von Kollegen aus der Praxis für die ganz alltäglich­e Praxis entwickelt worden.“Und die Vorteile liegen klar auf der Hand.

„Vor allem wird enorm viel Zeit gespart, da wir nicht jede Informatio­n telefonisc­h einholen oder weitergebe­n müssen“, erklärt Haugg. Jede der neun Rettungswa­chen könne dadurch schneller und flexibler reaStrecke

gieren. „Davon profitiere­n letztendli­ch alle – vom Patienten bis hin zur Krankenkas­se“, so Haugg. Wertvoll ist auch die stets aktuelle Übersicht über den Status diverser Verbrauchs­materialie­n und ob medizinisc­he Geräte eine Überprüfun­g benötigen. Das Infoboard ist so perfekt auf die Bedürfniss­e der Mitarbeite­r zugeschnit­ten, dass mittlerwei­le auch bereits andere Unternehme­n Interesse an dem Produkt geäußert haben. Zu verdanken hat das BRK das „Wims“dabei einem glückliche­n Umstand.

„Unser Kollege Daniel Post arbeitet lediglich in Teilzeit bei uns als Sanitäter“, sagt Beck. Hauptberuf­lich sei der 40-Jährige jedoch bei einem Softwaresp­ezialisten beschäftig­t, der innovative Digitallös­ungen für alle Blaulichtb­ereiche entwickelt. Diese Kombinatio­n war die optimale Voraussetz­ung für den Erfolg des Systems. Gut ein halbes Jahr

lang haben Markus Beck und Daniel Post an der Umsetzung ihrer Idee getüftelt, bis das Programm auf die individuel­len Bedürfniss­e des BRK abgestimmt war. „Das Gold liegt in den Köpfen der Mitarbeite­r“, ergänzt Haugg.

„Jetzt geht auch die kleinste Kleinigkei­t nicht mehr unter“, freut sich Thomas Haugg und schaut erneut auf den Monitor. Und mit einem Blick sieht der Kreisgesch­äftsführer, dass eine Trage aus dem Krankenwag­en nun auf der Wache in Diedorf verbleibt und dass in Langenneuf­nach gerade nach dem Schlüssel für den Tresor gesucht wird. Haugg schmunzelt und bleibt gelassen. Denn nur kurze Zeit später ploppt die Meldung auf, dass der Schlüssel gefunden wurde. Eine ganz bestimmte Meldung aber wollen weder Haugg noch Beck auf dem Bildschirm sehen: dass Mitarbeite­r durch Corona ausfallen.

 ?? Foto: Andreas Lode ?? Der BRK‰Kreisverba­nd Augsburg‰Land hat eine neue Software entwickelt, die alle Informatio­nen auf einen Blick bündelt. Kreisgesch­äftsführer Thomas Haugg (links) und Wachleiter Markus Beck freuen sich, dass nun wertvolle Zeit gespart wird.
Foto: Andreas Lode Der BRK‰Kreisverba­nd Augsburg‰Land hat eine neue Software entwickelt, die alle Informatio­nen auf einen Blick bündelt. Kreisgesch­äftsführer Thomas Haugg (links) und Wachleiter Markus Beck freuen sich, dass nun wertvolle Zeit gespart wird.

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