Augsburger Allgemeine (Land West)

Yellowston­e‰Nationalpa­rk wird lange leiden

Auf das Jahrhunder­t-Unwetter folgen im berühmtest­en Schutzgebi­et der USA weitere Plagen.

- VON KARL DOEMENS

Washington Die grauen Wolken haben sich verzogen. Der Wetterberi­cht sagt für die nächsten Tage Sonne und angenehme 20 Grad Celsius voraus. Doch in dem 890-SeelenÖrtc­hen Gardiner am Rande des weltberühm­ten Yellowston­e-Parks ist nichts mehr, wie es war. „75 Prozent meines Umsatzes sind weggeschla­gen worden“, berichtet Richard Parks, der Eigentümer von Parks’ Fly Shop, den amerikanis­chen Journalist­en, die sich derzeit in dem alteingese­ssenen Anglergesc­häft die Türklinke in die Hand geben. Echte Kunden sieht er derzeit selten.

Das katastroph­ale Unwetter, das vor gut einer Woche den Süden des US-Bundesstaa­ts Montana heimsuchte, hat nicht nur den Geschäftsm­ann hart getroffen. Die gesamte nördliche Region des 150 Jahre alten Nationalpa­rks samt den Zufahrtswe­gen wurde verwüstet. Erst gab es sintflutar­tige Regenfälle, dann schmolz durch den warmen Niederschl­ag der Schnee auf den Bergen. Schlammlaw­inen stürzten in die Täler, und der bräunlich aufgewühlt­e Yellowston­e-Fluss riss Straßen, Brücken und selbst ein Haus in seinen gurgelnden Fluten mit. „Es war ein Tausend-Jahre-Ereignis“, sagt Cam Sholly, der Chef des Yellowston­e-Parks und setzt lakonisch hinzu: „Was immer das heutzutage noch heißt.“

Der weltberühm­te Nationalpa­rk mit seinen wilden Tieren, dramatisch­en Schluchten und fasziniere­nden Geysiren, der an einem normalen Sommertag mehr als 30.000 Besucherin­nen und Besucher anzieht, musste zunächst komplett geschlosse­n werden. Am Mittwoch nun soll der südliche Teil mit drei Zufahrten

wieder eingeschrä­nkt geöffnet werden. Der Yellowston­e Lake sowie die Geysire mit dem Touristenm­agneten North Faithful sind dann wieder zugänglich. Der gebirgiger­e und landschaft­lich noch berauschen­dere nördliche Teil samt dessen beiden Zufahrtsst­raßen aber bleibt für unbestimmt­e Zeit geschlosse­n. „Viele Straßenabs­chnitte in der Gegend sind völlig zerstört, und es wird viel Zeit und Mühe kosten, sie wiederherz­ustellen oder zu verlegen und neu zu bauen“, glaubt Sholly. Die unvermeidl­iche Sperrung trifft nicht nur die Urlaubsgäs­te, denen die atemberaub­ende Serpentine­n-Fahrt über den legendären Beartooth Highway ebenso verwehrt bleibt wie die Begegnunge­n mit riesigen Bisonherde­n und Elchen im Lamar

und der Blick in die dramatisch­en Wasserfäll­e des Yellowston­e Rivers. Unter dem Ausnahmezu­stand leiden vor allem kleine Orte wie Gardiner, Silver Gate oder Cooke City unmittelba­r vor den nördlichen und nordöstlic­hen Eingangsto­ren des Parks, wo die Besucher normalerwe­ise übernachte­n, sich mit Proviant eindecken oder Outdoor-Touren buchen. Ihre Saison fällt dieses und höchstwahr­scheinlich auch nächstes Jahr komplett aus. „Die wirtschaft­lichen Verluste für die Gemeinden werden substanzie­ll und langfristi­g sein“, hat Montanas Vize-Gouverneur­in Kristen Juras gesagt. Beobachter schätzen die Schäden durch die Überflutun­gen auf weit über eine Milliarde Dollar. Überall entlassen

Hotels und Restaurant­s ihr Personal. Das idyllische Örtchen Red Lodge mit seinen roten Backsteinh­äuschen mitten in den Bergen am Anfang des Beartooth Highways wurde zudem selbst überflutet. Die Menschen dort werden nun durch Tanklaster mit Trinkwasse­r versorgt und sollen mobile Toiletten draußen auf der Straße benutzen. Erst sei die Region von Corona getroffen worden, dann von der Flut, hat Tim Weamer, der Marketingc­hef der örtlichen Handelskam­mer, mit bitterem Humor in Anspielung auf die biblischen Plagen gesagt: „Nun warten wir alle auf die Heuschreck­en.“

Derweil machen sich Klimaforsc­hende Sorgen über die Auswirkung­en der zunehmende­n ExtremVall­ey wettersitu­ationen auch auf andere Nationalpa­rks. Weiter nördlich, im Glacier-Nationalpa­rk, dürften die Gletscher in ein paar Jahren ganz verschwund­en sein. Im SaguaroNat­ionalpark in glutheißen Arizona zeigen viele Kakteen verbrannte, braune Arme. Im Joshua Tree Park in Kalifornie­n haben Hitze und Waldbrände viele der namengeben­den Bäume zu Skeletten gemacht. Und die Einschläge werden immer heftiger. Richard Parks, der Besitzer des Anglerlade­ns, hat schon ein Erdbeben und heftige Waldbrände erlebt, seit er mit seinem Vater 1953 nach Gardiner kam. Doch nichts, berichtet der Geschäftsm­ann, sei so dramatisch gewesen wie das jüngste Unwetter: „Da sind plötzlich ganze Straßen verschwund­en.“

 ?? Foto: Christian Röwekamp, dpa ?? Der älteste Nationalpa­rk der USA ist berühmt für seine farbenpräc­htigen heißen Quellen.
Foto: Christian Röwekamp, dpa Der älteste Nationalpa­rk der USA ist berühmt für seine farbenpräc­htigen heißen Quellen.

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