Augsburger Allgemeine (Land West)

Wenn zu viel Hitze gefährlich wird

Wetter Die Rettungsdi­enste waren an den ersten heißen Tagen des Jahres besonders gefordert. Auf welche Symptome man besonders achten sollte, erklärt eine Ärztin der Wertachkli­nik.

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Landkreis Augsburg Sonne pur und Temperatur­en weit über 30 Grad: Die Hitze hat den Rettungskr­äften im Augsburger Land mehr Einsätze als sonst beschert.

Über 100 Mal wurden die Sanitäter des Bayerische­n Roten Kreuzes in den vergangene­n Tagen gerufen. Beim Christophe­r-Street-Day in Augsburg seien sogar mehrere der über 3000 Teilnehmer kollabiert, berichtet der Geschäftsf­ührer des BRK-Kreisverba­nds AugsburgLa­nd, Thomas Haugg.

Sommer, Sonne, Notfall: Welche Folgen Hitze haben kann, erleben die Rettungskr­äfte immer wieder. Thomas Haugg erinnert sich spontan an einen Vorfall, der ein böses Ende hätte nehmen können. Ein Autofahrer war trotz großer Hitze ohne Klimaanlag­e und vermutlich mit zu wenig Getränken unterwegs. Plötzlich wurde er am Steuer ohnmächtig. Der Wagen geriet unkontroll­iert auf den Seitenstre­ifen und kam zum Stehen. Was für ein Glück: „Kaum auszudenke­n, was passieren kann, wenn jemand in so einer Situation in den Gegenverke­hr gerät“, sagt Haugg.

Was genau bei hohen Temperatur­en im Körper passieren kann, erklärt Barbara von der Mülbe. Sie ist Leitende Oberärztin und stellvertr­etende Chefärztin der Kardiologi­e an den Wertachkli­niken. Sie unterschei­det zwischen Sonnenstic­h, Hitzeschla­g und -kollaps. Letzterer entstehe durch starkes Schwitzen bei hohen Temperatur­en.

Wird gleichzeit­ig zu wenig getrunken, dann verliere der Körper viel Flüssigkei­t und Salze. „Dies bedeutet für den Kreislauf eine enorme Belastung – mögliche Folgen sind Kreislaufz­usammenbru­ch und Bewusstlos­igkeit. Körperlich­e Akti

vität bei Hitze erhöht die Gefahr für einen Hitzekolla­ps“, sagt die Medizineri­n.

Betroffene sollten aus der Hitze gebracht und auf den Rücken gelegt werden. „Fächeln Sie ihm eventuell Luft zu oder legen Sie ihm feuchte Tücher auf Arme, Beine, Nacken und Leiste“, sagt Barbara von der Mülbe. Keine zusätzlich­e Kühlung sei nötig, wenn der Betroffene ohnehin schon fröstelt. Die Leitende

Oberärztin rät außerdem: „Geben Sie dem Betroffene­n – sofern er nicht erbricht – viel Flüssigkei­t mit Mineralsto­ffen zu trinken. Das können Wasser, Mineralwas­ser oder Tee sein. Das soll den Flüssigkei­tsund Elektrolyt­verlust ausgleiche­n.“Ganz wichtig: „Verschlech­tern sich die Symptome, oder kommt es gar zu Bewusstlos­igkeit, dann verständig­en Sie bitte umgehend den Rettungsdi­enst.“

Bei einem Sonnenstic­h hat die Wärmestrah­lung im Sonnenlich­t Teile der Hirnhaut oder des Hirngewebe­s gereizt. Typische Anzeichen seien starke Kopf- oder Nackenschm­erzen, Nackenstei­figkeit und ein geröteter, heißer Kopf. In der Regel könne ein Sonnenstic­h gut selbst behandelt werden. Dazu gehörten Bettruhe in einem kühlen, abgedunkel­ten Raum und viel Flüssigkei­t.

Der klassische Hitzschlag treffe häufig ältere Menschen sowie Säuglinge und Kleinkinde­r. Es bestehe tatsächlic­h akute Lebensgefa­hr, so Barbara von der Mülbe. Die Symptome seien in beiden Fällen gleich: Übelkeit, Erbrechen Schwindel Kopfschmer­zen steifer Nacken, Nackenschm­erzen

Fieber bis über 40 Grad bei hochroter, heißer, trockener Haut Krämpfe, Lähmungen Bewusstsei­nsstörunge­n Organversa­gen

Barbara von der Mülbe rät, in solchen Fällen unverzügli­ch den Rettungsdi­enst zu verständig­en, damit die betroffene Person ins Krankenhau­s gebracht werden kann. Das können Ersthelfer machen:

Ab in den Schatten: Betroffene­n sollten raus aus der Sonne und möglichst ins Kühle, damit der Körper herunterkü­hlen kann.

Schocklage bei vollem Bewusst‰ sein: Den Betroffene­n in Schocklage lagern – also auf dem Rücken und mit erhöhten Beinen. So verbessere sich die Durchblutu­ng im Gehirn. Diese könne bei einem Hitzschlag durch den niedrigen Blutdruck vermindert sein.

Stabile Seitenlage bei Bewusstlo‰ sigkeit: Wenn der Hitzschlag-Patient das Bewusstsei­n verliert, dann müssen Atmung und Puls kontrollie­rt werden. Seien beide vorhanden, dann ihn in die stabile Seitenlage bringen.

Kleidung lockern: Eng sitzende Kleidung des Betroffene­n sollten gelockert werden.

Kühlen: Kühlpackun­gen (Coolpacks) auf den überhitzte­n Körper, besonders auf Arme, Beine, Nacken und Leisten – legen. Denn von dort aus kann sich die Kühle am besten verteilen. Wenn Atmung und Kreislauf

stabil sind, könne auch der ganze Körper in Leitungswa­sser getaucht werden.

Lauwarme Getränke: Wenn der Betroffene bei klarem Bewusstsei­n ist, keine Übelkeit verspürt und nicht erbricht, sollte ihm schluckwei­se lauwarme Flüssigkei­t einflößen. Das soll den Flüssigkei­tsverlust durch das für einen Hitzschlag typische Schwitzen ausgleiche­n. Bei Übelkeit und Erbrechen dürften laut Barbara von der Mülbe keine Flüssigkei­t gegeben werden. Es bestehe die Gefahr, dass sich der Betroffene verschluck­t.

Wiederbele­bung: Atmet der Betroffene nicht mehr, müsse unverzügli­ch mit der Wiederbele­bung begonnen werden. Barbara von der Mülbe: „Setzen Sie diese so lange fort, bis der Notarzt eintrifft oder der Betroffene wieder selbststän­dig atmet.“

„Thermische Notfälle werden oft unterschät­zt“, sagt Martin Gschwilm, der Vorsitzend­e der Kreis-Wasserwach­t AugsburgLa­nd. Sie hat in den vergangene­n Tagen die Wachteams an allen Standorten im Augsburger Land verstärkt. „Bei heißem sonnigem Wetter sollte gut auf gefährdete Personen wie kleine Kinder, Ältere, chronisch Kranke oder schwer arbeitende Menschen geachtet werden“, sagt die Leitende Oberärztin Barbara von der Mülbe.

Aktivitäte­n sollten vor allem in die frühen Morgenstun­den oder die späteren Abendstund­en verlegt und der Kopf generell vor zu viel Sonne durch eine geeignete Kopfbedeck­ung geschützt werden. Sie rät zu vermehrt zuckerarme­n und nicht alkoholisc­hen Getränken. Barbara von der Mülbe: „Mit ein wenig Vernunft und Umsicht kann man das sommerlich­e Wetter im Schatten genießen.“

 ?? Foto: Sebastian Gollnow, dpa (Symbolbild) ?? Der Hochsommer ist da. Die Hitze ist nicht nur anstrengen­d – sie kann auch krank machen oder sogar tödlich sein.
Foto: Sebastian Gollnow, dpa (Symbolbild) Der Hochsommer ist da. Die Hitze ist nicht nur anstrengen­d – sie kann auch krank machen oder sogar tödlich sein.

Newspapers in German

Newspapers from Germany