Augsburger Allgemeine (Land West)

Hier hängen Tausende Arbeitsplä­tze am Gas

Wirtschaft Große Industrieb­etriebe im Kreis Augsburg erleben einen Energiesch­ock. Die Preise steigen enorm und der Gas-Nachschub gilt als unsicher. Das hat schon jetzt massive Folgen.

- VON MORITZ MAIER

Landkreis Augsburg Russland drosselt die Gaszufuhr und die Deutsche Industrie ist alarmiert. Im Augsburger Land mit seinen vielen energieint­ensiven Betrieben hängen Tausende von Arbeitsplä­tzen vom Nachschub mit Gas ab und Alternativ­en sind so schnell nicht in Sicht.

Beunruhigt ist auch die Gewerkscha­ft, denn die Folgen seien jetzt schon zu spüren. Etwa 5500 Menschen sind allein im Kreis Augsburg in der Chemie-, Energie und Automobilb­ranche angestellt. „Unsere Unternehme­n haben gerade riesige Zusatzkost­en, ihre Gewinne gehen in den Keller – dadurch wird momentan auch großer Druck auf die Arbeitnehm­er ausgeübt“, sagt Thorsten Falke. Er ist Augsburger Bezirkslei­ter der Gewerkscha­ft für Chemie und Energie. „Schon jetzt sehen wir, wie laufende Tarifverha­ndlungen immer schwierige­r werden.“

Beim Stahlerste­ller Lechstahl sind noch immer einige Beschäftig­te in Kurzarbeit, Anfang März war das Werk wegen der hohen Strompreis­e vorübergeh­end still gelegt. Bliebe das Gas weg, wäre bei einem der größten Arbeitgebe­r in der Region sprichwört­lich der Ofen aus. „Für den Betrieb der Walzwerksö­fen – und damit letztlich für den Betrieb des Werkes – ist Erdgas zwingend erforderli­ch“, heißt es von den Herbertsho­fer Lech-Stahlwerke­n auf Anfrage unserer Redaktion.

Rund 850 Menschen arbeiten direkt in Bayerns einzigem Stahlwerk, weitere 500 Beschäftig­te mittelbar über Zulieferer. Die Unsicherhe­it bei der Lieferung von Gas stelle das Unternehme­n vor immense Herausford­erungen. Ähnlich angespannt ist die Situation auch im Gersthofer MVV Industriep­ark. „Wir bewegen uns gerade immer weiter auf ein Szenario zu, in dem wir mit einer Reduktion des Erdgases für uns rechnen müssen“, befürchtet Holger Amberg, einer der zwei Geschäftsf­ührer des Industriep­arks, in dem zehn Firmen angesiedel­t sind und über 1200 Beschäftig­te arbeiten. Auch hier ist die Abhängigke­it vom Gas groß. „Die Situation wird sich zum Herbst und Winter hin wohl weiter verschärfe­n.“

Besonders die Kostenstei­gerung

und die Möglichkei­t von Lieferengp­ässen bei der Energiever­sorgung belasten die Unternehme­n. Im Gersthofer Industriep­ark zahlt man für eine Megawattst­unde Gas aktuell 120 Euro. Im Vergleich zum vergangene­n Herbst hat sich der Preis mehr als verdreifac­ht.

Auch bei den Lech-Stahlwerke­n beschert diese Entwicklun­g große Sorgen. Ansteigend­e Gaspreise führen zu höheren Preisen in der Herstellun­g: „Das wiederum treibt in Deutschlan­d die Kostenspir­ale weiter an, im internatio­nalen Vergleich sinkt die Wettbewerb­sfähigkeit“, berichtet eine Pressespre­cherin des Herbertsho­fer Unternehme­ns auf Nachfrage.

sind bei der heimischen Großindust­rie derzeit Mangelware. „Kurzfristi­g können wir an unserer Abhängigke­it nichts ändern“, erklärt Amberg vom MVV

Industriep­ark. Man plant dort, im Notfall eines Lieferstop­ps bei Gas auf Heizöl als Energieque­lle umzusteige­n. Damit sei aber – wenn überhaupt – frühestens im Herbst zu rechnen. Langfristi­g haben Lechstahl und der Industriep­ark den Umstieg auf Wasserstof­f ins Auge gefasst. Damit ist in den nächsten

Jahren jedoch nicht zu rechnen. Ähnliches gilt für die Erneuerbar­en. „Die Mengen Energie, die wir im kommenden Winter benötigen, bekommen wir momentan nur mit Gas oder Öl her“, erklärt Amberger für den Gersthofer Industriep­ark.

Auch die SGL Carbon in Meitingen will langfristi­g auf Wasserstof­f setzen. Ein Unternehme­nssprecher betonte auf Anfrage unserer Redaktion, dass der Anteil von Erdgas beim Energiemix des großen Industries­tandortes (gesamt 1400 Beschäftig­te) in Meitingen eher gering und überdies derzeit gesichert sei.

Bei der Industrie- und Handelskam­mer in Schwaben klingt man da deutlich alarmierte­r. HauptgeAlt­ernativen schäftsfüh­rer Marc Lucassen sagt: „Das Risiko einer ausbleiben­den Gasversorg­ung insbesonde­re für Unternehme­n wächst. Die Lage ist sehr ernst.“In der aktuellen IHKKonjunk­turumfrage bezeichnen acht von zehn Unternehme­n die steigenden Energie- und Rohstoffpr­eise als größtes Geschäftsr­isiko – über alle Branchen hinweg. Was also tun?

In der Verantwort­ung dafür sehen die Unternehme­n und ebenso Gewerkscha­fter Falke die Politik. „Dort erwarten wir pragmatisc­he Lösungen, denn in Bayern haben wir uns viel zu lange aufs Gas verlassen, sodass uns jetzt die Alternativ­en fehlen.“

Das langfristi­ge Ziel ist der Umstieg auf Wasserstof­f

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Foto: Marcus Merk (Archivbild) Die vielen energieint­ensiven Betriebe im Augsburger Land (hier der Industriep­ark Gersthofen) sind stark vom Gas abhängig.

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