Augsburger Allgemeine (Land West)
Wo Fans auf Tuchfühlung mit Rockstars gehen
Musik Zum „Rock n’Loc-Festival“auf dem Bahnhofsgelände von Markt Wald reisen einige Zuschauer mit der Staudenbahn an, obwohl sie diese Art von Musik gar nicht mögen. Am Ende gibt es eine Weltpremiere und Gänsehaut.
Markt Wald Während beim Hurricane-Festival in Scheeßel und beim Southside-Festival in Neuhausen ob Eck jeweils 50.000 Fans den verschiedensten Spielarten der Rockmusik huldigen und Tausende mit den Toten Hosen tanzen, feierten an Tagen wie diesen auch auf dem Bahnhofsgelände in Markt Wald rund 500 Besucherinnen und Besucher beim kleinen aber feinen Festival, das sich „Rock n’Loc“nennt, weil es aus einer Firmenfeier der Staudenbahn hervorgegangen ist.
Organisator ist Hubert Teichmann, der nun bereits zum dritten Mal in Zusammenarbeit mit dem bekannten Booker Nikos Krofta Bands in das oft als „Wacken des Südens“apostrophierte Dörfchen inmitten der idyllischen Stauden Bands geholt hatte, die durchaus auch auf den ganz großen Bühnen eine gute Figur gemacht hätten. Innerhalb von zweieinhalb Monaten hatte man ein erlesenes Programm aus dem Nichts gezaubert, das mit einer unerwarteten Weltpremiere endete, die Gänsehaut verursachte.
„Entbehrungsreiche Zeiten liegen hinter uns. Lasst uns eine Rockmesse zelebrieren“, forderte Michael Schinkel, der Frontmann von Eternal Flame, die Leute auf. Zwei Jahre mussten die Rockfans wegen der Corona-Pandemie warten, um wieder in den Genuss melodischer
Rockmusik zu kommen. Die Münchner Band MEROE mit Frontmann Oliver Monroe hatte die schwere Aufgabe, das Festival bei glühender Mittagshitze zu eröffnen. Die erste Überraschung lieferten die Schweizer von Second Reign, die mit stadiontauglichen Hymnen aufhorchen ließen. „Ein großes Dankeschön an Hubert Teichmann und alle Besucher. Ihr habt das Festival zu einem unvergesslichen Moment gemacht“, postete Sänger Stefan Lipp in den sozialen Medien.
Jimmy Gee, der sich selbst als „Saupreiß aus Mecklenburg-Vorpommern“bezeichnete, überzeugte nicht nur musikalisch und mit seiner Schlagfertigkeit, der Typ mit dem Irokesenschnitt hatte auch das gesamte Bühnenequipment zur Verfügung gestellt. Zum eigenen Auftritt fehlte ihm dann ein Schlagzeuger. Andreas Huber sprang in die Bresche. Auch solche Episoden gehören zum Rock n’Loc-Festival, dessen Backstagebereich aus zwei Eisenbahnwaggons besteht, und bei dem man auf der Toilette auch mal neben dem kurz zuvor noch auf der Bühne gefeierten Gitarristen Jens Lundgren von Crazy Lyxx stehen kann.
Die 2002 gegründete Band, die der „New Wave of Swedish Sleaze“
räumte mit einer perfekten Rock’n’Roll-Show mit allen möglichen Posen so richtig ab. Gitarrist und Bassist entledigten sich sogar ihrer Oberbekleidung, was vor allem bei den zahlreichen Damen im Publikum gut ankam. Auf der Bühne war Joey Roxx die einzige Frau. Sie bediente den Bass bei der Power-Metal-Band Mystic Prophecy aus Grönenbach. Die Truppe um Roberto Dimitri Liapakis, den Sänger mit griechischen Wurzeln, schlüpfte die Rolle des Lokalmatadoren und sorgte mit eigenen Songs wie „Metal Divison“oder auf Heavy getrimmte Covers wie „Shadow on the Wall“für höhere Härtegrade. Die Band präsentierte aber nicht nur die einzige Frau, sondern mit Markus Pohl, der gute zwei Meter misst, auch den längsten Gitarristen.
Dieser Ausflug ins trashige könnte dann vielleicht auch Andreas und Caro gefallen haben, die mit dem Neun-Euro-Ticket aus Heilsbronn bei Ansbach angereist waren, um ihren Freund Peter Fink in Diedorf zu besuchen. „Ganz zufällig haben wir dann erfahren, dass es hier ein Festival gibt“, sagt der bärtige Kuttenträger. „Aber meine Musik ist das nicht.“Er und seine Begleitung stehen mehr auf Trash- oder DeathMetal. „Wir wollten eigentlich nach Wacken.“Das letzte Stück des Weges haben sie dann mit der Staudenbahn zurückgelegt. „Die muss schon lange nicht mehr gefahren sein, so viele Äste wie es da zum Fenster herein gehauen hat“, vermutet der gebürtige Berliner, der tapfer bis zum Ende durchhält. Ingo Reese und seine Frau kamen gar bis vom Niederrhein in NordrheinWestfalen, um die Festivalsaison zu eröffnen. Sie übernachteten auf dem Parkplatz, auf den die Freiwillige Feuerwehr Markt Wald die Besucher einwies. Am nächsten Morgen die böse Überraschung: Reese hatte sein T-Shirt verloren, dass er sich zur Erinnerung gekauft hatte. Die gesamte Familie Teichmann half auch hier aus der Patsche. Nur in einem Punkt konnte man nicht weiterhelfen. Ronnie Atkins hatte seine Ohropax vergessen. Eine Umfrage unter den Besuchern blieb erfolglos. Neben den Shirts vom Festival gab es auch viel Merchandise der beteiligten Bands oder den von eigens für das Festival produzierten Rocklikör zu erwerben.
„Was für eine Nacht“, zog Hubert Teichmann am nächsten Tag Bilanz. Obwohl statt der erwarteten 600 bis 800 nur rund 500 Rockfans den Weg in die Stauden gefunden hatten, zeigte er sich zufrieden. Ganz besonders auch vom Zusammenspiel mit der Faschingsgesellangehört, schaft Zusamfunken, die für Verpflegung sorgten, der jungen Mannschaft, die das Zelt bereitstellte, dem Roten Kreuz Langenneufnach, das nur bei diversen Stichen eingreifen musste, und an Wolfgang Fischer, der für den bärenstarken Sound sorgte.
Emotionaler Höhepunkt des Abends war ohne Zweifel der Auftritt von Ronnie Atkins. „Vor zwei Jahren hätte ich nicht gedacht, dass ich heute hier stehe“, sagte der 57-jährige Sänger, bei dem damals Kehlkopfkrebs diagnostiziert wurde. Mit seiner Band, bestehend aus aktuellen und ehemaligen Mitspielern seiner Band Pretty Maids, mit der er seit 40 Jahren tourt, lieferte er einen Auftritt vom Allerfeinsten, wurde dafür mit Sprechchören gefeiert. Bei „Little Drops of Heaven“trieb es selbst hartgesottenen Hardrockern Tränen in die Augen.
Getoppt wurde das Ganze noch, als Atkins später beim Auftritt von Eclipse nochmals auf die Bühne zurückkehrte, um gemeinsam mit deren Sänger Erik Mertensson den Song „Hypocrisy“des gemeinsamen Projektes Nordic Union zu performen. Eine Weltpremiere. „Es war magisch. Rock n’Loc ist einfach etwas Besonderes“, bilanzierte Anita Reiser. Auch Andreas und Caro hatten das Festival es nun überstanden und durften zusammen mit ihren Freunden den Heimweg mit der Staudenbahn antreten.
Ein Schlagzeuger muss in die Bresche springen
Sie wollten eigentlich lieber ins richtige Wacken