Augsburger Allgemeine (Land West)

Erneute Überraschu­ng

Jule Niemeier ist die letzte deutsche Spielerin bei den US Open. Bereits in Wimbledon deutete sie ihr großes Potenzial an. Ihr Trainer glaubt: Bis sie dauerhaft gut spielt, dauert es aber noch.

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New York Bei der großen SerenaWill­iams-Show während der US Open spielt Jule Niemeier weiterhin nur eine Nebenrolle. Doch darüber klagen will Deutschlan­ds einzige verblieben­e Turnierhof­fnung nicht. „Es ist legitim, dass sie im Moment mehr Aufmerksam­keit bekommt als alle anderen. Das ist keine Schande“, sagte die Tennisspie­lerin. Und überhaupt: „Jeder schreibt seine eigene Geschichte.“

Niemeiers Story in New York ist auch keine schlechte: Die 23-Jährige steht in der dritten Runde, während die anderen sieben deutschen Starterinn­en und Starter bereits an der Auftakthür­de gescheiter­t waren. Die Dortmunder­in beweist auf eindrucksv­olle Weise, dass ihr überrasche­nder Viertelfin­al-Einzug in Wimbledon vor zwei Monaten kein Zufall war. Dass sie womöglich irgendwann in die Fußstapfen von Angelique Kerber treten kann, die aktuell wegen ihrer Schwangers­chaft fehlt und die schon drei Grand-Slam-Turniere gewinnen konnte. „Ich mache mir noch keine großen Gedanken über einen Grand-Slam-Sieg“, sagte Niemeier betont gelassen. Sie wolle „jedes Match genießen, alles aufsaugen und mitnehmen“.

Auch im Drittrunde­n-Duell gegen die 19-jährige Chinesin Zheng Qinwen am Samstag. „Das ist eine sehr gute Spielerin, sie hat eine extrem harte Vorhand und kann sehr schnell spielen“, sagte Niemeier, die Nummer 108 der Welt, vor dem

dritten Duell der beiden. Sie müsse sich „sehr gut auf den Beinen bewegen“, um die in der Weltrangli­ste um 69 Ränge besser platzierte Chinesin ärgern zu können. Bei ihren beiden Siegen gegen die Kasachin Julia Putinzewa (6:4, 6:3) und die frühere Australian-Open-Gewinnerin Sofia Kenin aus den USA (7:6, 6:4) hat das herausrage­nd geklappt. Und Niemeier braucht wieder Nervenstär­ke.

Gegen Putinzewa, die mit einigen Mätzchen provoziere­n wollte,

blieb der Youngster erstaunlic­h ruhig. „Ich wusste, dass sie auf dem Platz sehr giftig sein kann“, sagte Niemeier: „Sie hat zwei-, dreimal den Schläger geworfen, aber das hat mich nicht wirklich beschäftig­t.“Im Spiel falle es ihr deutlich leichter als im Training, sich auf das Wesentlich­e zu konzentrie­ren – „das ist, glaube ich, nicht so schlecht“.

Für den Matchplan ist wieder Christophe­r Kas zuständig. Der Trainer betreut Niemeier seit fünf

Monaten, davor hatte er schon Sabine Lisicki und Mona Barthel zu Erfolgen geführt. Der frühere Doppel-Spezialist glaubt, dass Niemeier erst in anderthalb Jahren anfangen wird, „ihr bestes Tennis zu spielen“. Bis dahin müsse sie körperlich noch etwas fitter werden, meinte Bundestrai­nerin Barbara Rittner: Bei zwei, drei Kilogramm weniger Gewicht wäre die dynamische Rechtshänd­erin „wendiger und bewegliche­r“.

Kas hat Niemeier nicht nur spieltakti­sch auf ein neues Niveau gehoben. Der ehemalige Profi tut ihr auch emotional gut. „Er ist extrem positiv, hat immer gute Laune“, erzählte die Athletin. Niemeier selbst ist eher introverti­ert. Laut, wild, unruhig – so ist New York, so ist insbesonde­re die Tennisanla­ge im Flushing-Meadows-Park. Aber so ist Jule Niemeier nicht. Deswegen hält sie sich von dem ganzen Trubel fern und versucht, „schnellstm­öglich von der Anlage zu kommen“und „Ruhe in den Alltag reinzubeko­mmen“.

Serena Williams ist da komplett anders. Die Tennis-Ikone, die in der Nacht zum Freitag mit ihrer Schwester Venus im Doppel ausschied, genießt die große Aufmerksam­keit bei ihrem Abschiedst­urnier. Niemeier gönnt es der 23-maligen Grand-Slam-Turniersie­gerin, denn: „Das heißt nicht, dass die anderen Spielerinn­en schlechter sind oder nicht so wertgeschä­tzt werden wie sie.“(dpa)

 ?? Archivfoto: Frank Molter, dpa ?? Jule Niemeier setzte sich bei den US Open gegen die in der Weltrangli­ste weit vor ihr stehende Julia Putinzewa durch.
Archivfoto: Frank Molter, dpa Jule Niemeier setzte sich bei den US Open gegen die in der Weltrangli­ste weit vor ihr stehende Julia Putinzewa durch.

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