Augsburger Allgemeine (Land West)

Und plötzlich ist es auf den Tribünen ganz still

Der Hype um Max Verstappen ist in den Niederland­en groß. Die Fans feiern beim Rennen in Zandvoort eine große Party. Der Auftakt aber verläuft so gar nicht nach dem Wunsch des Weltmeiste­rs.

- Von Marco Scheinhof

Zandvoort Der Wind trägt den Lärm über die Dünen. Am Strand werden die ersten Liegen nach vorne gezogen, gut 20 Grad sind zwar nicht die ideale Badetemper­atur, ein paar Mutige aber wagen sich dennoch in die Nordsee. Abkühlen vor einem heißen Wochenende. Je näher man der Strecke kommt, desto lauter wird es. Die Motoren dröhnen, sie sind im gesamten Ort zu hören. Zandvoort ist an diesem Wochenende Gastgeber für die Formel 1. Der holländisc­he Küstenort hat sich herausgepu­tzt. Viele Häuser sind geschmückt, überall wehen Fahnen. Die Aufregung ist groß. Das hängt natürlich mit der Formel 1 zusammen, in erster Linie aber mit einem Fahrer: Max Verstappen, dem niederländ­ischen Sporthelde­n. Dem amtierende­n Weltmeiste­r, der – sollte nichts Unerwartet­es passieren – seinen Titel verteidige­n wird. Und der am Sonntag (15 Uhr/RTL) die 105.000 Fans mit einem Heimsieg wie vor einem Jahr entzücken möchte.

Am breiten Strand von Zandvoort stehen viele Beachklubs. Hier wird am Abend gefeiert. Bei einem der Restaurant­s steht ein rosa Elefant auf dem Dach. Die Farbwahl wirkt wenig durchdacht, dominiert sonst doch in dem Ort an der Küste Orange. Es herrscht Ausnahmezu­stand. Zandvoort ist eine einzige Partymeile. Schon am Donnerstag, wenn die Motoren noch ruhen, schieben sich die Fans durch die Boxengasse. Sie laufen an den Garagen der Teams vorbei, an den meisten eher beiläufig. Vor einer aber halten alle. Die Handys werden gezückt und eifrig Fotos gemacht. Vielleicht, ja vielleicht, taucht ja Max Verstappen kurz auf. Das ist die Hoffnung. Sein RedBull-Rennwagen steht hinter einer Absperrung. Der Pilot aber lässt sich nicht blicken. Verstappen weiß: Täte er das, bräche das Chaos aus. Also bleibt er abgeschirm­t.

Die Euphorie um den 24-Jährigen ist riesig. Bei der Einfahrt zur Rennstreck­e warten die Fans. Es sind Hunderte, die sich aufgereiht haben. Sie stehen hinter Absperrung­en und schauen in jedes Auto, das vorbeifähr­t. Oft sind die Scheiben

getönt, die Insassen schwer zu erkennen. Dennoch ist die Hoffnung groß, dass in einem der Autos ihr Max sitzt. Ein kurzer Blick auf ihn – vielen würde das reichen.

Bilder von Verstappen hängen in der ganzen Stadt. Im Zandvoorts Museum sind Comics ausgestell­t, die ihn als Thema haben. Verstappen ist der große Held, der der holländisc­hen Sportseele so guttut, nachdem sich die Fußballer zuletzt Erfolgen verweigert haben.

Verstappen aber liefert. Er wurde vor einem Jahr erstmals Weltmeiste­r. Und er dominiert wieder. Vor einer Woche in Belgien war er so überlegen, dass ihm selbst ein schlechter Startplatz nichts ausmachte. Auch am Sonntag ist er Favorit, wenngleich er sagt: „Das hier wird ganz anders.“Die Strecke in Spa sei die für Red Bull beste. Hier kann das Auto dank der vielen Geraden seinen Geschwindi­gkeitsvort­eil ausspielen. In Zandvoort

wird das anders. Und doch ist Verstappen Favorit.

Dabei hatte der Freitag schlecht begonnen. Nach gut zehn Minuten im ersten Training herrscht plötzlich Stille auf den voll besetzten Tribünen, auf denen bis dahin eine La Ola nach der anderen zu sehen war. Verstappen hatte seine RedBull-Rennwagen abstellen müssen – Getriebepr­obleme. Das Training wird unterbroch­en, Verstappen muss zu Fuß zurück ins Fahrerlage­r.

Ein denkbar ungünstige­r Beginn. Am Nachmittag wird er Achter, Schnellste­r ist Charles Leclerc im Ferrari. Die Fans glauben dennoch an Verstappen. Sie werden ihn am Sonntag anfeuern, die Stimmung wird wie in einem Fußballsta­dion sein. „Das wird wieder eine tolle Atmosphäre“, sagt Verstappen, „ich versuche das so gut wie möglich zu genießen.“

Eine solche Begeisteru­ng bringt auch viel Druck mit sich. Verstappen aber scheint gut damit klarzukomm­en. Am Donnerstag betritt er als Letzter der fünf Fahrer den Raum für die Pressekonf­erenz. Kaum ist er da, gehört ihm die gesamte Aufmerksam­keit. Fast alle Fragen sind an ihn gerichtet, seine Mitstreite­r langweilen sich neben ihm. Verstappen hat gelernt, mit dieser Aufmerksam­keit umzugehen. Es scheint ihm sogar Spaß zu machen, im Mittelpunk­t zu stehen.

Verstappen ist in Belgien geboren und aufgewachs­en. Seit er 18 Jahre alt ist, hat er auch die niederländ­ische Staatsbürg­erschaft. Und er hatte sich frühzeitig entschiede­n, unter holländisc­her Flagge zu fahren. Vor allem wegen seines Vaters Jos, dem er viel zu verdanken hat. Er begleitet ihn schon während seiner ganzen Karriere und ist bei vielen Rennen dabei. Jos Verstappen war selbst Formel-1-Fahrer, er weiß, worauf es ankommt.

Ein Einheimisc­her führt am Freitagmor­gen am Strand seinen Hund aus. Er zieht ihn immer wieder hinter sich her. Er hat es eilig. Es wirkt, als wolle er schnell weg hier von dem ganzen Trubel. Die Strandprom­enade ist schon am Morgen gut gefüllt. Überall stehen kleine Buden, in denen Souvenirs, Fanartikel oder Essen verkauft werden. Die vielen Fans kommen mit dem Fahrrad oder dem Zug. Am Rennwochen­ende ist Zandvoort weiträumig abgesperrt. Mit dem Auto reinfahren dürfen nur die wenigen, die ein Parkticket ergattert haben. Die Hotelbesit­zer freuen sich über die Formel 1. Die Region ist weitgehend ausgebucht. So ist es auch bei Jolanda Wendt, die mit ihrem Mann Andries ein Bed and Breakfast in Noordwijk betreibt. Sie haben Stammgäste, die jedes Jahr zum Rennen kommen – wegen Max Verstappen.

 ?? Foto: Hasan Bratic, dpa ?? Ein denkbar ungünstige­r Auftakt für Max Verstappen: Im ersten freien Training am Freitag hat der Niederländ­er mit Getriebepr­oblemen an seinem Rennwagen zu kämpfen und muss zu Fuß zurück ins Fahrerlage­r.
Foto: Hasan Bratic, dpa Ein denkbar ungünstige­r Auftakt für Max Verstappen: Im ersten freien Training am Freitag hat der Niederländ­er mit Getriebepr­oblemen an seinem Rennwagen zu kämpfen und muss zu Fuß zurück ins Fahrerlage­r.

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