Augsburger Allgemeine (Land West)
Es bleibt leider eine Medizin für zwei Klassen
Ein Schritt weg von der Zweiklassenmedizin – so lobte der heutige Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach 2019, als er noch nicht Minister war, die damals eingeführte außerbudgetäre Vergütung für Ärzte, die neue Patienten behandeln. So steht es auf der Webseite des Bundestages. Vor dem Hintergrund dieser früheren Einschätzung kann man den jetzigen Zorn der Ärzte auf den SPD-Politiker nachvollziehen. Denn in der Tat ist es keine verlässliche Politik, wenn vor drei Jahren eine Regelung eingeführt und so schnell wieder einkassiert wird. Noch dazu in Zeiten, in denen nicht nur Kliniken vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie längst an ihrer Belastungsgrenze arbeiten, sondern eben auch sehr viele Arztpraxen.
Doch der Ärger reicht viel tiefer, und Lauterbach kämpft eben auch in einem Dilemma, das nicht er verursacht hat und das nicht erst seit ein paar Jahren besteht: Es ist ein viel zu undurchsichtiges, hoch komplexes Finanzierungssystem, das noch dazu aufgrund des Nebeneinanders von privater und gesetzlicher Krankenversicherung eine unwürdige Zwei-Klassen-Medizin geradezu zementiert. Ein System noch dazu, das längst ächzt und immer teurer wird. Ein System, das vor dem Hintergrund der steigenden Zahl älterer und damit auch zunehmend mehr chronisch kranker Menschen überdies zu kollabieren droht.
Einseitige Schuldvorwürfe bringen hier daher wenig. Was fehlt, ist eine Reform, die eine leistungsgerechte Bezahlung aller Ärztinnen und Ärzte sowie eine zuverlässige, gute und schnelle medizinische Versorgung aller Patientinnen und Patienten garantiert. Ein teils wochenlanges Warten auf einen Facharzttermin, wie Neupatientinnen und -patienten, die gesetzlich versichert sind, nun zumindest wieder befürchten müssen, zeigt, dass etwas gewaltig schief läuft.