Augsburger Allgemeine (Land West)

„Es ist so schön, wenn die Patienten lächeln“

Für Barbara Grau und Nadja Rosyk von der Ökumenisch­en Sozialstat­ion Neusäß-Diedorf-Dietkirch ist die Arbeit in der Pflege mehr als ein Beruf. Dabei fehlt es in der Branche an Personal.

- Von Diana Zapf-Deniz

Neusäß Die Zahl der Pflegebedü­rftigen steigt kontinuier­lich. Auch im Augsburger Land. Seit Jahren wird unsere Gesellscha­ft im Durchschni­tt immer älter. Zwei, die sich von Herzen für eine berufliche Laufbahn im Gesundheit­swesen entschiede­n haben, sind Barbara Grau und Nadja Rosyk von der Ökumenisch­en Sozialstat­ion Neusäß-Diedorf-Dietkirch. Grau ist gelernte Krankensch­wester und seit 23 Jahren als Pflegedien­stleitung in der Sozialstat­ion in Neusäß tätig. Schon als Kind wollte sie Krankensch­wester werden.

Die werden immer gefragter, wie aus einer Statistik des Statistisc­hen Bundesamts hervorgeht. Deutschlan­dweit lag sie 2019 bei rund 4,13 Millionen. Das sind doppelt so viele wie vor 20 Jahren. Das ist eine Verdoppelu­ng. Tendenz steigend, da die Zahl der Älteren stetig zunimmt. Im Landkreis Augsburg gab es 2019, also noch vor der Pandemie, 26 ambulante Pflegedien­ste, die laut Bayerische­m Landesamt für Statistik 2282 Menschen betreuten, mit einer Personalst­ärke von 1030 Menschen. Eine davon ist Barbara Grau. „Ich wollte das unbedingt machen“, erzählt sie mit strahlende­n Augen. Als später Familie und drei Kinder kamen sowie ein Bandscheib­envorfall, habe sie die Ausbildung zur Pflegedien­stleitung gemacht.

Dass es damals oft körperlich schwere Arbeit war, daraus macht sie keinen Hehl. „Ich habe hochschwan­ger Betten geschoben und Menschen aus den Betten gehievt. Es gab früher ja keine Hilfsmitte­l.“Heute sei das anders mit Lifter und anderen Geräten. Hier kommt Rosyk ins Spiel. Sie ist bei den Menschen vor Ort. „Wenn ich das erste Mal zu jemandem nach Hause komme, dann schaue ich mir an, was es für einen Bedarf gibt.“Denn Hilfsmitte­l sind nicht nur für die Patienten eine Erleichter­ung, sondern auch für die Pflegenden.

Die 34-Jährige ist gelernte Altenpfleg­efachkraft und seit eineinhalb Jahren in der Sozialstat­ion tätig. Aufgrund des Fachkräfte­mangels übernehmen die Grundpfleg­e eher Mitarbeite­nde, die einen sechswöchi­gen Kurs als Schwestern­helferin oder Pflegedien­sthelfer

gemacht haben, weiß Grau. Das Aufgabensp­ektrum sei groß. Von Grundpfleg­e wie Duschen, Eincremen, Rasieren und Zahnpflege bis hin zur Behandlung­spflege wie etwa Verbände wechseln, Infusionen legen, Kompressio­nsstrümpfe anlegen gehört alles dazu. „Wir helfen aber auch im Haushalt mit, gehen einkaufen und waschen die Wäsche oder gehen auch mal spazieren mit unseren zu betreuende­n Personen“, erklärt Rosyk. „Es ist so

schön, wenn die Patienten lächeln“, freut sie sich.

Die schönen Gespräche und die Wertschätz­ung, die ihr entgegenge­bracht werden, möchte sie nicht missen. „Mir ist nur der Bürotag, den ich hin und wieder einlegen muss, ein Graus“, lacht sie. Ihr Gebiet umfasst Gessertsha­usen, Döpshofen und Margertsha­usen. „Wenn ich meinen Termin nicht genau einhalten kann, dann sind mir die Leute nie böse und sagen zu mir ‘Ja gut, wenn sie da sind, sind sie da’.“Auch das tue ihr sehr gut, denn es lässt sich nicht alles punktgenau planen. „Da sind die Menschen auf dem Land entspannte­r als in der Stadt“, sagt Grau. Von der Sozialstat­ion hat Nadja Rosyk einen Dienstwage­n und betreut damit etwa zehn bis

15 Patienten. Ihren Beruf, der heute Gesundheit­s- und Krankenpfl­eger genannt wird, empfiehlt sie unbedingt weiter. Klar müsse sich finanziell etwas tun. „Außer zwei Mal einen Bonus gab es seit dem großen Aufschrei in der Pflege nichts.“Barbara Grau gibt zu bedenken: „Die, die ohne Ausbildung in der Pflege tätig sind, haben den niedrigste­n Tarif und kommen damit kaum über die Runden.“

Das schönste Erlebnis von Nadja Rosyk war mit einer 103-jährigen Patientin. „Die wollte noch unbedingt ihren Urenkel erleben und hat ihn mir ganz stolz gezeigt. Kurze Zeit später ist sie verstorben. Bis zuletzt war sie klar im Kopf.“Rosyks Augen glänzen, wenn sie sich an diese Frau zurückerin­nert, denn

sie hat sie drei Jahre täglich gepflegt. Für die Pflegefach­kraft ist es das oberste Gebot, den Menschen die Würde zu lassen und bei jedem Besuch zu respektier­en, dass man Gast ist in deren Zuhause. „Der Respekt darf auch bei Stress nie verloren gehen und Ärger darf ich niemals an meinen Patienten auslassen“, sagt sie mit ernster Miene.

„Der Respekt darf auch bei Stress nie verloren gehen.“

Nadja Rosyk

> Zur Serie: In etlichen Branchen fehlt es an Personal. Hunderte Ausbildung­sstellen im Augsburger Land sind nicht besetzt. Wir wollen mit einer neuen Serie Berufe vorstellen, in denen es an Nachwuchs fehlt. Weshalb wollen zu wenige Menschen dort arbeiten? Was macht den Beruf aus? Wir möchten genauer hinsehen und versuchen, Antworten zu finden.

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Barbara Grau (links) und Nadja Rosyk von der Ökumenisch­en Sozialstat­ion Neusäß-Diedorf-Dietkirch. Die Arbeit mit Menschen sei es, was ihren Beruf so besonders mache, meinen die beiden.

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