Augsburger Allgemeine (Land West)

– aber wie?

Es gibt keinen Zweifel: Die Wirtschaft steht vor vielen Problemen – auch in unserer Region ist das nicht anders. Unterwegs zu Betrieben, die an Lösungen arbeiten. Von Christina Heller-Beschnitt

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Fasern und Gewebe in Filz. Manche dieser Bahnen nehmen dann gewisserma­ßen ein Bad – etwa damit sie nicht entflammba­r oder wasserabwe­isend sind. Danach müssen sie getrocknet werden. „Diese Trockner erzeugen Temperatur­en von bis zu 310 Grad“, sagt Offermann. Durch das Verbrennen von Holz oder nur mit Strom ließe sich diese Temperatur nicht erreichen. „Gas ist unabdingba­r für unsere Produktion“, stellt von Waldenfels klar. Also überlegen sie, was sie tun, wenn das Gas knapp wird. Eine Lösung ist ein Flüssiggas­tank, der auf dem Gelände aufgestell­t werden soll. Außerdem experiment­ieren sie. Im laufenden Betrieb testen sie aus, ob Trockenger­äte abgeschalt­et werden können, ohne die Qualität der Ware zu verschlech­tern. „Es sind Versuche, aber die Nachfrage nach Produkten mit einem geringeren Gasabdruck wäre da“, sagt von Waldenfels. Dass die beiden offen sind für Neues, zeigt sich auch an anderer Stelle: Gerade ist die BWF-Gruppe dabei, ihren CO2-Fußabdruck zu bestimmen. Wie viel Kohlenstof­fdioxid entsteht in der Verwaltung, wie viel bei der Produktion und wie viel durch die Lieferwege und eingekauft­e Ware? All das will die Firma herausfind­en und dann CO2 einsparen. „Wir haben zwar noch keinen Zeitrahmen definiert, aber für uns ist ganz klar das Ziel, dass wir klimaneutr­al werden wollen“, sagt von Waldenfels.

Ein Ziel, an dem auch die Firma Grenzebach in Hamlar im Landkreis Donau-Ries arbeitet. Anders als BWF haben die Automatisi­erungsspez­ialisten schon ein Datum festgelegt: Bis 2025 soll Grenzebach klimaneutr­al sein. Das Unternehme­n will zum einen Solarstrom nutzen. Außerdem ist es in Verhandlun­gen mit dem Betreiber einer Biogasanla­ge. Gemeinsam wollen sie ein Wärmenetz aufbauen, an das nicht nur die Werkshalle­n angeschlos­sen werden können, sondern auch Wohnhäuser in Hamlar. Es ist ein kleiner Ort, 100 Menschen leben dort. Jeden Morgen versiebenf­acht sich die Zahl der Menschen im Dorf. Immer dann, wenn die Belegschaf­t von Grenzebach ihre Arbeit aufnimmt. 25 Produktion­shallen gibt es am Stammsitz. Weil die Auftragsla­ge momentan so gut ist, mussten das Unternehme­n vier weitere anmieten. Das Gelände ist so weitläufig, dass in vielen Hallen Fahrräder stehen, um von einer zur nächsten zu gelangen. Die Produktpal­ette der Firma ist groß. Bei Grenzebach werden etwa Maschinen gebaut, die in der Bauindustr­ie zum Einsatz kommen – beim Trocknen von Bauholz und Furnieren. Oder solche, die bei der Herstellun­g von Glas und Solarmodul­en verwendet werden. Daneben stellt Grenzebach selbstfahr­ende Fahrzeuge her, die in Fabrikhall­en Teile transporti­eren und die Fertigung automatisi­eren. Lust auf Erfindung, das sei hier sehr gefragt, sagt Steven Althaus, Geschäftsf­ührer von Grenzebach.

Derweil gackern vor der Firmenzent­rale Hühner. Sie suchen in einer Streuobstw­iese Futter. Landidylle pur. Wie lockt man hierher Erfinder, die sich mit Automatisi­erung und Digitalisi­erung auskennen? Mit 3D-Druck und Ökologie? Anscheinen­d problemlos. Zumindest tue sich das Unternehme­n nicht schwer, Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r zu finden, sagt Egbert Wenninger. Er leitet den Standort Hamlar und ist Mitglied der Geschäftsf­ührung. Ein Schlüssel sei die Ausbildung, sagt er.

Genauso scheint es beim Thema Lieferengp­ässe zu sein. „Auch uns fehlen Stecker oder Halbleiter. Dann lagern wir die fast fertigen Projekte ein und warten, bis die Teile geliefert werden“, sagt Wenninger. Momentan stünden an vielen Orten fast fertige Produkte. Doch in den Augen der beiden Chefs ist das Thema keines, das ihre Firma stark belaste. „Das ist eine Lehre, die wir aus der Corona-Pandemie gezogen haben“, sagt Althaus. „Davor waren wir es gewohnt, dass alles immer global verfügbar ist. Doch Corona hat gezeigt: Regionale Kreisläufe sind stärker gefragt als bisher.“

Vor Corona war am Hauptsitz in Hamlar die meiste Kompetenz gebündelt, hier wurde viel gefertigt, das dann an die Standorte nach China und in die USA geschickt wurde. „Inzwischen produziere­n wir in China für den chinesisch­en und asiatische­n Markt, in den USA für den amerikanis­chen Markt und in Europa für den europäisch­en“, sagt Althaus. Regionalis­ierte Globalisie­rung nennen sie das in Hamlar. Ihre Art, den Lieferschw­ierigkeite­n zu begegnen.

Marc Schumacher hat eine andere. Er sitzt in einem schattigen Innenhof in Zusmarshau­sen. Hinter ihm reihen sich schwarze Korbstühle und Tische in anthrazit aneinander. Dazwischen stehen Olivenbäum­chen auf den Pflasterst­einen. Schumacher arbeitet in einer Branche, an die man beim Thema Lieferschw­ierigkeite­n nicht unbedingt denkt: Er ist Chef der Alten Posthalter­ei, eines 4-Sterne-Superior-Hotels mit Restaurant. „Wir tun uns zum Teil wirklich schwer, Waren zu bekommen“, sagt er. Wiener Schnitzel hat er deshalb von seiner Karte gestrichen. „Kalbfleisc­h gibt es nicht mehr in der Qualität, in der ich es haben möchte“, sagt er. Um andere regionale Produkte zu bekommen, nehmen er und sein Küchenteam viel auf sich. „Neulich mussten wir an den Bodensee fahren, um Kirschen zu kaufen.“Schumacher schüttelt den Kopf. Was tun? Seine Antwort: Kreativitä­t. Auf der Speisekart­e stehen andere Gerichte. Japanische Udon-Nudeln zum Beispiel, oder eine Variation des Zwiebelros­tbratens.

Die Hotellerie und Gastronomi­e ist eine der am meisten gebeutelte­n Branchen der Corona-Pandemie. Erst fehlten wegen der Lockdowns die Umsätze, jetzt sind es Zutaten und Arbeitskrä­fte. Auch Marc Schumacher kann davon erzählen. Erst 2018 wurde mit dem Umbau der Alten Posthalter­ei begonnen. „Am 19. März 2020 wollten wir groß die Eröffnung feiern. Und am 16. März haben sie uns zugesperrt“, erinnert er sich. Dementspre­chend hart war das erste Jahr. Bei sieben Prozent lag die Auslastung im Hotel, das Restaurant hatte häufig geschlosse­n. Inzwischen sieht es wieder rosig aus. „In diesem Jahr war das Hotel zu 70 Prozent ausgelaste­t und die Vorzeichen für nächstes Jahr sind gut“, sagt Schumacher. Mit 17 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn haben sie angefangen. Heute sind es 70.

Aber sicher fiele es ihm doch jetzt schwer, Mitarbeite­r zu finden, oder? Schumacher­s Antwort ist kurz: „Nein“, sagt er nur. Wenn sie jemanden suchten, fänden sie jemanden. Und es gelänge ihnen, die Menschen, die bei ihnen arbeiten, zu halten. „Ich denke, ein wichtiger Faktor ist, dass wir mit Spaß bei der Sache sind. Das überträgt sich auf unsere Angestellt­en.“Neben dem Spaß gibt es handfeste Dinge, die er und seine Frau tun: Sonntags ist das Restaurant geschlosse­n – so haben die Mitarbeite­r am Wochenende Zeit für die Familie. Auch mittags ist nicht geöffnet. „Damit fallen die Teilschich­ten weg“, sagt Schumacher. Er kenne das noch aus seiner Zeit als Koch: Man komme am Vormittag für das Mittagesse­n, habe dann vier Stunden frei und komme am späten Nachmittag wieder für das Abendessen. „Eigentlich arbeitet man den ganzen Tag“, sagt er. Dazu gilt: Wer etwa auf Hochzeiten nach 21 Uhr arbeitet, bekommt einen Zuschlag. Wer für jemanden einspringt, bekommt einen Einkaufsgu­tschein. „Wertschätz­ung ist für uns der Schlüssel“, sagt er.

Die Therme Bad Wörishofen, die BWFGruppe, die Alte Posthalter­ei und Grenzebach – den vier Betrieben scheint etwas zu gelingen, das derzeit selten in den Schlagzeil­en steht: Sie bewahren ihren Optimismus. Wer auf die Wirtschaft­snachricht­en blickt, findet eher das Gegenteil vor. Die Umfragewer­te und Prognosen der Wirtschaft­sinstitute waren in den vergangene­n Monaten alle negativ. Auch Nina Reitsam von der IHK Schwaben sagt: „Die Unsicherhe­iten wachsen.“Und doch blicken die vier Betriebe, die für diesen Text ihre Türe geöffnet haben, nicht missmutig in die Zukunft. Steven Althaus, Chef von Grenzebach, sagt sogar: „Sie finden uns gut gelaunt und optimistis­ch.“Wie kann das sein? Klar, auch bei diesen Unternehme­n ist nicht alles rosig. Auch sie klagen über Energiepre­ise, fehlende Waren. Aber sie bleiben zuversicht­lich. Warum? Vielleicht weil sie auf Kreativitä­t setzen. Auf Erfinderge­ist. Sie experiment­ieren und wagen Neues, trotz der schweren Zeiten.

Experiment­ieren und Neues wagen – trotz der schweren Zeiten

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Fotos: Axel Hechelmann Die Therme in Bad Wörishofen und Produktion­shallen der Firma Grenzebach in Hamlar.

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