Augsburger Allgemeine (Land West)

Ein Unvollende­ter tritt ab

Tennis Philipp Kohlschrei­ber hat sein Karriereen­de angekündig­t: Spätestens nach Wimbledon wird der 38-jährige Augsburger aufhören. Über einen, der lange als bester deutscher Spieler galt, sich aber nicht immer unter Kontrolle hatte.

- VON FLORIAN EISELE

Augsburg Mit den Gedanken ans Karriereen­de spielte Philipp Kohlschrei­ber schon seit einigen Jahren. Im April 2020, kurz nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie und dem damit verbundene­n Stopp alles öffentlich­en Lebens und damit auch aller Tennisturn­iere, hatte der Tennis-Profi unserer Redaktion in einem ausführlic­hen Interview einen Einblick offenbart. Dass bald ein neuer Lebensabsc­hnitt beginnen werde – klar. In die Zeit des Corona-Stillstand­s sollte das unvermeidl­iche Ende aber nicht fallen: „Ich will meine Karriere nicht so beenden, mitten in dieser Krise. Ich will noch mal zurück auf den Tennisplat­z.“

Eines der Ziele waren damals die Olympische­n Spiele in Tokio. Tatsächlic­h verpasste Kohlschrei­ber 2021 in Tokio um ein Haar eine dicke Überraschu­ng: In der ersten Runde schien ein Sieg gegen den Top-Spieler Stefanos Tsitsipas in greifbarer Nähe. Letztlich setzte sich der an Nummer drei gesetzte Grieche

durch. Kohlschrei­ber schied aus und kommentier­te sein Aus lakonisch: „Jetzt packe ich meine Sachen und fliege nach Hause.“

Im Sommer 2022 wird es nun endgültig an der Zeit für ihn sein, seine Tennissach­en zu packen. Der mittlerwei­le 38-Jährige kündigte an, nach Wimbledon seine Karriere zu

beenden. Kohlschrei­ber, derzeit die Nummer 230 der Welt, spielt gerade die Qualifikat­ion für den RasenKlass­iker. Statt direkt in Wimbledon anzutreten, muss Kohlschrei­ber erstmals im benachbart­en Roehampton um einen Platz im Hauptfeld spielen. Nach dem 6:2, 6:2 gegen den Franzosen Grégoire Barrère sorgte der Augsburger für klare Verhältnis­se: „Es war eine großartige und wunderbare Karriere. Es wird mein letztes Turnier sein.“

Dass Wimbledon die Bühne für den letzten Auftritt ist, scheint kein Zufall: 2012 feierte er in London seinen größten Erfolg, als er ins Viertelfin­ale einzog und dort gegen Jo-Wilfried Tsonga unterlag. Damals war Kohlschrei­ber die Nummer 16 der Weltrangli­ste und wurde als bester deutscher Tennisspie­ler gehandelt.

Zugleich galt er, der mit 14 aus seiner Heimatstad­t Augsburg in ein Tennis-Internat zog, auch als schwierig und eigenwilli­g. Das Verhältnis zum damaligen Davis-CupTeamche­f Patrick Kühnen war belastet, 2012 gerieten beide öffentlich in einen Streit. Der endete mit dem Rücktritt Kühnens. Heftige Kritik der deutschen Tennis-Szene an Kohlschrei­ber gab es im selben Jahr nach dessen kurzfristi­ger, verletzung­sbedingter Olympia-Absage für London. Kohlschrei­ber gab die Blumen wenig diplomatis­ch verbal zurück. Am Rande der BMW Open im

April dieses Jahres blickte er auf die wilde Zeit seiner Karriere gelassen zurück und grinste: „Ich habe mir ja schon den ein oder anderen Fauxpas geleistet.“Das Ziel, einmal in seiner Karriere einen einstellig­en Weltrangli­stenplatz zu erreichen, trieb ihn immer an – geschafft hat er es nicht. Dennoch scheint Kohlschrei­ber zufrieden mit seinem Leben und seiner Karriere, in der er echt ATPTurnier­e gewann, darunter dreimal die BMW Open.

Mit derselben Gelassenhe­it antwortete er zuletzt auf die immer häufiger werdenden Fragen nach dem Karriereen­de. Dass er sich die zweitklass­ige Challenger-Tour nicht mehr antun werde – daran hatte er keinen Zweifel gelassen. Dass er dem Tennis erhalten bleibt, kann er sich hingegen gut vorstellen. Doch nur Trainerstu­nden zu geben, sei nicht das Ziel. „Mich würde es reizen, meine ganzen Erfahrunge­n an Jugendlich­e weiterzuge­ben und zu schauen, ob ich da was bewirken kann.“Genug zu erzählen hätte Kohlschrei­ber auf jeden Fall.

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Foto: Patrick Steiner, Witters Eines seiner Markenzeic­hen ist die einhändig gespielte Rückhand – diese gibt es nun bald nicht mehr zu sehen: Philipp Kohlschrei­ber.

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