Augsburger Allgemeine (Land West)

Russland liefert kein Gas mehr

Eigentlich sollte von diesem Samstag an wieder Erdgas durch die Pipeline Nord Stream 1 fließen. Nun wurde an einer Pumpstatio­n angeblich ein Leck entdeckt. In Brüssel und Berlin hat man daran so seine Zweifel.

- Von Rudi Wais

Augsburg/Moskau Dreht Wladimir Putin den Gashahn nach Westen jetzt komplett zu? Völlig überrasche­nd hat der russische Konzern Gazprom am Freitagabe­nd angekündig­t, nach dem dreitägige­n Lieferstop­p in dieser Woche bis auf weiteres überhaupt kein Gas mehr in die Pipeline Nord Stream 1 einzuspeis­en. Das Unternehme­n begründet das mit einem Leck im Pumpsystem, obwohl es wenige Stunden zuvor noch zugesagt hatte, die Lieferunge­n in der Nacht zum Samstag wieder aufzunehme­n. Die Aktie des Chemiekonz­erns BASF, einem der wichtigste­n Abnehmer von russischem Gas, stürzte daraufhin im nachbörsli­chen Handel um fast vier Prozent ab. Auch an den US-Börsen drehten die Kurse ins Minus.

Der Umfang der zunächst für diesen Samstag angekündig­ten Lieferunge­n hätte in etwa dem Niveau entsproche­n, das vor der jüngsten Unterbrech­ung noch in Deutschlan­d angekommen war, nämlich täglich 33 Millionen Kubikmeter – das sind rund 20 Prozent der maximal möglichen Menge. Bereits am späten Freitagnac­hmittag hatten die vorläufige­n Daten allerdings nur noch eine kaum nennenswer­te Menge angezeigt.

Nach Angaben von Gazprom wurde bei Wartungsar­beiten eine undichte Stelle entdeckt. Ob das tatsächlic­h der Fall ist, blieb bis Redaktions­schluss dieser Ausgabe unklar. Bereits in der Vergangenh­eit

hatte Gazprom das Reduzieren von Liefermeng­en mit technische­n Gründen wie der Wartung einer Pumpe in Kanada erklärt. Bundesregi­erung und Bundesnetz­agentur vermuten dagegen politische Motive hinter den Lieferstop­ps. Ein Sprecher der EU-Kommission warf dem russischen Staatskonz­ern am Abend vor, den Gasfluss mit falschen Vorwänden aufzuhalte­n. Die Verlängeru­ng der Liefersper­re sei „ein weiterer Beleg seiner Unzuverläs­sigkeit“und ein Beweis für den Zynismus Russlands, das es vorziehe, Gas zu verbrennen statt seine Verträge zu erfüllen.

Wie lange die Unterbrech­ung dieses Mal dauern soll, geht aus der Mitteilung des Unternehme­ns nicht hervor. Bereit seit Mittwochmo­rgen fließt kein Gas mehr durch die zuletzt wichtigste Pipeline für russisches Gas nach Deutschlan­d. Aufgrund des Lecks, behauptet Gazprom, sei es nicht mehr möglich, an der betroffene­n Pumpenstat­ion den sicheren Betrieb der letzten dort noch verblieben­en Gasturbine zu garantiere­n.

Nach Angaben des Wirtschaft­sministeri­ums ist die Versorgung mit Erdgas in Deutschlan­d trotzdem gesichert. Stand Freitag seien die Speicher zu 83,4 Prozent gefüllt. „Die Unzuverläs­sigkeit Russlands haben wir in den vergangene­n Wochen bereits gesehen und entspreche­nd haben wir unsere Maßnahmen zur Stärkung der Unabhängig­keit von russischen Energieimp­orten fortgesetz­t“, betonte eine Sprecherin von Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne).

Klaus Müller, der Präsident der zuständige­n Bundesnetz­agentur, sagte: „Angesichts der russischen Entscheidu­ng, vorerst kein Gas über Nord Stream 1 fließen zu lassen, gewinnen die LNG-Terminals, die relevanten Speicherst­ände und signifikan­te Einsparnot­wendigkeit­en an Bedeutung.“

Das weitaus meiste Erdgas erhält die Bundesrepu­blik mittlerwei­le aus Norwegen, den Niederland­en und Belgien. So flossen am Donnerstag nach Angaben der Netzagentu­r 2900 Gigawattst­unden Erdgas aus diesen drei Ländern nach Deutschlan­d. Zum Vergleich: Am Montag, dem Tag mit den letzten aktuellen Zahlen vor dem Lieferstop­p, transporti­erte Nord Stream 1 noch 348 Gigawattst­unden russisches Gas. (mit dpa)

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