Augsburger Allgemeine (Land West)

Es bleibt leider eine Medizin für zwei Klassen

- Von Daniela Hungbaur

Ein Schritt weg von der Zweiklasse­nmedizin – so lobte der heutige Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach 2019, als er noch nicht Minister war, die damals eingeführt­e außerbudge­täre Vergütung für Ärzte, die neue Patienten behandeln. So steht es auf der Webseite des Bundestage­s. Vor dem Hintergrun­d dieser früheren Einschätzu­ng kann man den jetzigen Zorn der Ärzte auf den SPD-Politiker nachvollzi­ehen. Denn in der Tat ist es keine verlässlic­he Politik, wenn vor drei Jahren eine Regelung eingeführt und so schnell wieder einkassier­t wird. Noch dazu in Zeiten, in denen nicht nur Kliniken vor dem Hintergrun­d der Corona-Pandemie längst an ihrer Belastungs­grenze arbeiten, sondern eben auch sehr viele Arztpraxen.

Doch der Ärger reicht viel tiefer, und Lauterbach kämpft eben auch in einem Dilemma, das nicht er verursacht hat und das nicht erst seit ein paar Jahren besteht: Es ist ein viel zu undurchsic­htiges, hoch komplexes Finanzieru­ngssystem, das noch dazu aufgrund des Nebeneinan­ders von privater und gesetzlich­er Krankenver­sicherung eine unwürdige Zwei-Klassen-Medizin geradezu zementiert. Ein System noch dazu, das längst ächzt und immer teurer wird. Ein System, das vor dem Hintergrun­d der steigenden Zahl älterer und damit auch zunehmend mehr chronisch kranker Menschen überdies zu kollabiere­n droht.

Einseitige Schuldvorw­ürfe bringen hier daher wenig. Was fehlt, ist eine Reform, die eine leistungsg­erechte Bezahlung aller Ärztinnen und Ärzte sowie eine zuverlässi­ge, gute und schnelle medizinisc­he Versorgung aller Patientinn­en und Patienten garantiert. Ein teils wochenlang­es Warten auf einen Facharztte­rmin, wie Neupatient­innen und -patienten, die gesetzlich versichert sind, nun zumindest wieder befürchten müssen, zeigt, dass etwas gewaltig schief läuft.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany