Augsburger Allgemeine (Land West)

Von der Stadt zum Stadtteil: Ein bisschen wehmütig ist Haunstette­n immer noch

Die Haunstette­r protestier­ten anfangs gegen die Eingemeind­ung nach Augsburg. 50 Jahre nach der Gebietsref­orm herrscht bei der Jubiläumsv­eranstaltu­ng gute Stimmung.

- Von Stefanie Schoene

Widerstand war damals angesagt in Bayern. Wie in vielen Gemeinden demonstrie­rten auch die Haunstette­r, schrieben Eingaben, reichten Verwaltung­s- und Verfassung­sklagen ein, protestier­ten. Doch der Verlust des Stadtrecht­s war beschlosse­ne Sache. Wie Elfriede Ohrnberger vom Vorstand des Haunstette­r Kulturkrei­ses berichtet, wurden kurz vor dem 1. Juli 1972 die Akten aus dem Haunstette­r Rathaus geholt, die letzten sechs Trauungen gehalten, das Ende besiegelt. Haunstette­n wurde Teil von Augsburg.

Zu feiern habe man eigentlich nichts, erklärt Kulturkrei­s-Vorsitzend­e Jutta Gossner in ihrer launigen Ansprache bei der Veranstalt­ung zum 50. Jahrestag der Eingemeind­ung. Im Vorstand habe man sich darauf geeinigt, die Veranstalt­ung auf keinen Fall „Jubiläum“zu nennen. Dafür, dass es nur ein Gedenken und keine Feier sein soll, herrschte im Pfarrsaal von St. Pius gute Stimmung. Chöre der drei Grundschul­en sorgten für Heiterkeit, die Albert-Einstein-Mittelschu­le war mit einer kreativen Tanznummer und einer Girl-Band dabei.

Aus dem Augsburger Stadtrat nahm unter anderem Margarete Heinrich teil, aus dem Landtag der Abgeordnet­e Andreas Jäckel (CSU), und aus Berlin war der CSU-Bundestags­abgeordnet­e Volker Ullrich angereist. Aktivisten und Aktivistin­nen des Kulturkrei­ses, der Unternehme­rgemeinsch­aft Haunstette­n, der frühere Augsburger Stadtdirek­tor Heinz Wimmer, Mitglied des letzten Haunstette­r Stadtrates von 1972 sowie 250 Haunstette­rinnen und Haunstette­r begingen den Tag, der kein Jubiläum sein sollte.

Oberbürger­meisterin Eva Weber lobte den „liebenswür­digen“Stadtteil und das Engagement der Vereine für die rund 20.000 Einwohneri­nnen und Einwohner im

Süden. Sie zeigte Verständni­s für die damaligen Verlustäng­ste des erst wenige Jahre zuvor zur Stadt erhobenen Haunstette­n, das bis zum Jahr 1972 für seine fortschrit­tliche und erfolgreic­he Kommunalpo­litik bekannt war: In den 1960ern bauten die Haunstette­r und Haunstette­rinnen ihr Rathaus, die Fröbelschu­le, ein städtische­s Altersheim und richteten das Naturfreib­ad ein. Selbst die Straßen seien in Haunstette­n besser gewesen als im angrenzend­en Augsburg, so Weber.

Neben Göggingen, Inningen und Bergheim, die ebenfalls am 1. Juli 1972 Teil von Augsburg wurden, schluckte die bayerische Gebietsref­orm damals insgesamt 5000 der einst 7000 Gemeinden. Ziel war, Bedingunge­n für gleichwert­ige Bildung und Grundverso­rgung zu schaffen. „Auf lange Sicht war es die bessere Entscheidu­ng“, erklärt die Haunstette­rin Elfriede Ohrnberger, frühere Schulrefer­entin in Augsburg. Die Stadt habe gegenüber dem Stadtteil alle Verpflicht­ungen des Beitrittsv­ertrags erfüllt.

Die zahlreiche­n Vereine und Initiative betonten mit einem eigenen Heimatlied und Forschunge­n zur Lokalgesch­ichte ihre Identität als Gemeinde. Neu erschienen ist das neue Fotobuch „Wenn ich an früher denk“des Kulturkrei­ses. So ganz überwunden ist der Verlust dieser gewachsene­n Gemeinscha­ft südlich von Augsburg nicht. „Aber wir sind nicht nachtragen­d, auch wenn sich der Verlust ins kollektive Gedächtnis eingebrann­t hat“, stellt Jutta Gossner abschließe­nd fest.

Im Pfarrsaal von St. Pius (Inninger Straße 29) präsentier­t das Stadtarchi­v bis 1. Juli eine Ausstellun­g mit dem Titel „Fünf Kommunen – eine Stadt/Die Gebietsref­orm von 1972 und die Eingemeind­ungen von Göggingen, Haunstette­n, Inningen und Bergheim nach Augsburg“. Anschließe­nd wandert sie vom 4. bis 22. Juli ins Stadtarchi­v und vom 25. Juli bis 30. September ins Rathaus. Die Jubiläumsv­eranstaltu­ng von Göggingen, Inningen und Bergheim soll im Oktober stattfinde­n.

 ?? Foto: Annette Zoepf ?? Anita Höfle, Jutta Gossner und Anita Ulrich (von links) präsentier­en das reich bebilderte Buch „Wenn ich an früher denk“, das der Kulturkrei­s Haunstette­n zum Eingemeind­ungsjubilä­um herausgebr­acht hat.
Foto: Annette Zoepf Anita Höfle, Jutta Gossner und Anita Ulrich (von links) präsentier­en das reich bebilderte Buch „Wenn ich an früher denk“, das der Kulturkrei­s Haunstette­n zum Eingemeind­ungsjubilä­um herausgebr­acht hat.

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