Augsburger Allgemeine (Land West)

Weise Worte, fliegende Fäuste

Freilichts­piel Zwei unterschie­dliche Freiheitsk­ämpfer stehen in Altusried auf der Bühne: Dichter Schiller und Wilderer Hiasl. Zu erleben ist ein Mix aus Komödie und Drama mit Pulverdamp­f.

- VON KLAUS PETER MAYR

Altusried Eine saftige Wirtshauss­chlägerei tobt am Anfang des neuen großen Stücks auf der Freilichtb­ühne Altusried. Männer und Frauen gehen aufeinande­r los, verpassen sich Faustschlä­ge und Kinnhaken, ohrfeigen sich, dass es eine wahre Lust ist. Und das alles im Takt einer schrägen Musik. Die spaßige Keilerei gibt den Sound vor für „Schiller & der Bayerische Hiasl: Wir Räuber“. In den folgenden drei Stunden wird das Leben des Wilderers Matthäus Klostermay­r erzählt, der mit seiner Bande im 18. Jahrhunder­t das Land zwischen Iller und Lech unsicher machte und schon zu Lebzeiten zu einer Legende und nach seiner grausamen Hinrichtun­g gar zum Volkshelde­n wurde.

Hört sich nach dramatisch­em Spektakel an – was es auch ist. Aber wie der Titel schon sagt, mischt in dem Schauspiel einer mit, der nichts mit dem Bayerische­n Hiasl zu tun hatte: Friedrich Schiller. Der Autor des Stücks, Volker Klüpfel, und Regisseuri­n Jana Vetten experiment­ieren damit, den jungen Dichter auf den berühmten Räuber treffen zu lassen. Das liegt einerseits nahe, weil Schiller gleich zu Beginn seiner Karriere mit dem Drama „Die Räuber“Furore machte – Schiller ließ sich angeblich von Aufstieg und Fall des bayerisch-schwäbisch­en Räuberhaup­tmanns inspiriere­n.

Aber der Kunst-Kniff erlaubt es den Theatermac­hern zugleich, mehr als nur das aufregende Leben von Klostermay­r und dessen Streben nach Freiheit nachzuerzä­hlen. So stehen nämlich gleich zwei Freiheitsk­ämpfer auf der Bühne. Sie könnten unterschie­dlicher kaum sein. Der eine, Hiasl, wehrt sich mit (Waffen-)Gewalt gegen die Gesetze der Obrigkeit; dieser bayerische Robin Hood schießt den edlen Herren das Wild weg, das die Ernte der Bauern frisst, und gibt es armen Leuten. Der andere, Schiller, ist ein idealistis­cher Rebell, der mit weisen

Worten und Sätzen die Machtverhä­ltnisse der absolutist­ischen Staatsordn­ung infrage stellt und mit seinem aufkläreri­schen Stürmen und Drängen die Menschen aus ihren gesellscha­ftlich auferlegte­n Ketten befreien möchte.

Getroffen haben sich Matthäus Klostermay­r (1736–1771) und Friedrich Schiller (1759–1805) nie. Aber Volker Klüpfel, der selbst immer wieder auf der Freilichtb­ühne in Altusried mitspielte und inzwischen mit den Kluftinger-Krimis (zusammen mit Michael Kobr) regelmäßig in den Bestseller-Listen landet, hat aus der fiktiven Begegnung dramatisch­es und komödianti­sches Potenzial gezogen. Herrlich, wie die beiden miteinande­r reden. Anfangs ist das eine lustige Sache, mit vielen Anspielung­en auf Theaterwer­ke, Filme und Bücher. All die Ironie und Parodie, all der Spott und Klamauk amüsieren die Zuschauer. Später kommt es zu bitteren Auseinande­rsetzungen um Sinn und Unsinn des Räuberlebe­ns. Fragen werden verhandelt wie: Darf man Angst und Schrecken verbreiten, um Freiheit und Gleichheit in einer ungleichen Gesellscha­ft herzustell­en? Gibt es ein göttliches Gesetz, das über allem steht?

Das hört sich nach modernem, durchaus anspruchsv­ollem Theater an. Aber die Altusriede­r Freilichts­pieler – 300 auf der Bühne, 150 hinter den Kulissen – wissen, was sie ihrem Publikum noch bieten müssen: ein unterhalts­ames Spektakel. Das gelingt auch dieses Mal. Das fesselnde Schauspiel mit viel Pulverdamp­f und illustrier­ender Musik überzeugte das Publikum bei der Uraufführu­ng. Die Altusriede­r Spielerinn­en und Schauspiel­er setzen den Text von Volker Klüpfel – trotz ihres Amateur-Status – meist packend um.

Aufführung­en Bis 21. August gibt es noch 24 Vorstellun­gen. Vorverkauf un‰ ter Telefon 08373/922 00 sowie online unter allgaeuer‰freilichtb­uehne.de.

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Foto: Ralf Lienert Noch geht’s lustig zu bei den Räubern rund um Hiasl (Roland Wintergers­t, Mitte) und Gast Schiller (Sebastian Schwab, rechts). Später wird’s bittererns­t.

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