Augsburger Allgemeine (Land West)
So sollen Kinder die Angst vor dem Arzt verlieren
Reportage In der Teddybär-Klinik behandeln Medizinstudenten Stofftiere und Puppen und lassen sich dabei von den kleinen Besitzern assistieren. Die Premiere in Augsburg kommt gut an.
Anna Eliseeva ist sieben Jahre alt – und neugierig. Gemeinsam mit ihrer Oma ist sie eine der ersten, die am Samstagmorgen die Teddy-Klinik aufsuchen. In ihren Armen hält sie den flauschigen Patienten fest umschlungen: Baby Yoda. „Yoda hat starke Kopfschmerzen“, erklärt Anna im Krankenhaus besorgt. Teddydoc Rebekka Prim hört ihr aufmerksam zu und fragt, wie lange die Kopfschmerzen schon anhalten. „Seit vorgestern, als wir etwas ferngesehen haben“, erzählt Anna. „Dann untersuchen wir ihn mal“, schlägt die angehende Medizinerin vor. Mit einem Stethoskop hören sie zunächst gemeinsam den Herzschlag von Yoda ab. Anschließend gibt es eine kleine Spritze gegen die Schmerzen und auch ein süßes Pflaster. „Yoda fühlt sich schon viel besser“, freut sich Anna. Ihre Angst vor dem Krankenhaus und Ärzten ist verflogen, das Ziel des Teddybär-Krankenhauses ist erreicht.
Organisiert wird die Teddy-Klinik auf freiwilliger Basis von 24 engagierten Medizinstudierenden. Ziel des Projekts ist es, bei Kindern positive Assoziationen zu Ärztinnen, Ärzten und einem möglichen Krankenhausaufenthalt aufzubauen, denn all das sei bei jungen Patientinnen und Patienten meist eher negativ behaftet. „Die Kinder sollen eine Arzt-Patienten-Interaktion erleben, in welcher sie selbst nicht direkt betroffen sind, um ihnen die Scheu vor Behandlungen zu nehmen“, erklärt Amrei Frey, die dem studentischen Organisationsteam angehört.
Für die plüschigen Patienten und ihre Besitzerinnen und Besitzer haben die Spezialärzte den ersten Stock ihrer Fakultät in der ehemaligen Augsburger Kinderklinik umfunktioniert. Samt Anmeldebereich, zwei Wartezimmern, verschiedenen Behandlungszimmern, Apotheken, Röntgen und einem Operationssaal ist an alles gedacht, um die Räumlichkeiten tatsächlich wie ein Krankenhaus wirken zu lassen. Und fast herrscht am Samstag auch so viel Betrieb wie in einer normalen Klinik.
Stefanie Dölzer ist durch Flyer auf die Aktion aufmerksam geworden. „Mir hat die Idee gefallen, da
Kinder tatsächlich manchmal Angst vor dem Arztbesuch haben“, schildert sie den Grund ihres Klinikbesuchs. Ihre Tochter Luzia hat einen Stofftier-Affen mitgebracht. „Er heißt Affi und hat zu viele Bananen gegessen, weshalb er starke Bauchschmerzen hat“, erzählt die Achtjährige. Auf dem Schoß ihres kleinen Bruders sitzt währenddessen ein Bergkissen. „Bergi hat nach einem Unfall eine Schnittverletzung“, sagt Simon (5) und verweist auf die Wunde. Nachdem sie den Anmeldebogen ausgefüllt haben, dürfen die beiden auch schon ins Wartezimmer. Es gilt als elternfreie Zone und ist nur für die Patienten und deren kleine Begleiter vorgesehen. Die Eltern bleiben in der Zwischenzeit in einem separaten Raum, in dem für Verpflegung gesorgt ist.
Im Wartebereich haben sich bereits einige zu behandelnde, plüschige Patienten eingefunden. So warten eine Katze, die sich beim Schlittschuhfahren an der Pfote verletzt hat, und ein Hund, der zur
erschienen ist, geduldig mit ihren Begleitpersonen auf ihre Sprechstunde. Die Beschwerden der Puppen und Teddys haben sich die Kinder vorab gemeinsam mit ihren Eltern ausgedacht. Der Wartebereich ist mit vielen Spiel- und Malsachen ausgestattet, sodass die Buben und Mädchen sich wohlfühlen. Jakob ist zwei Jahre alt und ist anfangs dennoch etwas schüchtern. „Ich möchte zu meinem Papa“, sagt er ganz leise. Ganz fest drückt er dabei seinen Teddybären, der sich beim Fußballspielen sein Knie verletzt hat, an sich. Marie Steinkohl gehört zum TeddydocTeam und ist im Umgang mit Kindern bereits geschult. Mit dem Spielzeug-Arztkoffer schafft sie es doch noch, den Kleinen abzulenken.
Im Behandlungsraum erfolgt im weiteren Ablauf die erste Untersumeine
chung der Patienten. Die Kinder erzählen den Teddydocs dabei von den Leiden ihrer Lieblinge. Im Röntgenraum besprechen die Humanmedizin-Studierenden später vorgefertigte Teddybär-Röntgenbilder mit den Kindern. Je nach Beschwerden gibt es eine Behandlung im OP, bei der die kleinen Besitzer ausgestattet mit Haube und Mundschutz assistieren dürfen. Nach der Behandlung gibt es in der Apotheke Medizin in Form von Traubenzucker und Fruchtquetschies. Stolz sind die mutigen Begleiter aber am meisten auf die Tapferkeitsurkunde, die sie alle am Ende erhalten.
Für Kristina Hermann ist das Projekt ein voller Erfolg. Sie hat ihre zweieinhalbjährige Tochter während der gesamten Behandlung begleitet. „Madlen war anfangs schüchtern und als sie gemerkt hat, dass es nicht um sie, sondern um ihren Teddybären geht, hat sie plötzlich selbst angefangen, mit der Ärztin zu reden“, fasst sie begeistert zusammen. Das Team des TeddybärVorsorgeuntersuchung
Krankenhauses ist ebenfalls zufrieden. Insgesamt 40 Patienten verarzten sie an diesem Tag liebevoll und fachkundig mit den jungen Helfern. Constantin Thole studiert an der medizinischen Fakultät und erklärt: „Es ist toll, bereits als Medizinstudent etwas weitergeben zu können, Transparenz für die Kinder zu schaffen und infolge ihre lächelnden Gesichter zu sehen.“
Abschließend dürfen die Kinder einen Rettungswagen des BRK auf dem Geländer der Uniklinik anschauen und den Sanitätern Fragen stellen. Sponsoren und Partnerorganisationen unterstützen das Augsburger Projekt darüber hinaus mit Materialien. Der Besuch in der Teddy-Klinik ist kostenfrei und steht Kindern jeder Altersstufe, insbesondere Vorschul- und Kindergartenkinder, ohne vorherige Anmeldung offen. Das Debüt des Teddybär-Krankenhauses in Augsburg verzögerte sich bisher aufgrund der Corona-Pandemie, künftig sei die Veranstaltung jährlich geplant.
Die TeddyRöntgenbilder werden besprochen