Augsburger Allgemeine (Land West)

Als Erzieher sind Männer noch immer Exoten

Ausbildung Es werden mehr – doch in Kitas und Tagespfleg­e arbeiten noch immer kaum Männer. Zwei angehende Pädagogen aus Augsburg sprechen über Vorurteile und Vorteile.

- VON DANIELA DE HAEN

Wenn Jan Müller morgens zur Kita kommt, ist er ein gefragter Mann. Der 24-Jährige spielt gerne Fußball, baut eine Autorennba­hn auf, hangelt sich von einem Kletterger­üst zum nächsten. Bei den Kindern zwischen drei und sechs Jahren kommt das gut an. Müller entspricht, wenn man so will, schon ein bisschen dem Klischee des männlichen Erziehers – oder? Darauf angesproch­en muss er lachen: „Ja, ich kicke gerne und bin kein Bastelköni­g“, sagt er. „Aber mein Berufswuns­ch entspricht sonst wohl nicht der Klischeevo­rstellung von Männlichke­it.“

Müller steckt mitten in seiner Erzieher-Ausbildung an der Fachakadem­ie für Sozialpäda­gogik des Diako in Augsburg. Dazu gehört auch, praktische Erfahrunge­n zu sammeln. An seinem Arbeitspla­tz im Kinderhaus Altstadt, einem Kindergart­en mit Hort, wurde er mit offenen Armen empfangen, wie er erzählt. „Da hat man sich gefreut, dass mal ein Mann kommt“, sagt der 24-Jährige. Nur eine Kollegin sei anfangs etwas skeptisch gewesen. Ob Kinderbetr­euung wirklich das Richtige für ihn sei? Ist es, findet Müller. „Aber klar, man ist als Mann in diesem Bereich schon immer noch ein Exot.“

Diese Erfahrung macht auch Kilian Höck, der gerade seine Ausbildung an der Fachakadem­ie für Sozi

Maria Stern absolviert – gemeinsam mit fünf anderen jungen Männern und 175 Frauen. „Rundbriefe werden dann manchmal an ‘Liebe Schülerinn­en’ adressiert, das stört mich aber nicht. Frauen werden in anderen Bereichen ja viel öfter nicht mit einbezogen“, sagt der 23-Jährige. Und überhaupt: Der Augsburger glaubt, dass es als Mann ein Vorteil sein kann, in einem von Frauen dominierte­n Beruf zu arbeiten. „Heute dreht sich doch alles um Vielfalt. Viele Eltern und Einrichtun­gen wünschen sich männliches pädagogisc­hes Personal.“

Fakt ist: Je jünger die Kinder, desto weniger Männer finden sich in der Betreuung. Besonders in Kitas und Horten sind Erzieher dünn gesät. 116.000 Menschen arbeiten in Bayern in solchen Einrichtun­gen – nur knapp über fünf Prozent davon sind Männer. In der Stadt Augsburg ist der Anteil in den vergangene­n Jahren kontinuier­lich gestiegen, zuletzt lag er bei rund 7, im Landkreis bei 4 Prozent.

Dass sich zwar immer noch wenige, aber dafür immer mehr Männer für eine Erzieher-Ausbildung entscheide­n, beobachtet Irina Schumacher, die Leiterin der Fachakadem­ie

Sozialpäda­gogik des Diako. „Es findet ein langsamer Wandel statt, Erzieher werden immer besser akzeptiert“, sagt sie. Schumacher betont aber auch: „Die Einrichtun­gen und die männlichen Praktikant­en müssen klar kommunizie­ren und sich so verhalten, dass bei den Eltern keine Vorurteile oder Ängste entstehen können.“

Was Schumacher damit unter anderem meint: die Annahme, dass von männlichen Erziehern eine Gefahr ausgehen könnte. Dass es sexuelle Übergriffe auf Jungen und Mädchen geben könnte. Immer wieder berichten Erzieher von kritischen Blicken oder fragwürdig­en Regelungen. Männer dürfen dann Kinder nicht wickeln oder keine Mädchen auf die Toilette begleiten.

Jan Müller ist das zwar bislang nicht in seinem Ausbildung­salltag passiert, einem jungen Kollegen aber. Sein Bekannter, der ein Jahr lang in einer Einrichtun­g tätig war, sollte zwar alle Aufgaben übernehmen, nur das Wickeln zunächst nicht. Es müsse erst ein Grundvertr­auen geschaffen werden, habe es geheißen. „Das ist ja in Ordnung. Aber ich finde es schwierig, wenn zwischen Männern und Frauen Unalpädago­gik terschiede gemacht werden. Erzieherin­nen können ebenfalls Grenzen überschrei­ten“, so Müller.

Auch Kilian Höck berichtet, dass er diesen „Generalver­dacht“, wie er es nennt, bei seinem Kita-Praktikum im Hinterkopf gehabt habe. „Man passt als Mann im Umgang mit den Kindern zweimal auf. Ich habe gute Erfahrunge­n damit gemacht, offen auf die Eltern zuzugehen, das Gespräch zu suchen.“

Doch nicht nur Vorurteile und Verdachte halten manchen davon ab, diesen Beruf zu ergreifen. Eine Erzieher-Ausbildung zu machen ist – nicht nur für Männer – auch aus finanziell­er Hinsicht nicht immer attraktiv: Anders als die meisten anderen Ausbildung­en dauert eine Erzieherle­hre in der Regel insgesamt fünf Jahre, in denen die Schülerinn­en und Schüler je nach Träger zwischen 550 und 1500 Euro verdienen.

Seit Herbst vergangene­n Jahres können Bewerberin­nen und Bewerber mit mittlerem Schulabsch­luss die sogenannte praxisinte­grierte Ausbildung in vier, mit Hochschula­bschluss in drei Jahren absolviere­n. In dieser Ausbildung­sform erhalten die Studierend­en von Anfang an eine Vergütung, die bei 1000 bis 1500 Euro liegt. Das durchschni­ttliche Einstiegsg­ehalt von Erzieherin­nen und Erziehern beläuft sich auf rund 3000 Euro im Monat. Immer wieder demonstrie­ren Beschäftig­te für eine bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbed­infür gungen. „Wenn man Pädagoge wird, dann eher nicht mit dem Hintergeda­nken, reich zu werden“, sagt Kilian Höck dazu nur knapp. Sicher schrecke das einige ab und ja, vielleicht sogar gerade Männer, die nach wie vor meist Haupt- oder gar Alleinverd­iener seien. Eine Gruppenode­r Kitaleitun­g biete aber durchaus Aufstiegsm­öglichkeit­en.

Erzieher werden war nicht immer Höcks Berufswuns­ch. Er ist gelernter Kürschner. Auch Jan Müller hat bereits eine Ausbildung absolviert, ebenfalls im Handwerk, als Werkzeugme­chaniker. „Ich habe schnell gemerkt, dass mir etwas fehlt. Die Arbeit mit Menschen, gerade mit Kindern, gibt einem so viel zurück“, sagt er. Wohin genau es ihn nach dem Ende seiner Ausbildung in zwei Jahren führen wird, will er sich noch offen halten. Denn auch die Arbeit mit Jugendlich­en habe ihre spannenden Seiten.

Kilian Höck möchte an seine Erzieher-Ausbildung noch ein Studium anschließe­n – um alle Möglichkei­ten zu haben, wie er sagt. Wenn er sich etwas für die Zukunft wünschen könnte, dann mehr Wertschätz­ung von der Gesellscha­ft. „Für viele gelten Erzieher immer noch als die, die mit den Kindern spielen, auf sie aufpassen und das war’s.“Dabei sei der Beruf viel mehr. Schließlic­h gehe es darum, Kinder ein Stück auf ihrem Weg ins Leben zu begleiten.

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Foto: Patrick Pleul, dpa (Symbolbild) Ein seltenes Bild in Betreuungs­einrichtun­gen: Männer sind in Kitas noch immer deutlich in der Unterzahl.
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Kilian Höck
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Jan Müller

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