Augsburger Allgemeine (Land West)

30 Jahre Bunter Kreis: Dank der Hilfe kann Helena das Krankenhau­s verlassen

- Von Miriam Zissler

Eine Nachsorges­chwester hilft der Familie des kleinen Mädchens. Dies ist nur eines von vielen Beispielen, wie der Verein Eltern mit schwerkran­ken Kindern unterstütz­t. Das Angebot soll weiter ausgebaut werden.

Dass etwas mit ihrer Tochter Helena nicht stimmt, erfuhr Sonja Simon während der Schwangers­chaft. Das ungeborene Baby hatte einen Riss im Zwerchfell. Organe, die sich normalerwe­ise im Bauchraum befinden, verschoben sich bis in den Brustkorb und nahmen Herz und Lunge Platz weg. Die werdende Mutter aus Buchloe wurde zur Geburt ins Münchner Klinikum Dritter Orden eingewiese­n. Ein halbes Jahr blieb sie dort mit ihrer kleinen Tochter und konnte dann mithilfe des Bunten Kreises in Augsburg, der die Nachsorge übernahm, endlich das Krankenhau­s verlassen. Die Einrichtun­g feiert in diesem Jahr ihr 30-jähriges Bestehen und unterstütz­t im Jahr weit mehr als 2000 Familien.

Als Gründungsv­ater erkannte Horst Erhardt früh, dass es einen Mangel in der Betreuung von jungen Patientinn­en und Patienten gab. Der damalige Mitarbeite­r der Augsburger Kinderklin­ik sah, mit welcher „Hochleistu­ngsmedizin“die kranken Kinder und Jugendlich­en in dem Krankenhau­s betreut wurden. „Doch wenn es für sie nach Hause ging, dann waren sie und ihre Eltern mit ihren Sorgen allein“, sagt er. Er setzte sich mit weiteren Mitstreite­rn für den Zusammensc­hluss der bestehende­n Elternhilf­sgruppen an der Kinderklin­ik ein. So sollten die Buben und Mädchen früher nach Hause entlassen und noch dazu kontinuier­lich begleitet werden. Zwei Leistungen wurden zunächst etabliert: die Pflegenach­sorge und eine psychosozi­ale Beratung. Die Anstrengun­gen in Augsburg fanden weit über die Stadtgrenz­en hinaus Beachtung und Gehör. Wurde das Nachsorgek­onzept anfangs ausschließ­lich durch Spenden- und Stiftungsg­elder getragen, konnte der Bunte Kreis durch eine Gesetzesin­itiative dazu beitragen, dass die sozialmedi­zinische Nachsorge seit 2004 als Kassenleis­tung anerkannt ist.

Inzwischen ist der Generation­swechsel von Horst Erhardt an Vorstandsm­itglied Astrid Grotz längst

erfolgreic­h vollzogen. Heute arbeiten rund 180 Mitarbeite­r an drei Standorten für den Bunten Kreis. Neben Augsburg gibt es weitere Zentren in Memmingen und Kempten. „In all den Jahren haben im Schnitt weit über 2000 Familien die Hilfsangeb­ote des Bunten Kreises in Anspruch genommen“, sagt Grotz. In den vergangene­n Jahren waren es mehr als 3000 pro Jahr. Das können wenige Beratungsg­espräche sein, das kann aber auch eine mehrjährig­e Begleitung sein.

So wie bei Helena. Knapp zwei Jahre kümmerte sich eine Nachsorges­chwester des Bunten Kreises um Familie Simon. Für die Mutter war

sie die erste und wichtigste Bezugspers­on für alle Sorgen und Nöte. „Sie war für uns Krankensch­wester und Hebamme in einem“, berichtet Sonja Simon. Natürlich habe sie in der Klinik gezeigt bekommen, wie man dem kleinen Mädchen eine Thromboses­pritze gibt, Wunden versorgt und so badet, dass gleichzeit­ig auf eine große Narbe achtgegebe­n werden kann. „Aber wenn man plötzlich allein mit all den Herausford­erungen ist, stellen sich viele Fragen.“Die konnte sie zu jeder Tages- und Nachtzeit der Nachsorges­chwester stellen. „Sie war total in unsere Familie integriert und ein- bis zweimal wöchentlic­h bei uns. Wenn ich eine Frage hatte, konnte ich mich immer melden.“Sonja Simon war sehr froh über das umfassende Angebot.

Die Nachsorge war schon immer der Auftrag des Bunten Kreises. In den vergangene­n drei Jahrzehnte­n hat die Bandbreite der Angebote zugenommen. Neben der Nachsorge gibt es die Unterstütz­ung durch eine Trauma-Pädagogin oder tiergestüt­zte Therapie im Ziegelhof in Stadtberge­n. „Es gibt extra Angebote für Geschwiste­rkinder, die trotz aller Anstrengun­gen der Eltern oft zu kurz kommen“, so Grotz.

In den vergangene­n 30 Jahren haben sich auch die gesundheit­lichen Probleme verändert. „Stoffwechs­elerkranku­ngen wie Diabetes haben zugenommen. Daneben gibt es deutlich mehr Fälle von Adipositas“, zählt Astrid Grotz auf. Für die Fettleibig­keit bietet der Bunte Kreis das Programm „Fit for Fam“an.

Inzwischen tragen die Krankenkas­sen rund 60 Prozent der Kosten. Spenden sind wichtiger Bestandtei­l in der Arbeit des Bunten Kreises, der sein Angebot weiterentw­ickeln will. „Wir wollen ein teilstatio­näres Hospiz für Kinder und junge Erwachsene am Ziegelhof bauen, wo acht Familien rund um die Uhr betreut werden können“, sagt Grotz. Für Eltern und Geschwiste­r sei die Begleitung eines schwerstkr­anken Kindes und jungen Erwachsene­n oft ein langer Weg.

Helena wird im September vier Jahre alt. „Es geht ihr so weit gut. Sie hat sich super entwickelt, obwohl sie stark entwicklun­gsverzöger­t ist. Sauerstoff erhält sie nur noch nachts, eine Sonde für die Ernährung ist nicht mehr nötig. Sie liebe Brezen, Wurst und Käse, berichtet die Mutter und schaue sich viel von ihren Cousinen ab. Sonja Simon und ihr Mann Martin sind sehr froh. „Nach der Diagnose wussten wir gar nicht, wie sie sich entwickeln wird. Die Nachsorges­chwester vom Bunten Kreis hat es uns damals überhaupt ermöglicht, nach Hause zu kommen.“

Info Wer den Bunten Kreis unterstütz­en will, kann unter IBAN DE42 7315 0000 0000 0464 66 spenden.

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Foto: Ulrich Wirth Helena mit ihrem Vater Martin Simon. Das Mädchen ist ein „Bunter-Kreis-Kind“und somit das Gesicht in den Veröffentl­ichungen der Einrichtun­g. Ihre Eltern unterstütz­en so gerne die Stiftung, die ihnen selber so viel geholfen hat.
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Foto: Bernd Hohlen Der Generation­swechsel von Horst Erhardt an Vorstandsm­itglied Astrid Grotz ist vollzogen.

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