Augsburger Allgemeine (Land West)
Rock-Poeten unserer Zeit
Mit Isolation Berlin meldet sich nach längerer Live-Pause eine der Bands zurück, die die aktuelle Verlorenheit von Welt und Ich zum Klingen bringen. Beim Konzert in Augsburg entfalten sie ihr gereiftes Spektrum.
Schon der Abend selbst böte ja Anlass genug zur Verzweiflung. Nein, nicht weil Isolation Berlin am Anfang ihres Auftritts in der Kantine ein paar technische Probleme haben und darum eher holperig in diese letztlich eindrucksvollen gut 100 Minuten auf die Bühne starten. Viel grundsätzlicher.
Sondern weil in sich als bedeutend verstehenden Feuilletons, die auch noch auf der Höhe der jungen Gegenwartskultur wirken wollen, so gerne steht, Rappertypen wie Haftbefehl wären die deutschen Poeten der Gegenwart. Und weil vergleichsweise halt nett gefühlige Bands wie AnnenMayKantereit in Augsburg ein paar hundert Meter weiter die Kongresshalle locker ausverkauft kriegen, dagegen hier, an diesem Donnerstagabend, mit nicht mal 150 nicht mal ein Zehntel der Leute kommen. Dabei gehören die Herren, die hier nach vierjähriger Live-Pause und auf der erst zweiten Station ihrer Corona-verspäteten Tournee zum formidablen 2021er-Album „Geheimnis“mit kleineren Rückkehrschwierigkeiten auf die Bühne treten, zum kleinen feinen Kreis der deutschen Rock-Poeten unserer Zeit.
Wie International Music aus Essen, die etwa von der „Insel der Verlassenheit“künden, wie Die Nerven aus Stuttgart, die „Finde niemals zu dir selbst!“dröhnen – so erkundet auch diese namensgemäß aus Berlin stammende Band das Verhältnis von Ich und Welt, findet dabei wenig Positives, eigentlich bloß Anlass zu Melancholie, Verzweiflung oder Wut, aber wirft sich in bewahrter Klarsicht der Pubertät, die ihre Wahrheit unmittelbar in der Intensität erfährt, dann mit Hingabe dort hinein.
„Postpunk“wird das stilistisch gerne genannt – tatsächlich sind die Spielfarben, die Isolation Berlin an diesem Abend gerade auch dank des neuen Materials annehmen, so viele, dass sie nichts zwischen Punk und Chanson ausschließen, das kann rockig knallen, poppig schnurren, psychedelisch schreien, balladenhaft schmeicheln, versucht dabei aber halt immer irgendwie eigen, alternativ zu klingen, was man mal „Indie“nannte, was hier jedenfalls fast durchweg gelingt. Bloß ist es mit all den Farben wie mit der Bühnenbeleuchtung auch: Hell wird es dabei eigentlich nie, die allein so was wie fröhliche allererste Single „Annabelle“ist schnell abgeräumt, ansonsten führt auch das, was Sänger Tobias Bamborschke als Sommerhit ankündigt, zu „Alles grau“.
Aber auch wenn also zwischen dem Beginn mit dem kunstvoll gebauten Titelsong des aktuellen Albums und dem klassischen indierockenden Abschluss mit dem Song zum Bandnamen keinerlei Trost zu finden scheint: Bamborschke singt „endlich keine Hoffnung mehr, keine Emotionen, endlich keine Angst vor dem Sterben
mehr“. Und erst recht kein Heil in politischer Revolte, das frühere deutsche Rock-Poeten noch suchten: Wenn Bamborschke singt, er holte sich zurück, was ihm zustehe, und dem Dresche androht, der ihn aufzuhalten versuche, dann steht er am Pfandautomaten, wo aus leeren Flaschen Hoffnungsträger werden. Erlösung gibt es hier höchstens zu den Öffnungszeiten des Großaquariums, wo einen die Traurigkeit und Einsamkeit der Fische die eigene vergessen lassen. Wieder draußen dagegen ein Kontrast auch zur Leere, zum Empfinden, zu Angst und Wut, der alles wie Luxusmelancholie wirken lässt: „Im Fernsehen läuft Krieg.“
Die Kraft der Poesie scheint hier darin auf, dass sie im Ganzen wirkt wie der feine Rausschmeißer des Abends im Kleinen: Die Band nur noch Schattenrisse, singt Bamborschke mit seiner gerne brüchigen Stimme, die auch irr kreischen kann, ein schiefes Chanson „Enfant perdu“, das verlorene Kind. Es ist das Bild für die verloren wirkende Zukunft einer Generation, die die Schieflagen der Welt nicht mehr in Selbstverwirklichungsangeboten verdrängt, gesteigert in einem dichterischen Ich, das als welt- und menschenfremd an den Grenzen zu Wahn und Depression wandelt. Hier, zum Abschluss, findet es in aller Traurigkeit doch zur absichtslosen Schönheit. So wie der Tanz zu Wutkaskaden und Verzweiflungsgesängen des Abends einen Gutteil dieses kleinen Publikums letztlich in ein gar nicht so kleines Glück versetzt. Könnte bloß alles viel größer sein. Oder?
Immerhin, Tobias Bamborschke selbst, der ja von wegen Poet unserer Zeit schon einen starken Gedichtband veröffentlicht hat und um den man sich bei früheren Konzerten auch mal Sorgen machen konnte (denn hieße Rio Reisers „Macht kaputt, was euch kaputt macht“in seinem Fall nicht zuallererst: sich selbst?) – ihm schien es hier und so ziemlich gut zu gehen.