Augsburger Allgemeine (Land West)
Als Erzieher sind Männer noch immer Exoten
Ausbildung Es werden mehr – doch in Kitas und Tagespflege arbeiten noch immer kaum Männer. Zwei angehende Pädagogen aus Augsburg sprechen über Vorurteile und Vorteile.
Wenn Jan Müller morgens zur Kita kommt, ist er ein gefragter Mann. Der 24-Jährige spielt gerne Fußball, baut eine Autorennbahn auf, hangelt sich von einem Klettergerüst zum nächsten. Bei den Kindern zwischen drei und sechs Jahren kommt das gut an. Müller entspricht, wenn man so will, schon ein bisschen dem Klischee des männlichen Erziehers – oder? Darauf angesprochen muss er lachen: „Ja, ich kicke gerne und bin kein Bastelkönig“, sagt er. „Aber mein Berufswunsch entspricht sonst wohl nicht der Klischeevorstellung von Männlichkeit.“
Müller steckt mitten in seiner Erzieher-Ausbildung an der Fachakademie für Sozialpädagogik des Diako in Augsburg. Dazu gehört auch, praktische Erfahrungen zu sammeln. An seinem Arbeitsplatz im Kinderhaus Altstadt, einem Kindergarten mit Hort, wurde er mit offenen Armen empfangen, wie er erzählt. „Da hat man sich gefreut, dass mal ein Mann kommt“, sagt der 24-Jährige. Nur eine Kollegin sei anfangs etwas skeptisch gewesen. Ob Kinderbetreuung wirklich das Richtige für ihn sei? Ist es, findet Müller. „Aber klar, man ist als Mann in diesem Bereich schon immer noch ein Exot.“
Diese Erfahrung macht auch Kilian Höck, der gerade seine Ausbildung an der Fachakademie für Sozi
Maria Stern absolviert – gemeinsam mit fünf anderen jungen Männern und 175 Frauen. „Rundbriefe werden dann manchmal an ‘Liebe Schülerinnen’ adressiert, das stört mich aber nicht. Frauen werden in anderen Bereichen ja viel öfter nicht mit einbezogen“, sagt der 23-Jährige. Und überhaupt: Der Augsburger glaubt, dass es als Mann ein Vorteil sein kann, in einem von Frauen dominierten Beruf zu arbeiten. „Heute dreht sich doch alles um Vielfalt. Viele Eltern und Einrichtungen wünschen sich männliches pädagogisches Personal.“
Fakt ist: Je jünger die Kinder, desto weniger Männer finden sich in der Betreuung. Besonders in Kitas und Horten sind Erzieher dünn gesät. 116.000 Menschen arbeiten in Bayern in solchen Einrichtungen – nur knapp über fünf Prozent davon sind Männer. In der Stadt Augsburg ist der Anteil in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen, zuletzt lag er bei rund 7, im Landkreis bei 4 Prozent.
Dass sich zwar immer noch wenige, aber dafür immer mehr Männer für eine Erzieher-Ausbildung entscheiden, beobachtet Irina Schumacher, die Leiterin der Fachakademie
Sozialpädagogik des Diako. „Es findet ein langsamer Wandel statt, Erzieher werden immer besser akzeptiert“, sagt sie. Schumacher betont aber auch: „Die Einrichtungen und die männlichen Praktikanten müssen klar kommunizieren und sich so verhalten, dass bei den Eltern keine Vorurteile oder Ängste entstehen können.“
Was Schumacher damit unter anderem meint: die Annahme, dass von männlichen Erziehern eine Gefahr ausgehen könnte. Dass es sexuelle Übergriffe auf Jungen und Mädchen geben könnte. Immer wieder berichten Erzieher von kritischen Blicken oder fragwürdigen Regelungen. Männer dürfen dann Kinder nicht wickeln oder keine Mädchen auf die Toilette begleiten.
Jan Müller ist das zwar bislang nicht in seinem Ausbildungsalltag passiert, einem jungen Kollegen aber. Sein Bekannter, der ein Jahr lang in einer Einrichtung tätig war, sollte zwar alle Aufgaben übernehmen, nur das Wickeln zunächst nicht. Es müsse erst ein Grundvertrauen geschaffen werden, habe es geheißen. „Das ist ja in Ordnung. Aber ich finde es schwierig, wenn zwischen Männern und Frauen Unalpädagogik terschiede gemacht werden. Erzieherinnen können ebenfalls Grenzen überschreiten“, so Müller.
Auch Kilian Höck berichtet, dass er diesen „Generalverdacht“, wie er es nennt, bei seinem Kita-Praktikum im Hinterkopf gehabt habe. „Man passt als Mann im Umgang mit den Kindern zweimal auf. Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, offen auf die Eltern zuzugehen, das Gespräch zu suchen.“
Doch nicht nur Vorurteile und Verdachte halten manchen davon ab, diesen Beruf zu ergreifen. Eine Erzieher-Ausbildung zu machen ist – nicht nur für Männer – auch aus finanzieller Hinsicht nicht immer attraktiv: Anders als die meisten anderen Ausbildungen dauert eine Erzieherlehre in der Regel insgesamt fünf Jahre, in denen die Schülerinnen und Schüler je nach Träger zwischen 550 und 1500 Euro verdienen.
Seit Herbst vergangenen Jahres können Bewerberinnen und Bewerber mit mittlerem Schulabschluss die sogenannte praxisintegrierte Ausbildung in vier, mit Hochschulabschluss in drei Jahren absolvieren. In dieser Ausbildungsform erhalten die Studierenden von Anfang an eine Vergütung, die bei 1000 bis 1500 Euro liegt. Das durchschnittliche Einstiegsgehalt von Erzieherinnen und Erziehern beläuft sich auf rund 3000 Euro im Monat. Immer wieder demonstrieren Beschäftigte für eine bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedinfür gungen. „Wenn man Pädagoge wird, dann eher nicht mit dem Hintergedanken, reich zu werden“, sagt Kilian Höck dazu nur knapp. Sicher schrecke das einige ab und ja, vielleicht sogar gerade Männer, die nach wie vor meist Haupt- oder gar Alleinverdiener seien. Eine Gruppenoder Kitaleitung biete aber durchaus Aufstiegsmöglichkeiten.
Erzieher werden war nicht immer Höcks Berufswunsch. Er ist gelernter Kürschner. Auch Jan Müller hat bereits eine Ausbildung absolviert, ebenfalls im Handwerk, als Werkzeugmechaniker. „Ich habe schnell gemerkt, dass mir etwas fehlt. Die Arbeit mit Menschen, gerade mit Kindern, gibt einem so viel zurück“, sagt er. Wohin genau es ihn nach dem Ende seiner Ausbildung in zwei Jahren führen wird, will er sich noch offen halten. Denn auch die Arbeit mit Jugendlichen habe ihre spannenden Seiten.
Kilian Höck möchte an seine Erzieher-Ausbildung noch ein Studium anschließen – um alle Möglichkeiten zu haben, wie er sagt. Wenn er sich etwas für die Zukunft wünschen könnte, dann mehr Wertschätzung von der Gesellschaft. „Für viele gelten Erzieher immer noch als die, die mit den Kindern spielen, auf sie aufpassen und das war’s.“Dabei sei der Beruf viel mehr. Schließlich gehe es darum, Kinder ein Stück auf ihrem Weg ins Leben zu begleiten.