Augsburger Allgemeine (Land West)

„Davon konnte ich nichts wissen“

- Interview: Christoph Driessen, dpa

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki verteidigt sich gegen massive Vorwürfe, darunter den des Meineids. Dass er fast eine Million Euro für eine PR-Agentur ausgeben ließ, findet er nicht problemati­sch. Diese soll ihm geraten haben, Missbrauch­sopfer auf seine Seite zu ziehen.

Papst Franziskus hat Sie Anfang des Jahres aufgeforde­rt, Ihren Rücktritt einzureich­en, was Sie getan haben. Seitdem überlegt der Papst, ob er Ihr Gesuch annimmt oder nicht. Diese Woche waren Sie selbst in Rom. Hat der Papst Ihnen gesagt, wie seine Entscheidu­ng ausfallen wird? Rainer Maria Woelki: Wir haben miteinande­r gesprochen und es war eine sehr herzliche, offene und freundlich­e Begegnung. Aber dieses Thema ist nicht angesproch­en worden.

Sie sind Anfang März aus Ihrer fünfmonati­gen Auszeit zurückgeke­hrt und haben die Gläubigen um eine „zweite Chance“gebeten. Inzwischen scheint die Möglichkei­t für einen Neuanfang vertan. Die Fronten sind wieder verhärtet, die Stimmung ist verbittert. Woelki: Das sehe ich nicht so. Dass es da in jüngster Zeit zu Irritation­en gekommen ist, hängt sicherlich auch mit einer Berichters­tattung zusammen, von der ich denke, dass sie nicht die Realität abgebildet hat. Da wurde der Eindruck erweckt, ich hätte den Betroffene­nbeirat instrument­alisiert – zu meinem eigenen Machterhal­t. Das war definitiv nicht so.

Tatsache ist doch aber, dass Sie eine PR-Agentur engagiert haben, die Ihnen dann empfohlen hat, in der Auseinande­rsetzung um ein nicht veröffentl­ichtes Missbrauch­sgutachten den Beirat von Betroffene­n sexuellen Missbrauch­s auf Ihre Seite zu ziehen.

Woelki: Nein, das ist so nicht gewesen. Die PR-Agentur hat lediglich den Auftrag gehabt zu überlegen: Wie können wir das Gespräch mit den Missbrauch­sbetroffen­en verantwort­lich gestalten? Dafür hat die Agentur unterschie­dliche Szenarien entwickelt, sechs genau, und uns vorgelegt. Wir haben den Betroffene­nbeirat in keiner Weise instrument­alisiert oder unter Druck gesetzt. Leider hat sich ein damaliger Teilnehmer der Sitzung im Nachhinein anders geäußert, was mir sehr leidtut.

Sollte ein Kardinal sein Schicksal nicht in Gottes Hand legen anstatt in die Hände einer PR-Agentur?

Woelki: Ich bin immer dafür, dass wir unser aller Schicksal in Gottes Hand legen, aber auf der anderen Seite gelten in dieser Welt nun mal bestimmte Gesetzmäßi­gkeiten. Und wenn eine große Organisati­on – wir haben viele, viele Mitarbeite­r – in eine krisenhaft­e Situation hineingerä­t, sollte man sich profession­elle Unterstütz­ung holen.

Die Dienste der Agentur haben insgesamt 820.000 Euro gekostet. Mit diesem Geld hätten Sie viel Gutes tun können. Sie haben sich anfangs zum Beispiel sehr für Flüchtling­e eingesetzt.

Woelki: Das tun wir auch weiterhin, wofür ich den Beteiligte­n sehr dankbar bin. Und natürlich hätte ich dieses Geld gern für solche Projekte eingesetzt. Aber wir haben uns eben auch der Aufarbeitu­ng des Missbrauch­s verschrieb­en.

Aufarbeitu­ng klar – aber hier geht es ja um PR.

Woelki: Wir mussten die Ergebnisse ja auch kommunizie­ren. Und

anfangs wurden uns Fehler in der Kommunikat­ion vorgeworfe­n. Später dann nicht mehr. Profession­alität kostet Geld. Wir sind aber im finanziell­en Rahmen dessen geblieben, was von den Bistumsgre­mien genehmigt worden war.

Müssen Sie im Rückblick nicht sagen, dass es ein Fehler war, diese Agentur zu engagieren?

Woelki: Ich glaube, dass wir ohne deren Unterstütz­ung in noch schwierige­re Fahrwasser hineingera­ten wären.

In der Kritik stehen Sie auch wegen Ihres Umgangs mit Missbrauch­stätern. Nehmen wir den Fall Winfried Pilz, den 2019 gestorbene­n Chef der Sternsinge­r, gegen den es ebenfalls Missbrauch­svorwürfe gibt. Da sagen Sie, dass Sie bis Juni dieses Jahres gar nicht mit seinem Fall „befasst“gewesen seien. Was heißt „befasst“?

Woelki: Ich habe am 24. Juni eine E-Mail des damaligen Generalvik­ars bekommen, in der er mir sagte: „Wir müssen am Wochenende

in den Gemeinden, in denen Pilz gewesen ist, einen Aufruf starten. Wir haben da neue Hinweise bekommen.“Das war das erste Mal, dass ich von den Vorwürfen gehört habe. Für den 27. Juni war dann ein Gespräch von mir mit einem mutmaßlich­en Betroffene­n geplant. Dafür hat mich ein Mitarbeite­r unserer

Priester zeigen Woelki an

Die katholisch­en Priester Wolfgang F. Rothe (München), Burkhard Hose (Würzburg) und Bernd Mönkebüsch­er (Hamm) haben den Kölner Kardinal laut eigener Aussage am Donnerstag wegen des Verdachts des Verstoßes gegen §156 StGB (Falsche Versicheru­ng an Eides Statt) angezeigt. Es geht um den Fall Pilz und diesbezügl­iche Recherchen von Deutschlan­dfunk und der Zeit-Beilage „Christ & Welt“, die den Verdacht erweckten. Es sei nun Aufgabe unabhängig ermittelnd­er Behörden, festzustel­len, ob dieser Verdacht begründet sei, erklärten sie am Freitag. Ihre Anzeige sei ein „Weckruf“auch an andere Bischöfe. (wida)

Interventi­onsstelle für sexuellen Missbrauch an diesem Tag 20 Minuten über die Vorwürfe gegen Pilz informiert.

Es gibt ja eine Recherche, in der Ihre eidesstatt­liche Versicheru­ng, erst Ende Juni von den Vorwürfen gegen Pilz erfahren zu haben, angezweife­lt wird. Begründung: Ihre Büroleiter­in hat bereits Anfang Mai einen Termin mit dem Betroffene­n vereinbart. Folglich seien Sie schon früher mit dem Fall befasst gewesen.

Woelki: Nein, das war nicht so. Sondern da hat sich jemand gemeldet, der als Missbrauch­sbetroffen­er mit mir sprechen wollte. Mein Sekretaria­t hat ihm dann natürlich einen Termin gegeben, ohne zu wissen, wen er da gegebenenf­alls beschuldig­en würde. Insofern widerspric­ht das überhaupt nicht meiner eidesstatt­lichen Erklärung. Ich werde garantiert nicht hingehen und als Bischof einen Meineid leisten.

Um das noch einmal festzuhalt­en: Sie wussten bis dahin nichts von

Aber wenn das so ist, dann ist das doch ein Riesenvers­äumnis Ihrer Mitarbeite­r. Die hätten Sie doch unbedingt informiere­n müssen, dass gegen diese herausrage­nde Persönlich­keit, diese frühere Lichtgesta­lt auch Vorwürfe vorliegen.

Woelki: Na ja, Moment mal. Erstens ist dieser Fall abgeschlos­sen gewesen unter meinem Vorgänger Kardinal Meisner 2014 …

… abgeschlos­sen gewesen mit der Auflage, er darf sich nicht mehr ohne Erwachsene Kindern nähern.

Woelki: Ja, aber Sie wissen, dass er erstens nicht mehr in unserem Bistum gelebt hat, sondern im Bistum Dresden-Meißen. Es ist ein Versäumnis gewesen, dass man das damals, 2012, nicht nach Dresden gemeldet hat, aber davon wusste ich nichts, davon konnte ich nichts wissen, weil die Bearbeitun­g des Falls bei meiner Ankunft in Köln abgeschlos­sen war. Zweitens ist dieser Fall auch im Missbrauch­sgutachten von Gercke gewesen, aber so anonymisie­rt, dass ich Pilz nicht dahinter gesehen und vermutet habe. Das ist das Faktum.

Jetzt gibt es ja diese berühmte Liste mit den Namen von Missbrauch­stätern, die Sie sich 2015 haben vorlegen lassen. Nicht nachvollzi­ehbar ist, dass Sie sagen, Sie wüssten nicht mehr, welche Namen da draufgesta­nden haben. So was brennt sich einem doch ein.

Woelki: Was mich vor allem schockiert hat, war, dass sich ein Freund, mit dem ich über viele Jahre in Urlaub gefahren bin, auf dieser Liste befand. Das ist das, was sich mir in mein Gedächtnis eingebrann­t hat und was mich emotional bis heute bewegt und natürlich auch persönlich belastet. Ich kann Ihnen wirklich beim besten Willen nicht sagen, wer sich da sonst drauf befunden hat.

 ?? Foto: Federico Gambarini, dpa ?? Wie es mit Woelki weitergeht? Er habe mit dem Papst jedenfalls kürzlich nicht über sein Rücktritts­gesuch gesprochen, sagt er. den Vorwürfen gegen Pilz? Sie wussten nicht, dass ihm auch Missbrauch zur Last gelegt wird? Woelki: Genau.
Foto: Federico Gambarini, dpa Wie es mit Woelki weitergeht? Er habe mit dem Papst jedenfalls kürzlich nicht über sein Rücktritts­gesuch gesprochen, sagt er. den Vorwürfen gegen Pilz? Sie wussten nicht, dass ihm auch Missbrauch zur Last gelegt wird? Woelki: Genau.

Newspapers in German

Newspapers from Germany