Augsburger Allgemeine (Land West)
Stunden der Wahrheit im Fall Kusel
Justiz Knapp fünf Monate nach dem Doppelmord an zwei Polizisten beginnt der Prozess gegen den Angeklagten Andreas S. Fest steht schon jetzt: Er war ein skrupelloser Wilderer.
Kaiserslautern/Kusel Er wilderte im großen Stil und soll zwei Polizisten getötet haben: Ab Dienstag steht Andreas S., der Tatverdächtige des nächtlichen Doppelmords im Wald von Kusel, vor Gericht. Was vor Prozessbeginn wichtig ist.
Worum geht es?
Der Fall hat in seiner Kaltblütigkeit ganz Deutschland erschüttert: Am 31. Januar werden im Kreis Kusel eine Polizeianwärterin und ein Polizist bei einer Fahrzeugkontrolle erschossen. Schnell ist klar: Die Schüsse sollen aus der Waffe des 39-Jährigen stammen. Später wird bekannt, dass Andreas S. einen florierenden illegalen Wildhandel betrieb. Als er die tödlichen Schüsse im Beisein eines Komplizen abfeuerte, so sagt es die Staatsanwaltschaft, soll der Kofferraum seines Kombis voll mit toten, eben erst erlegten Tieren gewesen sein.
Was wird Andreas S. konkret vorgeworfen?
Der Prozess am Landgericht Kaiserslautern soll klären, wie es zu der Tat kam und welcher Angeklagte welche Schuld trägt. Die Staatsanwaltschaft hat Andreas S. des zweifachen Mordes und der gewerbsmäßigen Jagdwilderei angeklagt. Sie wirft ihm vor, aus Habgier und zur Verdeckung anderer Straftaten getötet zu haben. Indem sie damit zwei Mordmerkmale nennt, zielt sie offenbar darauf ab, dass bei einem Urteil die besondere Schwere der Schuld festgestellt wird. Das würde bedeuten, dass Andreas S., falls er zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wird, nicht nach 15 Jahren
entlassen werden könnte. Dem inzwischen 33 Jahre alten mutmaßlichen Mittäter werfen die Ankläger Wilderei und versuchte Strafvereitelung vor.
Wie groß ist das Interesse am Prozess?
Medien aus der gesamten Republik haben sich angemeldet. Das Gericht musste ein Verfahren entwickeln, um die 25 Presseplätze gerecht zu verteilen.
Kann man den Prozess live im Gerichtssaal verfolgen?
Ja, in Deutschland müssen Strafprozesse öffentlich geführt werden. An jedem Verhandlungstag stehen, von den 25 Presseplätzen abgesehen, 40 Zuschauerplätze zur Verfügung. Sie werden an jedem Verhandlungstag neu vergeben – und zwar in der Reihenfolge des Eintreffens.
Wird im Zusammenhang mit der Tat von Kusel auch noch gegen wei
tere Personen und Verdächtige ermittelt?
Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Ehefrau des Hauptangeklagten. Sie verdächtigt die Frau der fahrlässigen Tötung und des Verstoßes gegen das Waffengesetz. Sie soll regelmäßig nicht verhindert haben, dass ihr Mann auf ihre Waffen zugriff, auch unmittelbar vor der Tötung der Polizisten. Außerdem ermitteln die Pfälzer Strafverfolger gegen eine Person, der sie ebenfalls fahrlässige Tötung vorwerfen. Die Ermittlerinnen und Ermittler haben Anhaltspunkte dafür, dass diese Person dem Hauptangeklagten Munition überließ, die dieser auch in der Tatnacht benutzte. Darüber hinaus ermittelt die Staatsanwaltschaft des Saarlandes nach eigenen Angaben gegen Personen im Umfeld des Haupttäters, ohne mitzuteilen gegen wen und weswegen. Zudem ermittelt Saarbrücken noch gegen Andreas S. wegen früherer Fälle von mutmaßlicher Wilderei. Der Tatverdächtige stammt aus dem Saarland.
Welche rechtlichen Folgen hatte die Tat bisher?
Die beiden bei Kusel getöteten Polizisten wurden nach der Tat mit Hunderten Hassbotschaften belegt. Im Umgang damit hat sich gesetzlich inzwischen etwas geändert. Bisher war es so: Wenn die Staatsanwaltschaft gegen die Verfasser von Hassnachrichten vorgehen wollte, so mussten die Angehörigen der Betroffenen erst einen Strafantrag stellen. Die Eltern der Toten hätten also Hunderte Strafanzeigen stellen müssen. Das Gesetz wurde so geändert, dass der Staat Hasskommentare nun auch ohne Mitwirkung der Angehörigen verfolgen kann.