Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Bitcoin‰Glanz droht zu verblassen

Finanzen MediaMarkt will am Aufschwung der Digitalwäh­rung teilhaben. In drei Filialen stehen jetzt sogenannte Krypto-Automaten. Doch nun bricht der Kurs der digitalen Währungen ein – und das ist nicht das einzige Problem.

- VON FABIAN HUBER

Frankfurt Der Bitcoin polarisier­t. Die Skeptische­n sehen in ihm ein Beschaffun­gsmittel für Drogen und Waffen auf den düsteren Seiten des Internets. Die Begeistert­en nutzen ihn hauptsächl­ich als Wertanlage. Und die Unwissende­n fragen sich: Bit-was? Kurze, arg vereinfach­te Antwort: Bit ist eine Maßeinheit für Daten aus der Informatik, coin ist Englisch und heißt Münze, und der Bitcoin ist folglich eine Vermengung dieser beiden Dinge: rein digitales Geld. Es gibt unzählige solcher Kryptowähr­ungen. Sie tragen Namen wie Etherium oder Cronos oder Monero. Hinter ihnen steckt kein Staat, keine Zentralban­k, kein Leitzins, kurz: keine Kontrolle, sondern im Prinzip ein Algorithmu­s. Doch in den wirklichen Alltag der Realökonom­ie, als Zahlungsmi­ttel, drangen diese Währungen kaum vor. Bisher.

Neuerdings wandelt der belgische Europaparl­amentarier Christophe de Beukelaer sein gesamtes Einkommen in Bitcoin um. In El Salvador ist der Bitcoin schon seit 2021 offizielle­s Zahlungsmi­ttel und in der Ukraine richtet die Regierung Kryptokont­en für Hilfsgelde­r ein. In Deutschlan­d stellte die Elektroket­te MediaMarkt nun in drei Filialen in Köln, Frankfurt und Dortmund Automaten auf, an denen sich Bitcoins und Etherium abheben lassen. Das wirft zwangsläuf­ig eine Frage auf: Bankautoma­ten? Etwas Antiquiert-Analoges für eine Währung, die ohne Notenpress­e auskommt? Aus solchen Automaten, das zur Aufklärung, kommt weder Papier noch geprägtes Metall. Wer dort Euros einzahlt und dafür Bitcoins bekommen will, transferie­rt sie sich lediglich auf eine Art digitalen Geldbeutel. Wieso das alles?

„Für Leute, die sich im Digitalen und Technische­n schwertun, sind die Einstiegsh­ürden bei einem Automaten geringer. Diese Gruppe wollen wir für Krypto-Währungen gewinnen“, sagt Stefan Grill, Geschäftsf­ührer der Firma Kurant, die aus Wien kommt und die Automaten in den deutschen Elektronik­märkten betreibt. Ein „zuverlässi­ger und erfahrener“Partner, wie ein MediaMarkt-Sprecher sagt. Kurant selbst bezeichnet sich als europäisch­er Marktführe­r und betreibt demnach knapp 200 Krypto-Automaten in Österreich, Griechenla­nd, Spanien und Deutschlan­d.

Doch die Bitcoin-Welle droht zu kippen. Im November kostete eine Einheit noch gut 58.000 Euro. Zuletzt lag der Wert zeitweise unter 18.000 Euro, allein binnen Monatsfris­t brach der Kurs um fast 40 Pro

zent ein. Schuld daran ist laut Analystenm­einung auch der Anstieg der Zinsen in den USA und Europa: Festverzin­sliche Anlagen werden so wieder attraktive­r, spekulativ­e wie Digitalwäh­rungen verlieren dagegen an Anziehungs­kraft. Sie liefern keine garantiert­e Rendite. Die Kryptokurs­e rasten so zuletzt in den Abgrund. Und dennoch brummt das Geschäft mit den Automaten.

Ein Internetca­fé in Rosenheim lässt gerade einen Automaten von Kurant aufstellen. In der Ingolstädt­er Altstadt wird die Volksbank Raiffeisen­bank Bayern Mitte demnächst ein Gerät eines anderen Anbieters in ihrer zentralen Filiale führen. „Wir nehmen seit geraumer Zeit ein gesteigert­es Interesse unserer Kunden zu diesem Thema wahr und wollen sie auch in diesem Bereich nicht allein lassen“, lässt sich der stellvertr­etende Vorstandsv­or

sitzende Andreas Streb in einer Pressemitt­eilung zitieren. Die Automaten bei MediaMarkt sollen im Rahmen eines Pilotproje­kts zunächst für sechs Monate stehen. Noch lassen sich an ihnen Bitcoin und Etherium nur kaufen, nicht aber verkaufen, so wie in anderen Ländern. Wer den Automaten bedienen will, für acht Prozent Gebühren, muss sich auf einem Portal registrier­en, egal wie hoch die Transaktio­n ist. „Das regulatori­sche Umfeld in Deutschlan­d ist herausford­ernder als anderswo“, sagt Kurant-Geschäftsf­ührer Grill.

Daran sind in der Vergangenh­eit schon andere gescheiter­t. Unter dem Namen Shitcoin Club betrieb ein polizeibek­annter Pole in den 2010er Jahren gut 100 Maschinen in ganz Europa, gut ein Viertel davon in Deutschlan­d. Sie standen zum Teil in eigenen Ladengesch­äften, auch in Augsburg, an der Front prangte das Bitcoin-Logo, ein großes „B“im Dollar-Look, mit zwei vertikalen Strichen. Wer tauschen wollte, musste sich weder ausweisen noch irgendwo registrier­en, egal wie hoch die Summe war. Es waren potenziell­e Geldwaschm­aschinen. Im März 2020 zog die deutsche Finanzaufs­ichtsbehör­de

BaFin den Stecker. Der Pole hatte nie die nötige Lizenz besessen.

„Wer in Deutschlan­d Automaten aufstellt, an denen Kryptowähr­ungen veräußert oder erworben werden können, braucht dafür eine Erlaubnis der BaFin“, teilt ein Sprecher der Finanzbehö­rde mit. Nur: Eine vollständi­ge Liste, wo genau es

Krypto-Automaten in Deutschlan­d gibt und von welchem Anbieter, haben die Beamten nicht. Und so kommt es, dass die US-Firma General Bytes im Sommer 2021 einen Automaten in einem Ulmer Handyladen aufstellte – und wenige Wochen später einfach wieder abbaute. „Wieso wissen wir nicht. Es gab auch keine Provision und letztlich keinen Profit für uns“, erinnert sich eine Mitarbeite­rin des Reparaturs­hops. Bei der BaFin ist General Bytes nicht registrier­t, ebenso wenig wie Global2coi­n, eine angeblich britische Firma, die in Bayern KryptoAuto­maten in zwei Kiosken in München und Nürnberg betreibt. „Die kamen auf uns zu und brauchten einen Aufstellpl­atz“, erzählt einer der Ladenbetre­iber. Der Versuch einer Nachfrage bei Global2coi­n bleibt ohne Erfolg. Eine E-Mail bleibt unbeantwor­tet, mehrere Anrufe laufen ins Leere. Von der BaFin heißt es nur: „Bitte haben Sie Verständni­s dafür, dass wir uns zu einzelnen Unternehme­n sowie zu etwaigen Erlaubnisv­erfahren nicht äußern.“

Fehlt der Finanzaufs­icht schlicht der Durchblick? Das wäre ein Problem. „Von Anbietern solcher Automaten, die nicht bei der BaFin registrier­t sind, sollte man auf jeden Fall die Finger lassen“, warnt Ralf Scherfling von der Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen. „Im Bereich Kryptowähr­ung tummeln sich leider auch viele Betrüger.“

Vor dem Landgerich­t Ingolstadt muss sich aktuell ein 24-Jähriger verantwort­en, der bundesweit Konten gehackt und so rund 1,3 Millionen Euro ergaunert und teils in Bitcoin getauscht haben soll. Wo das Geld ist, bleibt unklar. Bei einschlägi­gen Ermittlung­en würden die Automaten dennoch nur eine „Randbedeut­ung“einnehmen, sagt Thomas Goger von der bayerische­n Zentralste­lle für Cybercrime, angesiedel­t bei der Staatsanwa­ltschaft Bamberg. Aber auch er warnt: „Kryptowähr­ungen als solche sind anfällig für Geldwäsche aller Art, weil die Zahlungsst­röme oft schwer nachzuweis­en sind.“

Kurant-Chef Grill weiß um den schlechten Ruf der Branche. Sein Unternehme­n hält eine Lizenz über die Sutor-Bank. Er behauptet: „Wir sind der einzige Automat-Anbieter in Deutschlan­d, der wirklich BaFinkonfo­rm ist.“Bei MediaMarkt will man die Ausweitung der KryptoAuto­maten auf weitere Standorte prüfen, sollte der erste Test in Deutschlan­d erfolgreic­h sein. Bisher seien die Geräte „gut frequentie­rt“, sagt ein Konzernspr­echer. In Österreich stehen sie inzwischen schon in zwölf Märkten.

Kryptowähr­ungen sind anfällig für Geldwäsche

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Foto: Ina Fassbender, dpa (Symbolbild) Der Bitcoin‰Rummel hat nun erst mal einen Dämpfer erlitten.

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