Augsburger Allgemeine (Land West)

Sebastian Vettel und die Selbstzwei­fel

Der 35-Jährige war viermal in seiner Formel-1-Karriere Weltmeiste­r. Aber auch ihn plagten psychische Probleme. Er hofft, dass künftig darüber leichter gesprochen werden kann. Was er zudem für seine Zukunft plant.

- Von Marco Scheinhof

Zandvoort Ums Rennfahren geht es bei Sebastian Vettel nur noch am Rande. Immer wieder fällt der 35-Jährige nun mit Aussagen zu anderen Themen auf. Seine Formel-1-Karriere wird er am Ende dieser Saison beenden, das ist gewiss. Viermal war Vettel Weltmeiste­r geworden, diese erfolgreic­hen Zeiten aber liegen lang zurück. Mit Red Bull war er der Held, bei Ferrari und Aston Martin fuhr er den Erwartunge­n hinterher. Die letzten Monate im Kreis der besten Fahrer der Welt nutzt Vettel, aus seiner Sicht wichtige Themen anzusprech­en. Mittlerwei­le gehört Nachhaltig­keit bei ihm dazu, zuletzt hat er in der Zeit über Selbstzwei­fel und psychische Probleme gesprochen.

Auch Vettel hatte die. Das gab er in Zandvoort unumwunden zu. Der Donnerstag ist der Tag für Gespräche

mit den Journalist­en. Vettels Zeitplan ist voll, viele wollen mit ihm noch einmal reden. Die Teams haben für solche Anlässe extra Räume an den Rennstreck­en. Mobile Einheiten, in denen die Mitarbeite­r essen. In denen aber auch die Medienterm­ine stattfinde­n. Die Einrichtun­g bei Aston Martin ist klassisch. Hohe Barhocker, mit brauner Sitzfläche und einer Lehne aus Leder. Auf einem solchen saß Vettel, vor ihm ein hoher Tisch. Die Haare sind lang, wie bei Vettel mittlerwei­le gewohnt. Er hat sich optisch verändert, aber auch in seinen Sichtweise­n.

Die vielen Jahre in der Formel 1 haben ihm zugesetzt. Ihm, der immer so überlegt, aber auch überlegen wirkte. Als könne ihn nichts stoppen. Ganz so aber war es nicht. Der Druck hat auch auf ihm gelastet. So sehr, dass er psychologi­sche Hilfe brauchte. „Das ist nichts, wofür man sich schämen muss“, sagte er in Zandvoort. Noch immer werde es als Schwäche gesehen, über Gefühle zu reden. Gerade in einem harten Business wie der Formel 1, in der sich nur die durchsetze­n, die keine Schwächen zeigen. Die immer hart sind, gegen sich selbst, aber auch gegen die Gegner. Dabei aber sei es wichtig, sich zu öffnen. Und im Zweifel profession­elle Hilfe anzunehmen. „Wir sind alle Menschen, wir stellen uns alle den gleichen Herausford­erungen. Es gibt keinen Supermann und keine Superfrau – außer im Fernsehen“, sagte Vettel. Bei einem Beinbruch sei es das Normalste, zu einem Arzt zu gehen und sich behandeln zu lassen. Worum das nicht auch bei psychische­n Problemen tun? Vorbeugung sei wichtig. Das betonte der 35-Jährige mehrfach. „Der beste Schachzug wäre gewesen, den Bruch zu verhindern“, sagte Vettel – wieder der Vergleich mit der Beinverlet­zung.

Vettel hat viel Erfahrung im Motorsport. Seine Meinung ist wichtig – auch bei jungen Piloten. Er ist ein enger Freund von Mick Schumacher. Ihm traut er noch viel zu, während er selbst auf dem Weg zum PS-Rentner ist. Einige wenige Rennen noch, dann ist Schluss.

Für das Leben nach der Formel 1 hat Vettel noch keine konkreten Pläne. Er habe keine Liste von Dingen, die er noch erledigen möchte. Erst einmal runterkomm­en und nicht mehr getrieben von Terminen sein. „Es klingt vielleicht langweilig, aber ich freue mich darauf, Zeit zu haben, um in Ruhe über alles nachzudenk­en“, meinte der Aston-Martin-Pilot. Er kenne sich aber selbst gut genug, um zu wissen, dass die Zeit des Stillstand­s nicht lange sein werde. „Ich schaffe es nicht lange, nur still daheim zu sitzen“, meinte er. Er freut sich auf die Zeit mit seiner Familie in der Schweiz. Drei Kinder haben er und seine Frau Hanna.

Im Januar wird er auf jeden Fall noch einmal in einem Rennwagen sitzen. Beim Race of Champions tritt er an, eine Spaßverans­taltung, auf die er sich freut. Ohne Druck Rennen fahren. Manchmal kann alles so einfach sein.

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Foto: Peter Dejong dpa Die langen Haare sind mittlerwei­le ein Markenzeic­hen von Sebastian Vettel.

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