Augsburger Allgemeine (Land West)
Von der Stadt zum Stadtteil: Ein bisschen wehmütig ist Haunstetten immer noch
Die Haunstetter protestierten anfangs gegen die Eingemeindung nach Augsburg. 50 Jahre nach der Gebietsreform herrscht bei der Jubiläumsveranstaltung gute Stimmung.
Widerstand war damals angesagt in Bayern. Wie in vielen Gemeinden demonstrierten auch die Haunstetter, schrieben Eingaben, reichten Verwaltungs- und Verfassungsklagen ein, protestierten. Doch der Verlust des Stadtrechts war beschlossene Sache. Wie Elfriede Ohrnberger vom Vorstand des Haunstetter Kulturkreises berichtet, wurden kurz vor dem 1. Juli 1972 die Akten aus dem Haunstetter Rathaus geholt, die letzten sechs Trauungen gehalten, das Ende besiegelt. Haunstetten wurde Teil von Augsburg.
Zu feiern habe man eigentlich nichts, erklärt Kulturkreis-Vorsitzende Jutta Gossner in ihrer launigen Ansprache bei der Veranstaltung zum 50. Jahrestag der Eingemeindung. Im Vorstand habe man sich darauf geeinigt, die Veranstaltung auf keinen Fall „Jubiläum“zu nennen. Dafür, dass es nur ein Gedenken und keine Feier sein soll, herrschte im Pfarrsaal von St. Pius gute Stimmung. Chöre der drei Grundschulen sorgten für Heiterkeit, die Albert-Einstein-Mittelschule war mit einer kreativen Tanznummer und einer Girl-Band dabei.
Aus dem Augsburger Stadtrat nahm unter anderem Margarete Heinrich teil, aus dem Landtag der Abgeordnete Andreas Jäckel (CSU), und aus Berlin war der CSU-Bundestagsabgeordnete Volker Ullrich angereist. Aktivisten und Aktivistinnen des Kulturkreises, der Unternehmergemeinschaft Haunstetten, der frühere Augsburger Stadtdirektor Heinz Wimmer, Mitglied des letzten Haunstetter Stadtrates von 1972 sowie 250 Haunstetterinnen und Haunstetter begingen den Tag, der kein Jubiläum sein sollte.
Oberbürgermeisterin Eva Weber lobte den „liebenswürdigen“Stadtteil und das Engagement der Vereine für die rund 20.000 Einwohnerinnen und Einwohner im
Süden. Sie zeigte Verständnis für die damaligen Verlustängste des erst wenige Jahre zuvor zur Stadt erhobenen Haunstetten, das bis zum Jahr 1972 für seine fortschrittliche und erfolgreiche Kommunalpolitik bekannt war: In den 1960ern bauten die Haunstetter und Haunstetterinnen ihr Rathaus, die Fröbelschule, ein städtisches Altersheim und richteten das Naturfreibad ein. Selbst die Straßen seien in Haunstetten besser gewesen als im angrenzenden Augsburg, so Weber.
Neben Göggingen, Inningen und Bergheim, die ebenfalls am 1. Juli 1972 Teil von Augsburg wurden, schluckte die bayerische Gebietsreform damals insgesamt 5000 der einst 7000 Gemeinden. Ziel war, Bedingungen für gleichwertige Bildung und Grundversorgung zu schaffen. „Auf lange Sicht war es die bessere Entscheidung“, erklärt die Haunstetterin Elfriede Ohrnberger, frühere Schulreferentin in Augsburg. Die Stadt habe gegenüber dem Stadtteil alle Verpflichtungen des Beitrittsvertrags erfüllt.
Die zahlreichen Vereine und Initiative betonten mit einem eigenen Heimatlied und Forschungen zur Lokalgeschichte ihre Identität als Gemeinde. Neu erschienen ist das neue Fotobuch „Wenn ich an früher denk“des Kulturkreises. So ganz überwunden ist der Verlust dieser gewachsenen Gemeinschaft südlich von Augsburg nicht. „Aber wir sind nicht nachtragend, auch wenn sich der Verlust ins kollektive Gedächtnis eingebrannt hat“, stellt Jutta Gossner abschließend fest.
Im Pfarrsaal von St. Pius (Inninger Straße 29) präsentiert das Stadtarchiv bis 1. Juli eine Ausstellung mit dem Titel „Fünf Kommunen – eine Stadt/Die Gebietsreform von 1972 und die Eingemeindungen von Göggingen, Haunstetten, Inningen und Bergheim nach Augsburg“. Anschließend wandert sie vom 4. bis 22. Juli ins Stadtarchiv und vom 25. Juli bis 30. September ins Rathaus. Die Jubiläumsveranstaltung von Göggingen, Inningen und Bergheim soll im Oktober stattfinden.