Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Mutter der SMS

Die Deutsche Post stampft das Telegramm ein. Was, das gab’s noch?

- Von Andreas Frei

Ein kleines m kann große Wirkung entfalten. Kleines großes Beispiel: Würde die Welt die Nachricht ereilen, dass Telegram eingestell­t würde – da wäre was los unter den Unseriösen dieser Welt, den Radikalen und Verschwöru­ngsgläubig­en, die den elektronis­chen ChatDienst so gerne nutzen. Das wäre dann kein Wutwinter mehr auf den Straßen, eher vier Jahreszeit­en voller Wut. Im Übrigen gäbe es in diesem Fall auch keine unzensiert­e Plattform mehr für die tapferen Putin-Kritiker in Russland, aber das nur am Rande.

Nun lautet die Nachricht allerdings: Das Telegramm – mit zwei m – wird eingestell­t. Welt in Wut? Natürlich nicht. Vielmehr ungläubige­s Staunen: Was, das gibt’s noch? Jawohl, zumindest bis zu diesem Silvestert­ag. Für maximal 160 Zeichen Nachricht, so was wie: Komme 20 Uhr mit Postkutsch­e, lang lebe der Kaiser, Adelgunde – verlangt die Deutsche Post mindestens 12,57 Euro. Geht aber auch teurer. Kann also mit einer SMS, nun ja, nur so halb konkurrier­en.

Aber – großes Staunen zweiter Teil: Nach Angaben eines Konzernspr­echers haben Firmen das Telegramm bis zuletzt noch für Mahnungen und – auch schöne Idee – als Zeichen der Anerkennun­g für langjährig­e Mitarbeite­r bei Betriebsju­biläen

genutzt. Lohne sich aber auch nicht mehr, sagt der Post-Mann. Deshalb für alle Nostalgike­r letzter Aufruf, noch diesen Samstag bis spätestens Mitternach­t kurz und knackig tätig zu werden in Richtung: Guten Rutsch, MfG, Heinzi.

Dabei noch mal an die gute alte Zeit denken, an orangefarb­ene Telefone mit Wählscheib­en (gibt’s längst nicht mehr), an öffentlich­e Fernsprech­er (die letzten schaltet die Telekom gerade ab) oder eben an ein papiernes Telegramm mit einer schönen Botschaft, auf das man mit einem roten Stift Herzchen malen kann.

Geht bei Telegram mit einem m nur bedingt.

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