Augsburger Allgemeine (Land West)
„Jeder hoffte, dass es bei der Drohung bleibt“
Porträt
In seiner fast 45-jährigen Karriere hat der Augsburger Drei-Sterne-General Klaus Habersetzer bewegte Zeiten erlebt. Jetzt ist er im Ruhestand. Das wäre aus seiner Sicht in der Ukraine zu tun.
Als Generalleutnant a.D. Klaus Habersetzer 1977 seinen Dienst bei der Bundeswehr begann, befand sich die Welt noch im Kalten Krieg. Fast 45 Jahre später hat der Drei-SterneGeneral aus Augsburg seine militärische Laufbahn beendet – und Europa sieht sich wieder mit einem Konflikt konfrontiert, wie ihn sich selbst die Militärstrategen nicht vorstellen konnten. „Dass zum Beginn meines Ruhestandes der Krieg in Europa zurück ist, bewegt mich zutiefst“, sagt der Luftverteidigungsexperte. Seine Entscheidung, Soldat zu werden, würde er dennoch immer wieder treffen.
Klaus Habersetzer hat an vielen Orten als Offizier gedient und viel von der Welt gesehen. Er war Kommandeur der Flugabwehrraketengruppe 22 in Penzing ebenso der Raketenschule der Luftwaffe in Texas, USA, sowie der Offiziersschule der Luftwaffe in Fürstenfeldbruck. Als „Director Civil Military Synchronisation“im Hauptquartier der ISAF in Kabul/Afghanistan koordinierte er die Zusammenarbeit zwischen dem Militär, der afghanischen Regierung und NGOs (Nichtregierungsorganisationen). In seinen letzten Verantwortungsbereich fiel die Sicherheit des innerdeutschen Luftraums sowie des Nato-Luftraums nördlich der Alpen zwischen Island, Großbritannien und dem Baltikum mit mehr als 40.000 Flugbewegungen am Tag. Als Chef des Weltraum-Lagezentrums der Bundeswehr hatte Habersetzer auch den erdnahen Weltraum mit allen Satelliten und bemannten und unbemannten Flugkörpern im Blick.
„Als ich mich 1977 für zwölf Jahre bei der Bundeswehr verpflichte
te, habe ich gehofft, irgendwann einmal ein Kommando über einen Verband zu bekommen“, erinnert er sich. Er begann als Offiziersanwärter und studierte neben der Ausbildung an der Offiziersschule der Luftwaffe Luft- und Raumfahrttechnik an der Universität der Bundeswehr in München. Vor Ablauf der zwölf Jahre entschied er sich für eine Laufbahn als Berufssoldat.
Im Lauf seiner Militärkarriere waren es vier Kommandos. „So etwas kann man nicht planen – das muss sich ergeben“, sagt Habersetzer. Natürlich müsse man Leistungen erbringen – aber dann auch zur richtigen Zeit zur Verfügung stehen, wenn sich eine neue Aufgabe auftut. „Und man braucht die richtige Lebenspartnerin, die so eine Karriere mitträgt“, betont er.
Habersetzer ist seit fast 30 Jahren
verheiratet, hat zwei erwachsene Töchter. „Eine Karriere bei der Bundeswehr hat für die Partnerin mit Entbehrungen zu tun und mit vielen Umzügen“, sagt der Ex-Soldat. Mit der Geburt des ersten Kindes habe seine Frau ihre eigene Karriere beendet, um sich voll der Familie widmen zu können. „Ein Wahnsinnsopfer“, betont der Ehemann. Seine Töchter hätten das Leben an verschiedenen Orten, unter anderem auch in den USA, als sehr bereichernd gefunden. Allerdings konnten die Mädchen einen Großteil ihrer Schulzeit an einem Ort, nämlich dem Maria-Ward-Gymnasium in Augsburg, verbringen und mussten in dieser wichtigen Zeit nicht ständig neue Freundschaften schließen. „Wer Menschen führen will, muss Menschen mögen“, ist ein wichtiger Leitsatz für die Arbeit
von Klaus Habersetzer. So sind es auch die Menschen und Kameraden, an die er sich am ehesten erinnert, wenn er an seine lange Laufbahn zurückdenkt. Und er würde die Berufsentscheidung als Soldat wieder treffen, ist sich der Offizier a.D. sicher.
Lange habe man in Europa geglaubt, dass Krieg zur Durchsetzung politischer Ziele ausgedient habe. „Dass das nicht so ist, wurde uns gerade auf sehr drastische Weise vor Augen geführt und hat uns als Gesellschaft aus einer Wohlfühlsituation gerissen“, beurteilt er den Krieg in der Ukraine. Als Offizier hätte er es sich gewünscht, wenn in der Vergangenheit eine sachliche Beschäftigung mit Sicherheitspolitik regelmäßiger stattgefunden hätte. „Das war nicht durchgehend, sondern oft nur sporadisch der Fall“, sagt er mit Blick auf die Gesellschaft und Politik.
Dass Putin einen größeren Plan verfolgt, sei in Bundeswehr- und Nato-Kreisen spätestens seit der Annexion der Krim 2014 intensiv diskutiert worden. Im Nachhinein reihten sich die Ereignisse in der Region wie an einem roten Faden gezogen aneinander. Allerdings sei man im Rückblick immer schlauer, so der Ex-Offizier. Und dass Russland tatsächlich die Ukraine angreift, habe in dieser Konsequenz niemand glauben wollen. „Man hat gehofft, dass es bei Drohgebärden bleibt und nicht zum Krieg kommt“, sagt Habersetzer. Aus seiner Sicht sei jetzt ein konsequentes Handeln geboten. „Putin hat ein unglaubliches Gefühl für Schwäche und nutzt diese aus“, so seine Erfahrung. Die Allianz aus Nato und EU, aber auch Deutschland für sich müssten sehr deutlich Position beziehen, betont der Offizier a.D.
Und er hofft, dass die Erkenntnis in Deutschland, dass das Land verteidigungsbereit und -fähig sein muss, über den Konflikt hinweg anhält. „Die Gefahr besteht, dass drei bis vier Monate nach Ende des Krieges diese Erkenntnis wieder verblasst“, fürchtet Habersetzer. Wer Reden von Putin aus den vergangenen Jahren studiere, könne zumindest klar ablesen, in welchen Grenzen sich der russische Präsident sein Land wünsche.
Habersetzer bleibt auch im Ruhestand der Luftwaffe treu. Als Präsident der Interessengemeinschaft Deutsche Luftwaffe stellt er seine Erfahrung Politik, Militär und Wirtschaft zur Verfügung, um über Themen der militärischen Luft- und Raumfahrt zu diskutieren.