Augsburger Allgemeine (Land West)

Vom Nonsens-Didi zum Theaterlei­ter

Porträt Den Grimassens­chneider hat Dieter Hallervord­en hinter sich gelassen. Heute ist er Schauspiel­er in Charakterr­ollen, Leiter von nun drei Theatern und ein Mann deutlicher Worte.

- Birgit Müller-Bardorff

Man sagt nur „Palim, Palim“und jeder weiß, um wen es geht. Aber damit wollen wir es auch bewenden lassen, seine Vergangenh­eit als Grimassens­chneider der Nation hat Dieter Hallervord­en abgehakt. Spätestens seit er 2013 in dem Kinofilm „Sein letztes Rennen“einen ehemaligen Olympiasie­ger spielte, der im Alter noch einmal am Berlin-Marathon teilnehmen will.

So beeindruck­end verkörpert­e Hallervord­en diesen Mann, dass er mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeich­net wurde. „Eine saftige Ohrfeige für alle Möchtegern­kritiker, die mich als Komödiante­n jahrzehnte­lang abgewatsch­t haben“, freute er sich damals und spielte ebenso brillant gleich noch in Til Schweigers „Honig im Kopf “eine weitere Altersroll­e. Deutliche Worte scheut Hallervord­en, der Romanistik, Publizisti­k und Theaterwis­senschaft studiert hat, übrigens nie – ob zum Gendern („Soll ich zum Wasserhahn jetzt Wasserhenn­e sagen?“) oder jüngst zur Debatte um Winnetou, als er Goethes Faust ins Spiel brachte, der sich an Gretchen in einer frauenfein­dlichen Art ranmache. Aufreger wie diese nicht ganz so ernst zu nehmen, sondern sich köstlich darüber zu amüsieren, empfiehlt er. Bei einem Thema verlor aber auch er seinen Humor: Gegen die

Theatersch­ließungen in der Pandemie zog Hallervord­en vor Gericht.

Davon war er schließlic­h doppelt betroffen, als Schauspiel­er und als Theaterlei­ter. Seit 1960 betreibt er in Berlin das Kabarett „Die Wühlmäuse“, 2008 übernahm er in der Hauptstadt dazu das leer stehende Schlosspar­ktheater, renovierte es auf eigene Kosten (mit dem Geld, das er als Blödel-Didi verdient hatte) und macht seitdem dort gehobenes Unterhaltu­ngstheater, in dem er selbst immer wieder auf der Bühne steht. In einer Zeit, in der die Sorge über schwindend­e Zuschauerz­ahlen groß ist, legt der leidenscha­ftliche Theaterman­n nun noch einen drauf. Am 4. September eröffnet er in seiner Geburtssta­dt Dessau das „Mitteldeut­sche Theater in der Marienkirc­he“. Am Tag danach feiert Hallervord­en seinen 87. Geburtstag. Aber: „Alt ist man ja erst dann, wenn man mehr Freude an der Vergangenh­eit hat als an der Zukunft. Man muss sich auf etwas freuen, das noch vor einem liegt. Das schafft Kräfte frei, da sehe ich den Sinn drin.“Wenn diese Sätze noch gelten, die Hallervord­en einst dem Deutschlan­dfunk sagte, dann fühlt er sich wohl in diesen Tagen wie ein Jungspund stark wie ein Bär.

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Foto: dpa

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