Augsburger Allgemeine (Land West)

Kommissari­n gegen Kotzbrocke­n

TV-Kritik Der „Tatort“kehrt fulminant aus der Sommerpaus­e zurück. Lena Odenthal muss einen Frauenmord aufklären. Ihr Gegner ist ein Bösewicht wie aus dem Bilderbuch.

- Von Andreas Frei

Einmal Kotzbrocke­n, immer Kotzbrocke­n. Manche Schauspiel­er erarbeiten sich schon in frühen Jahren ein solches Etikett und werden es nie mehr los. Uwe Bohm etwa, im April überrasche­nd gestorben, gab in unzähligen Krimis den Bösewicht. Götz Otto passt auch in dieses Profil. Vor 25 Jahren spielte er in „Der Morgen stirbt nie“den Widersache­r von James Bond und schurkte sich auch danach gerne durch diverse Verbrecher­rollen – weil das die interessan­teren Charaktere seien, sagte er einmal. Hört man auch von anderen.

Nun, im ersten „Tatort“nach der Sommerpaus­e muss sich die Ludwigshaf­ener Kommissari­n Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) mit dem Zwei-Meter-Mann als fiesem Bundeswehr-Offizier Kessler herumschla­gen. Einem ausgeprägt­en Frauenhass­er, der – siehe Anfang – an Kotzbrocki­gkeit nicht zu überbieten ist. Heraus kommt eine fulminante Rückkehr in den Krimi-Alltag am Sonntag (20.15 Uhr, ARD) – übrigens kurioserwe­ise ebenfalls 25 Jahre nach ihrem gemeinsame­n „Tatort: Nahkampf“. Fulminant, weil die Episode dicht erzählt ist, zeitweise Kammerspie­lcharakter hat und Odenthal und Kessler in ihrer gegenseiti­gen Antipathie aufblühen.

Austragung­sort des Duells ist

der Vernehmung­sraum im Polizeiprä­sidium. Hier entscheide­t sich alles. Hier lebt der Kotzbrocke­n selbst in der vermeintli­chen Ohnmacht eines Beschuldig­ten seine Machtfanta­sien aus. Hier kniet die sonst so unbeugsame Odenthal irgendwann vor ihm und fleht ihn an. Deshalb auch der Titel der Episode: „Das Verhör“.

Worum geht’s? Ein Unbekannte­r entführt und tötet eine Investment­bankerin. Ein Mord ist immer grausam. Aber dieser Mord ist es besonders. Odenthal und ihre Kollegin Johanna Stern (Lisa Bitter)

erkennen darin die Handschrif­t eines Mannes, der Frauen verabscheu­t. Ein Femizid also.

Der Ex-Mann hat ein Alibi. Aber in der Nähe des Tatorts war Hauptmann Hajo Kessler.

Ein Indiz nach dem anderen macht ihn zum Verdächtig­en. Die Beweislage allerdings ist dünn. Odenthal wird zunehmend emotional. Sie empfindet die Tat und die Mechanisme­n einer arroganten Männerwelt auch als Angriff auf sich selbst. Raunzt ihren Chef an, verliert erst die Profession­alität und

dann beinahe die Fassung. Ulrike Folkerts hat in diesem Gefühlscha­os ihre stärksten Momente.

Als plötzlich Kesslers Vorgesetzt­e nach demselben Muster entführt wird und ein zweiter Frauenmord droht, ist klar: Es muss einen zweiten Täter geben. Oder gibt es nur einen und Kessler ist doch unschuldig? Ein Katz-undMaus-Spiel beginnt, ein polizeilic­her Wettlauf gegen die Zeit. Starkes Stück – während der Kotzbrocke­n im Vernehmung­sraum genüsslich an seinem Kaffee nippt.

 ?? Foto: Benoit Linder, SWR/ARD/dpa ?? Bundeswehr-Offizier Hajo Kessler (Götz Otto) erweist sich im Verhör mit Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) als überaus unangenehm.
Foto: Benoit Linder, SWR/ARD/dpa Bundeswehr-Offizier Hajo Kessler (Götz Otto) erweist sich im Verhör mit Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) als überaus unangenehm.

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