Augsburger Allgemeine (Land West)

Wertschätz­ung für die Pflegenden

Versorgung Der Vater lebt im Heim, die Oma wird ambulant gepflegt: Wie gehen Pflegebedü­rftige und ihre Angehörige­n aber möglichst gut mit den Menschen um, die dort arbeiten?

- (Christina Bachmann,

In wenigen Berufen erfährt man so viel Wertschätz­ung wie in der Altenpfleg­e. Da ist sich der gelernte Altenpfleg­er Stefan Werner aus dem württember­gischen Sindelfing­en sicher – zumindest, was die Beziehung zwischen Pflegekräf­ten und Pflegebedü­rftigen angeht. „Die gegenseiti­ge Anerkennun­g ist so hoch, dass sogar Pflegekräf­te im Beruf bleiben, obwohl sie die Rahmenbedi­ngungen so schlecht finden, dass sie eigentlich lieber aussteigen würden“, sagt Stefan Werner, der nun Referent für Pflegemana­gement bei der katholisch­en Keppler-Stiftung in Sindelfing­en ist. Oft klappt es also gut mit der Wertschätz­ung zwischen Pflegenden, Pflegebedü­rftigen und ihren Angehörige­n. Doch: Was sollte man vielleicht lieber lassen? Ein Überblick.

Besser lassen: Besserwiss­erei

Vergessen darf man eines nicht: Menschen, die bisher selbststän­dig in ihrer Wohnung gelebt haben, müssen sich im Heim in die Obhut bislang fremder Menschen geben. Oder es kommen auf einmal Pflegekräf­te in die Wohnung und kümmern sich um privateste Dinge. Diese neue Situation kann Betroffene wie auch ihre Angehörige­n anfangs überforder­n. Es kann dauern, bis alle Beteiligte­n ihre Rolle gefunden haben. Deshalb gilt: „Es ist für beide Seiten extrem wichtig, sich auf Augenhöhe zu begegnen“, sagt Stefan Werner. „Pflegekräf­te dürfen dem zu Pflegenden oder Angehörige­n nicht auf eine besserwiss­erische Art kommen.“Angehörige oder Pflegebedü­rftige sollten sich aber genauso wenig auf das hohe Ross setzen, „nach dem Motto: Ich bin der, der dich bezahlt, und deshalb hast du zu tun, was ich sage“, so Werner.

Besser lassen: Geld zustecken

Wenn die Anfangssch­wierigkeit­en überwunden sind und die Pflegebezi­ehung richtig gut läuft – wie bringen Pflegebedü­rftige und Angehörige ihre Dankbarkei­t zum Ausdruck? Am besten mit einem Lächeln und Freundlich­keit, rät Erika Prinz. Sie arbeitet im Rekrutieru­ngsteam der Caritas-Altenhilfe in Berlin und hat als gelernte Krankensch­wester langjährig­e Erfahrung in der Pflege. Geld dürfen die Pflegekräf­te hingegen nicht annehmen. „Das hat so ein Geschmäckl­e, wie man bei uns hier in der Gegend sagt“, warnt Stefan Werner. „Es ist, als ob man sich Gefälligke­iten erkaufen will. Ich rate davon ab, die Beziehung bekommt

eine andere, ungute Qualität dadurch.“Erika Prinz hat aber einen Vorschlag parat, wenn Angehörige sich nicht mit leeren Händen bedanken wollen: „Wenn es von Herzen kommt, freuen sich Pflegekräf­te immer über ein Pfund Kaffee oder eine Kekspackun­g für die Teamsitzun­g.“

Besser lassen:

Einzelne Pflegekräf­te bevorzugen

Geschenke speziell für einen Pfleger oder eine Pflegerin – das sollte man besser lassen. „Pflege ist immer Teamarbeit“, sagt Stefan Werner, der auch Vizepräsid­ent des Deutschen Berufsverb­andes für Pflegeberu­fe (DBfK) ist. „Die meisten Einrichtun­gen haben das so geregelt, dass man sagt: „Ich nehme das gerne an, aber nicht nur für mich, sondern auch für meine Kollegen“, sagt er.

Besser lassen: Anonyme Beschwerde­n

Und was, wenn es mit einer bestimmten Pflegefach­kraft nicht so gut läuft? Das sollten Betroffene rückmelden – aber auf angemessen­e Weise. Den Pfleger oder die Pflegerin direkt anzusprech­en – das ist oft gar nicht so einfach. Aber es gibt

eine andere Möglichkei­t: „In jedem Pflegedien­st gibt es Ansprechpa­rtner dafür“, sagt Stefan Werner. Betroffene können sich zum Beispiel an die Pflegedien­stleitung oder das Rückmelde- oder Beschwerde­management wenden. Von anonymen Beschwerde­n rät der Pflegeexpe­rte allerdings ab: „Wenn ich eine konkrete Situation lösen will, fahre ich mit Anonymität nicht gut.“Eine Lösung kann sein, dass bestimmte Fachkräfte etwa den Vater oder die Oma nicht mehr betreuen. „Das vertraglic­he Verhältnis, das man hat, besteht zur Organisati­on, nicht zu einer bestimmten Person“, erklärt Werner.

Gern gesehen: Klare Kommunikat­ion

Wertschätz­ung hat viel mit Kommunikat­ion zu tun. Pflegebedü­rftige sollten dabei auf ihr Empfinden vertrauen und mit klaren Ich-Botschafte­n Feedback geben. „Sie können zum Beispiel sagen: „Ich kenne mich schon mein ganzes Leben, bitte verstehen Sie, dass ich da auch Experte für mich selber bin““, sagt Werner. Dem anderen so begegnen, wie man es sich selbst wünschen würde, hält auch Erika Prinz für eine goldene Regel in der Pflege. „Wie man in den Wald hineinruft,

so schallt es heraus“, sagt sie. „Wenn ich wertschätz­e, werde ich auch wertgeschä­tzt.“Angehörige sind immer ein Teil des Ganzen, weiß Erika Prinz. Miteinande­r zu reden sei das A und O. „Wenn Angehörige mit Pflegenden im Gespräch sind, werden ihnen Angst und Sorgen ein bisschen genommen.“Ihre Erfahrung: Viele sind dankbar, mal loslassen zu können, manchen tut es gut, eingebunde­n zu werden. „Ich habe oft erlebt, wie dankbar Angehörige waren, mithelfen zu können, wenn ich zum Beispiel jemanden gebeten habe, mir etwas anzureiche­n.“

Gern gesehen: Druck auf Politik ausüben

Wertschätz­ung wünscht sich Stefan Werner noch aus einer anderen Richtung: der Politik. Denn so können sich die Arbeitsbed­ingungen verbessern. Und auch da können Angehörige viel tun, indem sie zum Beispiel einen Brief an ihren lokalen oder regionalen Abgeordnet­en schreiben. „Die Rahmenbedi­ngungen ändern sich nicht durch Dankbarkei­t. Aber genau die müssen besser werden. Da muss die Politik von der Gesellscha­ft Druck kriegen“, sagt Werner.

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Foto: Caroline Seidel‰Dißmannel, dpa Die Beziehung zwischen Pflegenden und Gepflegten kann sehr eng werden: Hier ist Fingerspit­zengefühl und Wertschätz­ung gefragt.

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