Augsburger Allgemeine (Land West)

EU will den Strompreis drücken

In Brüssel wird derzeit ein Instrument­enkasten für die Energiekri­se bestückt. Unter anderem sollen Übergewinn­e abgeschöpf­t werden. Aber auch Firmen müssen sich auf Vorgaben der Kommission einstellen.

- Von Katrin Pribyl

Brüssel Der Brüsseler EU-Jargon ist an Sprachperl­en keineswegs arm, und zu ihnen gehört der Begriff „Non-Paper“. Als solches wird ein informelle­s Diskussion­spapier bezeichnet, wie es die EU-Kommission nun unter dem Titel „Notfallmaß­nahmen auf dem Strommarkt“verfasst hat. In dem 23-seitigen Entwurf, der unserer Redaktion vorliegt, hat die Behörde eine Reihe von Optionen durchgespi­elt, wie mit einem Markteingr­iff auf die explodiere­nden Energiepre­ise reagiert werden kann.

Demnach empfehlen die Beamten zum einen eine koordinier­te Reduzierun­g der Nachfrage, zum anderen eine Preisoberg­renze für Strom, der nicht mit Gas erzeugt wurde. Die Kommission bezeichnet das Limit als „Preisdecke­l“für alle Stromerzeu­ger, deren Betriebsko­sten niedriger sind als jene von Gaskraftwe­rken, die aber bisher den gleichen Betrag verlangen. So will man die Preise der anderen Energieträ­ger von den Gaspreisen entkoppeln. In Europa bestimmt nach dem „Merit-Order-Prinzip“das teuerste Kraftwerk, das zur Deckung des Bedarfs gebraucht wird, den Preis. Den können dann alle Kraftwerke verlangen, selbst wenn sie viel günstiger liefern könnten.

Nach dem Vorschlag der Brüsseler Behörde sollen die massiven Gewinne, die Betreiber von Kernund Braunkohle­kraftwerke­n sowie von Windenergi­e- und Solarparks derzeit verbuchen, abgeschöpf­t und in den Mitgliedst­aaten umverteilt werden. Damit könnten die Regierunge­n etwa einkommens­schwache Haushalte direkt unterstütz­en, so die Idee. Die Länder wären verpflicht­et, die Einnahmen „mit den Verbrauche­rn zu teilen, um deren Stromrechn­ungen zu senken“. Medien nannten Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen schon scherzhaft „Robin Hood für Strom“.

Aber handelt es sich hierbei um eine „verkappte Übergewinn­steuer“, wie der CSU-Europaabge­ordnete Markus Ferber kritisiert­e? Seit Wochen streiten in Deutschlan­d

Politiker aller Couleurs über die Einführung einer Sonderabga­be für Energiekon­zerne, die ohne unternehme­rische Eigenleist­ungen, sozusagen durch Zufall, vom drastische­n Anstieg der Öl- und Gaspreise profitiere­n. Die FDP, vorneweg Finanzmini­ster Christian Lindner, und die Unionspart­eien lehnen eine Übergewinn­steuer ab. Hinter den Kulissen in Brüssel war jedoch zu vernehmen, dass sich Berlin inzwischen offen zeige gegenüber dem Kommission­svorschlag. In dem Papier heißt es auch, dass die Einführung einer solchen Preisoberg­renze „nicht mit parallelen Regelungen zur Besteuerun­g von Gewinnüber­schüssen vereinbar“sei. Die müssten dann abgeschaff­t werden. In zahlreiche­n Ländern, darunter Italien, Spanien, Griechenla­nd und Rumänien, fällt bereits eine Übergewinn­steuer an, wobei sich die Modelle teils stark unterschei­den.

Es brauche jetzt keinen Optionenka­talog, sondern „strukturel­le

Lösungen auf Basis marktwirts­chaftliche­r Prinzipien“, forderte der CSU-Politiker Ferber. Tatsächlic­h sind die Maßnahmen vage beschriebe­n. Wie hoch etwa das Preislimit sein könnte, darüber werden keine Angaben gemacht. Es handele sich noch nicht um einen offizielle­n Vorschlag, betonten die Beamten. Mit einem solchen wird Mitte des Monats gerechnet.

Unterdesse­n wurde auch ein Gesetzentw­urf öffentlich: Eingreifen will die EU-Kommission im Notfall auch in der Wirtschaft direkt, indem sie Produktion­svorgaben macht. Konkret geht es etwa darum, bestimmte Aufträge für die Produktion „krisenrele­vanter Güter“bevorzugt zu behandeln, wie aus dem Papier hervorgeht. Zunächst sollen Unternehme­n dies auf freiwillig­er Basis machen. Akzeptiere­n sie die Empfehlung­en aber nicht, könnte die Kommission „unter außergewöh­nlichen Umständen“die Firmen verpflicht­en, Aufträge vorrangig zu behandeln.

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Foto: dpa Bürger in ganz Europa leiden derzeit unter hohen Energiepre­isen.

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