Augsburger Allgemeine (Land West)
Wenn Oma und Opa lange Finger machen
Kriminalität Ein Altenheimbewohner geht in Meitingen auf Diebestour. Ein Einzelfall? Ein Forscherteam aus München hat sich mit der Alterskriminalität befasst.
Meitingen/Gersthofen Besuch von der Polizei hat ein 82-jähriger Bewohner eines Seniorenheims in Meitingen erhalten. Der Anlass war allerdings wenig erfreulich. Denn der Mann steht unter dem dringenden Verdacht, in einer Gaststätte gestohlen zu haben.
Nach Angaben der Polizei habe sich der Senior im Gastraum eines Restaurants in der Hauptstraße befunden. In einem unbeobachteten Moment stahl er zwei Bedienungsgeldbörsen und verschwand zunächst unbemerkt auf der Herrentoilette. Dort habe er laut Polizei etwa 360 Euro Bargeld entnommen und entsorgte die Geldbeutel anschließend im Mülleimer.
Die Bedienung bemerkte den Diebstahl allerdings und verständigte die Polizei in Gersthofen. Eine Streifenbesatzung konnte den 82-Jährigen im angrenzenden Seniorenheim feststellen. Dieser gab daraufhin zu, das Geld genommen zu haben. Der Betrag wurde beschlagnahmt.
Meist treten Senioren in den täglichen Berichten der Polizei als Opfer in Erscheinung: Taschendiebe bestehlen Omas beim Einkaufen, Trickdiebe ziehen ältere Herren mit vermeintlichen Schnäppchen über den Tisch. In wahren Wellen schwappen inzwischen Anrufe über das Land, mit denen Betrüger vorzugsweise ältere Mitbürger zur Preisgabe hoher Summen zu nötigen versuchen, um das Geld vor Verbrechern zu schützen oder Verwandte aus Notlagen zu retten. „Enkeltrick“wird die perfide Masche genannt.
Doch ab und an treten auch Oma und Opa als Straftäter in Erscheinung. Für Aufsehen sorgte vor einiger Zeit in Diedorf ein 91-Jähriger, der beim Parfümklau erwischt wurde, ein 77-Jähriger schraubte in Stadtbergen kurzerhand eine Radioantenne vom Auto und suchte damit das Weite. 20 Ladendiebe im Alter von über 90 hat die Polizei in der Region in den vergangenen Jahren registriert. Rekordhalterin war eine 97-jährige Frau, die Erdbeeren im Wert von 3,50 Euro stahl.
der bayerischen Kriminalstatistik haben Straftäter aus der immer größer werdenden Bevölkerungsgruppe der über 60-Jährigen die Heranwachsenden bereits überholt. 2020 waren 9,2 Prozent der Überführten über 60, nur neun Prozent
dagegen zwischen 18 und 21 Jahre alt. 2009 – gut zehn Jahre zuvor – waren noch mehr als zehn Prozent der Täter Heranwachsende und der Seniorenanteil lag bei gut sieben Prozent. Eine Forschungsgruppe der Hochschule München um ProIn fessor Stefan Pohlmann hat sich nun jüngst mit dem Phänomen der Alterskriminalität beschäftigt. Damit bezeichnet man gemeinhin alle Formen von Straftaten, die von Personen über 60 Jahren verübt werden.
Das Forschungsteam um Pohlmann von der Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften der Hochschule München untersuchte hierzu die polizeiliche Kriminalstatistik. Für das Jahr 2019 ergaben sich deutschlandweit insgesamt um die 155.000 Tatverdächtige im Alter von 60 und mehr Jahren. Pohlmann führte dazu ergänzende Befragungen durch. Das Ergebnis: Die höchsten Zahlen an Tatverdächtigen gibt es im Bereich der Diebstahlsdelikte, es folgen Beleidigungen, leichte Körperverletzungen und Betrug.
Und die Motive? Das Team stieß nach Angaben der Hochschule München auf mehrere subjektive Rechtfertigungskategorien: darunter Langeweile und die damit verbundene Sehnsucht nach Spannung, Ablenkung und Nervenkitze sowie existenzielle Not oder die persönliche Angst vor einem sozialen Abstieg. Weitere Motive sind kognitive Veränderungen oder psychische Störungen, Rache und Selbstjustiz.