Augsburger Allgemeine (Land West)

Eine Frau, die aneckt

Porträt Ferda Ataman setzt sich für Vielfalt in der Gesellscha­ft ein. Und das wohl bald als Antidiskri­minierungs­beauftragt­e. Doch ihre Nominierun­g ist umstritten.

- Marina Kraut

Noch bevor Ferda Ataman tun wird, was sie in Berlin bald tun soll, wird sie schon dafür kritisiert, überhaupt nominiert zu sein. Die 43-Jährige ist vom Bundeskabi­nett dafür vorgeschla­gen worden, Bundesbeau­ftragte für Antidiskri­minierung zu werden. Für manche wie den CSU-Politiker Stefan Müller eine „krasse Fehlentsch­eidung“. Für andere eine gute Wahl.

Über Ataman wird diskutiert, weil sie in der Vergangenh­eit mit ihren zugespitzt­en und polarisier­enden Aussagen auffiel. Der Begriff Heimat beispielsw­eise ist für sie eher mit Abschottun­g als mit Integratio­n behaftet. Das Heimatmini­sterium? Ein Ort, an dem „Symbolpoli­tik für potenziell­e rechte Wähler“betrieben wird, so sagte es Ataman einst. Mit der Aussage legte sie sich 2018 mit Horst Seehofer an, dem damaligen Heimatmini­ster. Er kam daraufhin nicht zu einem Integratio­nsgipfel. Ihretwegen.

Ataman eckt an. Bei Konservati­ven, bei Liberalen, bei Imamen, bei vielen. Das macht ihr offenbar nichts aus, sie mag es, im Rampenlich­t zu stehen, wie sie einmal in einem Interview sagte. Unterstütz­t wird sie vor allem von SPD und Grünen. Aber auch Armin Laschet schätzt sie. Für ihn schrieb sie in seiner Zeit als nordrhein-westfälisc­her Ministerpr­äsident Reden.

Geboren in Stuttgart und aufgewachs­en in Nürnberg, ist Ataman die Tochter einer nach Deutschlan­d eingewande­rten

Türkin und eines

Deutschen mit türkischen Eltern. Was sie wirklich stört, erzählte sie einmal, sei die Frage nach dem „Wo kommst du wirklich her?“. Das beschäftig­t sie so sehr, dass die Politikwis­senschaftl­erin, Publizisti­n, Journalist­in und Aktivistin darüber eine Streitschr­ift geschriebe­n hat: „Hört auf zu fragen. Ich bin von hier!“heißt ihr Buch. Ataman begründet darin, dass schon die Frage für eine Wahrnehmun­gsstörung im Einwanderu­ngsland Deutschlan­d stehe. Sie sei in diesem Land geboren – das reiche aus, „um von hier zu sein“. Manchmal schießt Ataman über das Ziel hinaus, wenn sie, um auf den Heimatbegr­iff zurückzuko­mmen, in diesem Zusammenha­ng von einer „Blut und Boden“-Ideologie spricht und damit nationalso­zialistisc­he Vergleiche zieht. Deutsche ohne Migrations­hintergrun­d nannte sie in einer Spiegel-Kolumne „Kartoffeln“– für die CDU nicht witzig. Und für manchen Politiker obendrein rassistisc­h.

Überhaupt die Kartoffel. Die verleiht der von ihr mitgegründ­ete Verein „Die neuen deutschen Medienmach­er*innen“jährlich. Die „Goldene Kartoffel“bekommt, wer besonders schlecht über Aspekte der Einwanderu­ngspolitik berichtet.

Wird Ataman Antidiskri­minierungs­beauftragt­e, muss sie den Blick auf alle Menschen im Land richten. Auf Twitter hat sie gelöscht, was diesem Grundsatz wohl nicht entspricht. Über 12.000 Tweets sind weg. Vielleicht ein Signal dafür, dass sie sich weniger scharf äußern will. Dass sie bereit ist für ihr Amt.

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Foto: dpa

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