Augsburger Allgemeine (Land West)
Es rauscht und summt in der Klanghalle
Projekt Das Klanglabor der Hochschule Augsburg verwandelt die Galerie H2 in einen Ort des Experiments. Studierende erforschen Klangphänomene mit elektronischen Mitteln.
Das Klanglabor der Fakultät für Gestaltung der Hochschule Augsburg fand seinen Ursprung in einer in ihrer Einfachheit faszinierenden Frage: Wie klingen eigentlich Farben? Elias Naphausen stellte sie sich vor zehn Jahren für seine Bachelorarbeit „Monolith“, eine Art Plattenspieler mit einem Farbensensor am Tonarm, der farbige Muster auf Acrylscheiben in Töne übersetzt. Die Töne kommen aus einem Synthesizer von Dieter Döpfer, der mit seinen elektronischen Musikinstrumenten vielleicht nicht der Vater der elektronischen Musik ist, aber zweifelsohne einer ihrer herausragendsten Geburtshelfer. „Ich dachte mir, interessant, was die da machen in Augsburg. Musik mit Farben? Ich finde es gut, wenn mit meinen Instrumenten mehr als nur La-LaMusik gemacht wird“, so erzählt Döpfer am Samstagabend in der Galerie H2, die von den Studierenden des Klanglabors samt seines Leiters, Robert Rose, in eine Klanghalle verwandelt wurde.
Die Idee, Klangphänomene zu erforschen und sie auf verschiedenste Weise erfahrbar zu machen, passt zu der Philosophie Döpfers, also unterstützt er seit Jahren die Experimente hinter der schwarzen Glasfassade an der Roten-Torwall-Straße. Das Besondere an seinen analogen Sequenzern und Synthesizern ist, dass sie einmal „nicht den Preis eines kleinen Einfamilienhauses“haben und Döpfer außerdem jede einzelne Verkabelung öffentlich zugänglich gemacht hat, so dass auch Dritte Module bauen können, die mit seinen Instrumenten kompatibel sind. Das mag trivial klingen, ist aber nicht weniger als die Demokratisierung der elektronischen Musik.
Das Modulsystem A-100 sieht aus, als hätte man es aus dem Filmset eines frühen Weltall-Blockbusters geklaut, farbige Dioden blinken und unzählige gelbe Kabel lassen Bilder von Telefonzentralen der Post aus dem frühen 20. Jahrhundert aufkommen. Bei Döpfers Vorführung erzeugen Oszillatoren das Geräusch eines aufgescheuchten Vogelschwarms, der in die Triebwerke eines Düsenjets gerät, daraus schält sich ein immer rhythmischer werdendes Wabern, in das sich hypnotische Tonfolgen und vertrackte Beats mischen – eine zehnminütige Reise durch die Geschichte der elektronischen Musik.
Weder Kraftwerk noch Aphex Twin hätten ohne diese Instrumente so geklungen, wie es noch heute auf ihren Platten zu hören ist. Und auch wenn das eine oder andere Experiment des Klanglabors auf LP gepresst wird, ist dessen Maxime:
Prozess vor Ergebnis. So verkündet im Echtzeit-Manifest von Professor Rose. Es ist ein Manifest, das sich zu einhundert Prozent gegen die Idee einer umfassend virtuellen Welt stellt, die Mark Zuckerberg mit „Metaverse“hatte. Rose stellt Materialität vor Virtualität, wo „sämtliche Komponenten der Sinnlichkeit unter den Tisch fallen, was für uns Gestalter nicht hinnehmbar ist“. Daher ist im Klanglabor alles analog, es wird nichts voreingestellt oder gespeichert. Im Labor wird nur probiert und gespielt.
Es mag ungewohnt sein für eine Gesellschaft, in der Livekonzerte durch filmende Smartphonebildschirme betrachtet werden, doch alles, was im Labor erschaffen wird, ist nur für die Wahrnehmung des Klangs in dessen Moment – mit allen Sinnen. Die Exponate der Studierenden zeigen dies auf erstaunliche Weise.
Johanna Rohr macht mit einem Spiegel und einem Laserstrahl in „Sonus:Fluctus:Lux“Klang sichtbar: Die Sounds aus dem A-100 versetzen den auf eine Box montierten Spiegel in Schwingung, die den roten Lichtpunkt in den bizarrsten Formen über die Wand tanzen lässt.
Für seine Installation „Rausch:en“lässt Sascha Ebeling 15 analoge Klangerzeugerplatinen von der Decke des weißen Kubus in der
Mitte der Galerie hängen, die funktionieren wie ein Theremin. Nähert man sich den Stabantennen, verändert sich der Klang des Raumes von einem leichten Flirren zu einem massiven Dröhnen in einer Frequenz, die das Geräusch bis in die Innereien spürbar macht.
Fahrradketten treiben im Kollektivwerk „Zeitmaschine“mit Magneten versehene Räder an, die vermeintlich zufällig verschiedene Stromkreise schließen und so einen immer leicht neben der Spur liegenden Beat erzeugen.
Oliver Quirin macht in „Welle²“Wasser hörbar und Lukas Buhtz erzeugt mit einem dreisaitigen Monochord, das Störgeräusche aufnimmt und damit die Saiten in Schwingung versetzt, flirrende Flageoletttöne.
Das beständige Summen, Rauschen, Klackern und Donnern in der Luft macht das H2 im wahrsten Sinne des Wortes zur Klanghalle. Als sich schließlich fünf Rücken über eine Wand von Modulsystemen beugen und als „Synthese:Orchester“Schönheit mit Krach mischen und transzendente Klänge mit pulsierenden Beats, schließen sie einmal die Klammer zwischen Museum und Technoclub und lassen dazu das zentrale Prinzip des Echtzeit-Manifests von Robert Rose aus den Boxen fließen: Immer radikal, nie konsequent.