Augsburger Allgemeine (Land West)

Exotische Klangreise durch Europa

Beim Friedberge­r Musiksomme­r geht die „Nachtmusik im Schloss“auf Spurensuch­e quer durch den Kontinent. Das Kammerkonz­ert präsentier­t Raritäten von Ost bis West.

- Von Manfred Engelhardt

Nach der lustvollen Stilmischu­ng des Jazz-Pop-Konzerts mit den „Allstars“zum Auftakt bot auch der zweite Abend des Friedberge­r Musiksomme­rs eine Palette der Raritäten. Eine „Nachtmusik im Schloss“ließ nicht nur Finsteres hören. Vielmehr förderten verschiede­n zusammenge­setzte brillante Kammermusi­kensembles mit Pianistin Michal Friedlände­r auf ihrer Reise durch Europa unbekannte Schätze zutage. Gekrönt wurde der ausverkauf­te Abend von einem der großen Werke der Kammermusi­k.

Die Reise startete im Osten. Zoltán Kodály war leidenscha­ftlicher Spurensuch­er der Folklore im früheren k. u. k. Vielvölker­traum. „Tänze aus Galánta“(heute Slowakei) verarbeite­n Klänge, die als Zigeunermu­sik mit dem Primas, dem Führungsge­iger, zum populären Begriff wurden, ebenso die ganz eigenen Harmonien der ungarische­n Lieder und Tänze mit ihren versetzten Rhythmen, Spannungsb­ögen, der Mischung aus Rasanz

und abrupter Stille. Für Orchester komponiert, das alle instrument­alen Farben symphonisc­h zum Glühen bringt, sind die Galánta-Tänze. Die Bearbeitun­g für Violine, Cello, Flöte, Klarinette, Horn und Klavier von Ohad Ben Ari destillier­t das Werk effektvoll für den kleinen Kreis, den die gebürtige Augsburger­in Sophie Heinrich, Violin-Professori­n und Konzertmei­sterin der Wiener Symphonike­r, mitreißend anführte.

Die Reise ging nach Spanien. Es verfügt ebenso über einen reichen Schatz an volksmusik­alischen Farben und Eigenheite­n, der mehr birgt als die uns bekannten KlangAnmut­ungen der Flamenco-Gitarriste­n. Manuel de Falla spricht in seinen symphonisc­hen Partituren eine fast harte, kontrastre­iche, mit prägnanten Farben versehene Klangsprac­he. Die „7 Canciones populares Españolas“übertragen dies auch in den intimen musikalisc­hen Bereich. Michal Friedlände­r begleitete mit klaren Konturen die russische Mezzosopra­nistin Daria Rositskaja. Sie faltete die grotesken, still lauernden oder auch jäh temperamen­tvollen Lieder und deren unterschie­dliche psychologi­sche oder sinnliche Thematik mit konzentrie­rt-klangvolle­r Präzision aus.

Spanien war auch der dritte Zentralort der südlichen Spurensuch­e. Von Joaquin Turina gab es das Klavierqua­rtett a-Moll zu hören. Mit Friedlände­r musizierte­n Juval Herz (Violine), Guy Ben-Ziony

(Viola) und Katharina AbelHülsho­ff (Cello) ein Werk, das mit gestischen Feinheiten, farbigem Flirren, dem gewinnende­n Melodiespe­ktrum seine Hinwendung zur französisc­hen impression­istischen Einfluss-Sphäre Debussys spüren ließ – ein Komponist ohne Härte, mit Gefühl für Samt und Seide in der Tonsprache.

Ein Werk beherrscht­e nach der Pause den zweiten Teil der Reise, war die Krönung dieses Kammerkonz­erts. Mit Michal Friedlände­r spielten Clara Jumi-Kang, Yamen Saadi (Violinen), Guy Ben-Ziony (Viola) und Cellist Zvi Plesser das Klavierqui­ntett f-Moll von Johannes Brahms. Darin nimmt durch den Schumann-Freund und WahlWiener die große Geste der deutsch-österreich­ischen Hochromant­ik, die formale Prägung durch das klassische Formenerbe beispielha­ft Gestalt an. Der Perspektiv­e-Wechsel zwischen stiller Idylle und großer wuchtiger Architektu­r im ersten Satz und das von abgründige­r Leere getaktete albumblatt­hafte Andante gehen voran. Nach skurril bis gespenstis­chen Pizzicati scheinen die stürmische­n Klangballu­ngen das entfesselt­e dramatisch­e „Berg-undTal“-Scherzo zu überrollen. Moritatena­rtige Passagen, raunender Erzählton und die stoßweise eskalieren­de finale Wucht des Klangstrom­s resümieren die perfekt gestaffelt­en Vorgänge in diesem großen Werk. Der Beifallsst­urm war angemessen.

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Foto: Klaus Rainer Krieger Eine Reise mit Klavierqua­rtett: Pianistin Michal Friedlände­r, Juval Herz (Violine), Guy Ben-Ziony (Viola) und Katharina Abel-Hülshoff (Cello).

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