Augsburger Allgemeine (Land West)
Alles ruhig? Ein Jahr nach der Krawallnacht
Maximilianstraße Am Wochenende jähren sich die Ausschreitungen gegen Polizeibeamte auf Augsburgs Feiermeile. Seitdem ist einiges geschehen, es gab auch Verbote. Doch nicht alle werden wohl bestehen bleiben.
Wer an diesem Wochenende abends über die Maximilianstraße flanierte, konnte sich wohl kaum vorstellen, welche Zustände hier auf den Tag genau vor einem Jahr herrschten. Am 19. Juni 2021 kam es hier zu Ausschreitungen zwischen Feiernden und der Polizei, die Augsburgs Feiermeile bundesweit in die Schlagzeilen brachten und Gesellschaft, Politik und Sicherheitsbehörden zunächst ratlos zurückließen ob der teils gewalttätigen Szenen. Ein Jahr danach sind die Vorfälle weitgehend juristisch und politisch aufgearbeitet, das Nachtleben ist fast zur Normalität zurückgekehrt.
Kurz nach 21 Uhr ist der Herkulesbrunnen in der Hand von Familien mit Kinderwagen, Pärchen und einigen Junggesellenabschieden, die die Stufen des Brunnens für eine kurze Rast nutzen. Von aufgeheizter Feierstimmung wie vor einem Jahr keine Spur, es ist ruhig und beschaulich. Auch eine Stunde später hat sich die Szene kaum verändert – die spielenden Kinder sind Grüppchen von Nachtschwärmern mit Cocktails in Plastikbechern oder selbst mitgebrachten Bier- und Proseccoflaschen gewichen. Wie in früheren Jahren cruisen aufgemotzte Sportwagen mit zumeist jungen Fahrern um den Brunnen und lassen auch hörbar die „PS-Muskeln“spielen. Als kurz darauf die Polizei mit zwei Transportern auf beiden Seiten des Brunnens Stellung bezieht und beginnt, Menschen, die Flaschen oder Alkohol dabei haben, des Platzes zu verweisen, ernten die Beamten Unverständnis, aber die Situation bleibt ruhig.
Nadine, Basti und Michi stehen etwas ratlos vor dem Hinweisschild der Stadt am Herkulessbrunnen, auf dem die geltenden Regeln stehen. Gerade hat die Polizei die drei aufgefordert, ihre Getränke zu entsorgen oder den Platz vor dem Brunnen zu verlassen. „Die Regeln sind doch bescheuert“, findet Michi. „Hier darf ich keinen Alkohol trinken, einen halben Meter weiter auf der Straße aber schon?“Dass die Regeln auf dem Schild stehen, haben die Freunde erst durch den Hinweis der Polizeibeamten entdeckt. Was zu tun und zu lassen ist, steht auf der Tafel erst an dritter Stelle nach Erklärungen über die Bedeutung des
600 Jahre alten Brunnens für die Welterbestadt Augsburg und einem Hinweis, keinen Müll zu hinterlassen. „Verbote gehören ganz oben auf die Hinweistafel“, findet Basti.
Nach Ansicht der Stadt haben sich die Regelungen rund um den Herkulesbrunnen bewährt. Der Brunnen habe dadurch als attraktives Welterbe und Wahrzeichen ausgeflaggt und von den Menschen besucht und zum Niederlassen genutzt werden können, Verschmutzungen und Exzesse seien zugleich verhindert worden, sagt Ordnungsreferent Frank Pintsch auf Anfrage. Die Stadt beabsichtigt, das Glasflaschenverbot rund um den Brunnen zu
verlängern – einen entsprechenden Vorschlag will Pintsch in den Stadtrat einbringen. „Mit dieser Maßnahme konnten das Müllaufkommen und die Verschmutzung am Herkulesbrunnen deutlich verringert werden, zudem wurde auch die Sicherheitslage sowohl aus Sicht des Ordnungsdienstes als auch der Polizei deutlich verbessert. Dies trägt zur Aufenthaltsqualität deutlich bei“, so der Referent. Dagegen ließen die aktuelle friedliche Stimmung und die gute Entwicklung in den letzten Wochen zu, dass das Alkoholverbot als schärfere Maßnahme nicht verlängert werden muss. „Dies ist auch ein Zeichen, dass in
Augsburg Freiheiten bestmöglich genossen werden dürfen und sollen und Augsburg sich seiner Rolle als Metropole, Universitätsstadt und drittgrößte Stadt Bayerns, die auch den Welterbetitel trägt, bewusst ist“, betont Pintsch.
Auch weitere Maßnahmen, die die Maximilianstraße attraktiver machen sollen, würden gerade im Stadtrat diskutiert, so Pintsch. So habe sich der Bauausschuss im Mai intensiv mit dem Verkehrsversuch und auch der temporären Nutzung der Straße 2022 befasst. „Aktuell wird durch die Lenkungsgruppe und Augsburg Marketing ermittelt, welche kurzfristigen Möglichkeiten – etwa Parklets und qualitätsvolle sogenannte ,Stadtmöblierung‘ in Anlehnung an Erfahrungen anderer Städte – umgesetzt werden können“, sagt er. Wie berichtet, kann der einjährige Test mit einer Fußgängerzonen-Regelung in der Maximilianstraße in diesem Jahr nicht mehr stattfinden. Grund sind unter anderem notwendige Gleisarbeiten der Stadtwerke in diesem Bereich.
Wie die Stadt ist auch die Polizei mit den Auswirkungen des Alkoholverbotes in der Partyzone zufrieden. Sowohl durch das Verbot, Glasflaschen mit sich zu führen, als auch durch das Alkoholverbot im unmittelbaren Bereich des Brunnens habe sich eine Entschärfung des Ansammlungsphänomens speziell um den Brunnen ergeben, so die Pressestelle.
Im Vorjahr sei es im Juni nach einem langen Zeitraum ohne Partyszene bei besser werdender Witterung und Lockerungen der CoronaMaßnahmen zu einer sehr „dynamischen Entwicklung“in der Partyszene der Maximilianstraße gekommen. Speziell um den Herkulesbrunnen kam es dabei zu großen Menschenansammlungen. „Es sind zwar quantitativ mehr Straftaten mit Partyszenenbezug im Vergleich zum Jahr 2021 festzustellen, diese fanden aber nicht im Rahmen von Menschenansammlungen oder gar Ausschreitungen statt“, so die Pressestelle.
Juristisch sei die Aufarbeitung der Ausschreitungen von vor einem Jahr noch im Gange, berichtet die Augsburger Staatsanwaltschaft. „In dem Komplex ,Maxstraße‘ wurden insgesamt bislang Ermittlungsverfahren gegen 40 Personen geführt, wobei sich bei fünf nach Überprüfung der Identität kein Tatnachweis ergeben hat – sie hatten zwar Ähnlichkeit mit den abgebildeten Tätern, waren es dann bei persönlicher Prüfung aber nicht“, so eine Sprecherin. Zudem würden etwa 30 Verfahren gegen unbekannt geführt, bei denen aber keine weiteren Ermittlungsansätze mehr bestehen – meist seien die Videodateien zu unscharf oder nur Zeugenaussagen ohne Täterbeschreibungen vorhanden. Gegen 19 Personen, die Gegenstände geworfen hatten, wurde, je nach Alter, Anklage zum Jugendschöffengericht oder zum Strafgericht erhoben.