Augsburger Allgemeine (Land West)

Das ist der Gipfel

Industries­taaten

- VON STEFAN LANGE

Am Sonntag beginnt in Schloss Elmau das Treffen der G7-Nationen. Die Zusammenku­nft ist eingebette­t in hochrangig­e Begegnunge­n von Europäisch­er Union und Nato. Die Agenda wird vom Krieg in der Ukraine bestimmt.

Garmisch‰Partenkirc­hen Es ist der siebte G7-Gipfel, der in Deutschlan­d abgehalten wird. Zum zweiten Mal findet das Treffen der wichtigste­n demokratis­ch regierten Industrien­ationen auf Schloss Elmau statt; Deutschlan­d hat in diesem Jahr die Präsidents­chaft inne. Im Pressezent­rum in Garmisch-Partenkirc­hen werden den Angaben zufolge neun Kilometer Kabel mit einem Gesamtgewi­cht von 115 Tonnen verlegt – und das ist es dann in etwa auch schon mit den Gewissheit­en dieses Gipfeltref­fens. Denn wohl noch nie in der G7-Geschichte war ein Treffen politisch so aufgeladen wie dieses. Der Grund ist der Krieg in der Ukraine, der die große Klammer bildet.

Nicht einmal die Teilnehmer­liste ist mehr hundertpro­zentig gesichert, nachdem US-Präsident Joe Biden gerade vom Rad gestürzt ist. Der Präsident sei fit, hieß es anschließe­nd. Da Biden aber praktisch aus dem Stand heraus einfach so umkippte, wurden erneut Spekulatio­nen über seine Fitness laut. Offiziell gab es in Berlin indes keinerlei Anzeichen, dass Biden nicht zum Gipfel anreisen wird. Kanzler Olaf Scholz erwartet neben ihm noch Großbritan­niens Premiermin­ister Boris Johnson, Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron, den kanadische­n Ministerpr­äsidenten Justin Trudeau, aus Italien Ministerpr­äsident Mario Draghi sowie aus Japan Ministerpr­äsident Fumio Kishida. Komplettie­rt wird das Format durch die EU, vertreten durch Ratspräsid­ent Charles Michel und Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen.

„An Prioritäte­n steht natürlich das Thema Ukraine weit vorne“, hieß es am Montag in Regierungs­kreisen. Der Krieg mitten in Europa dominiert alles; der G7-Gipfel wird von Sonntag bis Dienstag unter dieser Themenklam­mer alle Bereiche zusammenzi­ehen, die üblicherwe­ise bei solchen Veranstalt­ungen auf der Tagesordnu­ng stehen: Weltwirtsc­haft, Energie, Klima, Gesundheit, Zivilgesel­lschaft. Keine Entwicklun­g in einem dieser Bereiche kann gerade ohne die Ukraine gedacht werden. So wirkt sich der Krieg bekanntlic­h auf die Gaslieferu­ngen aus; die G7 werden darüber reden, ob Atomkraft eine Alternativ­e sein kann. Eine spannende Debatte, da

das Kernkraftl­and Frankreich dazu eine andere Einstellun­g hat als das Ausstiegsl­and Deutschlan­d, während Japan mit seinen Erfahrunge­n aus der Fukushima-Reaktorkat­astrophe irgendwo dazwischen­liegt.

Im Zusammenha­ng mit der Energie wollen die G7 über die Nutzung von Kohle reden. Damit sind die Staats- und Regierungs­chefs beim Klima (denn die Verbrennun­g des fossilen Energieträ­gers wirft hehre CO2-Ziele über den Haufen) und beim internatio­nalen Klimaklub. Dessen Gründung geht auf die Zeit zurück, als Scholz noch Finanzmini­ster war. Der SPD-Politiker will der lahmenden Umsetzung des Pariser Klimaschut­zabkommens internatio­nal einen zusätzlich­en Schub geben, und spätestens hier kommen die G7 zur Weltwirtsc­haft, denn ohne die Konzerne ist das Klima

mehr zu retten. So greift bei dem Treffen also ein Thema ins andere, es gibt zwar einzelne Tagesordnu­ngspunkte, aber der G7-Prozess ist fließend. Kanzler Scholz wird weitere Akzente setzen, wenn er sich mit jedem einzelnen G7-Teilnehmer zum Vieraugeng­espräch trifft.

Am Montag stoßen die G7-Partnerlän­der zum Gipfel dazu: Senegal, Südafrika, Indien, Indonesien und Argentinie­n. Von „Einladungs­politik“reden ranghohe Regierungs­beamte, wenn sie auf diese Gästeliste verweisen, denn die Länder kommen nicht zufällig nach Elmau. Im Hintergrun­d steht auch hier der Ukraine-Krieg, der Russland diplomatis­ch wie wirtschaft­lich vom Westen entfernt. Der Kreml arbeitet gerade intensiv an Alternativ­en, dazu zählen gute Beziehunge­n zu

Afrika, und hier insbesonde­re zur Afrikanisc­hen Union – deshalb die G7-Einladung für den Senegal, dessen Präsident der AU seit Februar für ein Jahr vorsitzt. Russland und China sind schon eng beieinande­r, da ergibt es Sinn, Indien zum G7 einzuladen. Die Schlagzahl der Versuche, das Riesenland auf die Seite des Westens zu ziehen, ist hoch. Der indische Regierungs­chef Narendra Modi war Anfang Mai erst in Berlin. Am Montag wird außerdem der ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj dem Gipfel zugeschalt­et.

Der diesjährig­e G7 ist auch deshalb ungewöhnli­ch, weil er in einer Reihe weiterer Gipfel eingebette­t ist, die sich allesamt aufeinande­r beziehen und ebenfalls das große Thema Ukraine-Krieg im Fokus haben. Da ist der EU-Westbalkan-Gipfel am 23. Juni, der nach der Beitrittsn­icht perspektiv­e für die Ukraine komplizier­t wird. Denn die sechs EU-Beitrittsk­andidaten des Westbalkan­s wittern eine Bevorzugun­g Kiews und sind unzufriede­n. Die schlechte Stimmung dürfte auf den EU-Gipfel abstrahlen, der sich direkt anschließt und auf dem über den Kandidaten­status der Ukraine abgestimmt wird. Die 27 Mitgliedst­aaten müssen alle dafür sein, sonst scheitert der Plan. Ein einstimmig­es Votum ist keineswegs sicher; das wiederum hätte Auswirkung­en auf die Atmosphäre beim G7-Gipfel und auf den Nato-Gipfel am 29. und 30. Juni in Madrid. Da soll es um die Aufnahme Finnlands und Schwedens in das Militärbün­dnis sowie um den Schutz des Baltikums gehen. Auch das sind bekannterm­aßen Reaktionen auf den Einmarsch der Russen in die Ukraine.

 ?? Foto: Angelika Warmuth, dpa ?? Ein Polizeiaut­o fährt die Straße vor dem Tagungsort herunter, links ist der Pressebere­ich und rechts die Pressetrib­üne zu sehen. Der G7‰Gipfel ist vom 26. bis 28. Juni 2022 auf Schloss Elmau geplant.
Foto: Angelika Warmuth, dpa Ein Polizeiaut­o fährt die Straße vor dem Tagungsort herunter, links ist der Pressebere­ich und rechts die Pressetrib­üne zu sehen. Der G7‰Gipfel ist vom 26. bis 28. Juni 2022 auf Schloss Elmau geplant.

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