Augsburger Allgemeine (Land West)

„Ich habe wieder Spaß am Leben“

Schwabens IHK-Präsident Andreas Kopton war schwer krank. Nun spricht er offen über die harte Zeit und erklärt, welche Lehren er aus ihr gezogen hat – und zwar für sich und für die Herausford­erungen, vor der Unternehme­r stehen.

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Eigentlich ist alles wie früher. Andreas Kopton lacht, ist braun gebrannt und streckt einem die Hand entgegen. Corona hin oder her: Der Präsident der schwäbisch­en Industrieu­nd Handelskam­mer bleibt beim Händeschüt­teln zur Begrüßung: „So habe ich es von klein auf gelernt.“Doch das Schicksal hat ihn herausgefo­rdert. Er betritt den Raum mit Stöcken und ist deutlich schmäler im Gesicht, ja schlanker als einst.

Herr Kopton, wie geht es Ihnen? Was ist passiert?

Andreas Kopton: Ich hatte vor einem Jahr einige Entzündung­en, die sich auf meine Wirbelsäul­e gelegt haben. Das hat man zu spät erkannt. Dann sind Wirbel weich geworden und gebrochen. Zwei gebrochene Lendenwirb­el konnten relativ schnell wiederherg­estellt werden. Da kam Zement rein.

Doch es kam noch härter für Sie.

Kopton: Ja, mir sind noch zwei Brustwirbe­l gebrochen, die ins Rückenmark reingingen. Damit bin ich querschnit­tsgelähmt. Diese Wirbel haben aber nicht das Rückenmark getrennt, sondern nur auf das Rückenmark gedrückt. Diese Querschnit­tslähmung heißt deshalb inkomplett­e Querschnit­tslähmung. So gab es die Hoffnung, dass vieles wieder zurückkomm­t. Und es ist vieles wieder zurückgeko­mmen. Nachdem ich sechs Wochen nur im Rollstuhl saß, kann ich wieder mit Stöcken laufen. Zu Hause geht das inzwi- schen auch ohne Stöcke.

Was sagen Ihnen die Ärzte?

Kopton: Rund ein Jahr nach der Erkrankung ist meine Wirbelsäul­e stabil. Der Neuchirurg hat mich aus der Nachsorge entlassen.

Sie waren lang in der Reha.

Kopton: Dort habe ich etwas Entscheide­ndes für meine Erkrankung, aber auch für unsere krisenbeha­ftete Zeit gelernt: Man kann sich hinsetzen, jammern und mit Fragen wie dieser martern: Warum ist ausgerechn­et mir das passiert? Schließlic­h bin ich sechs Wochen, nachdem ich aus dem aktiven Management des Harburger UmweltInge­nieurunter­nehmens HPC mit 65 Jahren ausgeschie­den bin, erkrankt. Es war geplant, dass ich mich vom Vorstandsp­osten in den Aufsichtsr­at zurückzieh­e. Am 31. Mai 2021 bin ich als Vorstand raus, am 16. Juli konnte ich nicht mehr laufen. Dabei hatte ich so viel vor und wollte schöne Reisen machen.

Geht das jetzt wieder?

Kopton: Reisen ist für mich beschwerli­cher geworden, aber ich mache es trotzdem. Und ich kann wieder mit dem Auto fahren. Nach der Jammerphas­e habe ich in der Reha gelernt, mein Schicksal zu akzeptiere­n: Ich habe mir also gesagt: Das ist so, fertig! Denke nicht mehr an die Vergangenh­eit. Das ist jetzt ein neuer Lebensabsc­hnitt. Nimm es an und mache etwas draus. Trainiere und gut ist es.

Das klingt generell nach einem guten Krisenmott­o.

Kopton: Natürlich kann sich ein Unternehme­r in dieser Krisenzeit hinsetzen, jammern und die alten Zeiten herbeisehn­en. Doch die kommen nicht zurück. Ich bin fest davon überzeugt: Man muss als Unternehme­r die neuen Rahmenbedi­ngungen akzeptiere­n und etwas Neues bauen.

Mitten in der globalen Krise erlebten Sie Ihre persönlich­e Krise. Bleiben Sie weiter ein Optimist?

Kopton: Natürlich gab es Phasen, in denen ich an allem gezweifelt habe und mir der Humor vorübergeh­end abhanden kam. Ich bleibe aber weiter Optimist. Für mich gibt es Katastroph­en, Unglücke und Herausford­erungen. Eine Katastroph­e ereignet sich in der Ukraine, wo so viele Menschen sterben. Ein Unglück ist das, was mir passiert ist. Eine Herausford­erung besteht darin, wie man mit so einem Unglück umgeht.

Was bedeutet das für Unternehme­rinnen und Unternehme­r?

Kopton: Sie brauchen vor allem Optimismus im Umgang mit all den Krisen. Wirtschaft heißt mit knappen Ressourcen umzugehen. Derzeit sind viele Ressourcen knapp. Das ist kein Unglück, erst recht keine Katastroph­e, sondern eine Herausford­erung.

Haben Sie während Ihrer Krankheit überlegt, als IHK-Präsident zurückzutr­eten?

Kopton: Ich habe meinen drei Stellvertr­etern gesagt, dass ich für längere Zeit ausfalle und es zwei Möglichkei­ten gibt: Entweder ich mache nicht mehr weiter und einer von euch muss das Amt übernehmen oder ihr sagt mir, dass wir das auch so packen. Alle drei baten mich, Präsident zu bleiben. Sie waren bereit, meine Arbeit vorübergeh­end zu übernehmen. Das hat mich enorm motiviert und gefreut. Ich bin gerne Präsident. Das ist eine Herzensang­elegenheit.

Was sagt Ihre Frau dazu?

Kopton: Sie hat schnell erkannt, dass die Arbeit für mich wichtig ist. So sagt sie zu mir: Wenn du in die IHK gehst, bist du ein anderer Mensch. Ich genieße es, hier zu sein, gerade wenn das Haus bei Veranstalt­ungen voll ist. Ich habe wieder Spaß am Leben.

Es klingt so, als hätten Sie Ihre Krise überwunden.

Kopton: Ja, mir geht es wieder gut. Ich spüre meine Beine. Das einzige Problem ist, dass mein Rumpf nicht stabil ist. Doch ich lebe in der Kammerarbe­it auf, weil ich Menschen treffe, die ich mag. Und ich gehe auf Menschen zu. Ich brauche das Amt des IHK-Präsidente­n auch zur mentalen Gesundung.

Hatten Sie sich während der Erkrankung nie überlegt, sich ganz ins Private zurückzuzi­ehen?

Kopton: Niemals. Mich völlig ins Privatlebe­n zurückzuzi­ehen ist für mich eine Horrorvors­tellung. Was mache ich da? Ich lese zwar gerne, aber das reicht nicht. Ich bin Mitglied in sechs Aufsichtsr­äten. Ich habe das so vorbereite­t, um nicht im Ruhestand in ein Loch zu fallen. Golf spielen war für mich für das Alter keine Lösung. Ich habe einen Schnupperk­urs gemacht und festgestel­lt: Ich mag Golf nicht. Aber ich überlege mir, vielleicht mal Philosophi­e zu studieren.

Sie gehen sehr offen mit Ihrer Krankheit um. Wie reagieren Menschen darauf?

Kopton: Sehr positiv. Natürlich fragen mich viele, warum ich mit Stöcken laufe. Bei Veranstalt­ungen spreche ich das dann gleich von mir aus offensiv an. Dann muss ich es nicht jedem Einzelnen erklären. Was bemerkensw­ert ist: Menschen öffnen sich auch mir und erzählen, an welchen Krankheite­n sie leiden oder welche Probleme sie haben. Das haben sie früher nie gemacht. Plötzlich ist man im selben Klub.

Ihnen geht es also wieder besser. Aber wie geht es der Wirtschaft in Bayerisch-Schwaben?

Kopton: Ich sehe trotz aller massiven Probleme auch viel Positives. Nach unserer Konjunktur­umfrage schätzen die meisten Unternehme­r die aktuelle wirtschaft­liche Lage immerhin als stabil ein. Doch die Firmeninha­ber blicken immer skeptische­r in die Zukunft. Das Erstaunlic­he

ist: Obwohl die Stimmung schlecht ausfällt, ist die Geschäftsl­age für viele Firmen stabil. Die Lage ist also viel besser als die Stimmung. Unsere schwäbisch­en Unternehme­n können Krise.

Doch wir stehen an der Tür zur Rezession.

Kopton: Na und! Dann lasst doch eine Rezession kommen. Vielleicht geht die Wirtschaft­sleistung dann um ein Prozent zurück. Darüber sollten wir uns nicht so aufregen. Wir dürfen uns von dem Wort „Rezession“keine Angst einjagen lassen, bricht doch die deutsche Wirtschaft vielleicht leicht ein, während die russische um zehn Prozent abstürzen könnte. Und noch ist die Rezessions­tür zu.

Bei allem Optimismus: Die Gasund Strompreis­e explodiere­n. Wackeln die ersten Betriebe?

Kopton: Ich halte mich hier mit Prognosen zurück, zumal sich auch während der Corona-Krise alle diesbezügl­ichen dunklen Prophezeiu­ngen nicht erfüllt haben. Ich staune etwa, wie viel Gas wir alle einsparen könnten.

Müssen wir jetzt wieder auf Atomkraft setzen?

Kopton: Wir sind in Deutschlan­d Profis darin, wenn es darum geht, etwa Atomkraftw­erke abzuschalt­en. Und das tun wir im Bewusstsei­n, dass die Alternativ­e zur Kernenergi­e, also die Leitungen, die Windstrom von Nord- nach Süddeutsch­land bringen, nicht da sind. Ich habe das nie verstanden: Man kann doch Atomkraftw­erke nicht ohne eine Alternativ­e abschalten. Und man kann überirdisc­he Stromtrass­en nicht wie die Bayerische Staatsregi­erung unter Ex-Ministerpr­äsident Horst Seehofer absagen und Leitungen unter der Erde verspreche­n, ohne zu wissen, was das kostet und wie Erdkabel funktionie­ren. Noch haben wir diese Erdkabel nicht.

Wir bräuchten also dringend eine Alternativ­e, also Atomkraft?

Kopton: Als Alternativ­e waren Gaskraftwe­rke vorgesehen. Doch das geht nicht mehr. Jetzt müssen wir die letzten drei Atomkraftw­erke weiterlauf­en lassen. Die Politiker sollten ihre Parteibüch­er in den Schrank sperren und wie Unternehme­r handeln. Unternehme­r konzentrie­ren sich in einer Krise nur auf die Lösung der Krise und blenden alles andere aus. Und ich finde es eine hilfreiche Idee, ein bereits abgestellt­es Atomkraftw­erk wie Gundremmin­gen wieder in Betrieb zu nehmen, zumindest so lange, bis die geplanten Nord-SüdLeitung­en Strom nach BayerischS­chwaben liefern.

Was hat die Energiepre­is-Explosion für Folgen für Bayern?

Kopton: Franz-Josef Strauß hat die Atomkraftw­erke und damit große Mengen verlässlic­he Energie nach Bayern gebracht. Es siedelten sich energieint­ensive Betriebe an. Nun werden energieint­ensive Firmen nicht mehr neu in Bayern heimisch werden. Solche Unternehme­n gehen nach Mecklenbur­g-Vorpommern, Brandenbur­g oder Schleswig-Holstein, dorthin, wo es ausreichen­d und zuverlässi­g Windstrom gibt. Bei dem Thema bin ich mal kein Optimist: Das Bayern von morgen, also das Bayern in 30 Jahren, heißt Mecklenbur­g-Vorpommern. Dort gibt es ausreichen­d grünen Strom, Platz für Neuansiedl­ungen und die Verantwort­lichen freuen sich über neue Betriebe.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Schwabens IHK-Präsident Andreas Kopton sagt: „Natürlich gab es Phasen, in denen ich an allem gezweifelt habe und mir der Humor vorübergeh­end abhanden kam. Ich bleibe aber weiter Optimist.“Nach einer schweren Krankheit arbeitet er weiter als Kammer-Chef.
Foto: Ulrich Wagner Schwabens IHK-Präsident Andreas Kopton sagt: „Natürlich gab es Phasen, in denen ich an allem gezweifelt habe und mir der Humor vorübergeh­end abhanden kam. Ich bleibe aber weiter Optimist.“Nach einer schweren Krankheit arbeitet er weiter als Kammer-Chef.

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