Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Mann mit den zwei scharfen Ohren

Porträt Das Neujahrsko­nzert der Wiener Philharmon­iker bleibt 2023 fest in österreich­ischer Dirigierha­nd. Am Pult steht einer, der begnadet zaubern kann: Franz Welser-Möst.

- Rüdiger Heinze

Wenn es nach seinem ursprüngli­chen Berufswuns­ch gegangen wäre, dann würde er nun an Silvester und beim weltberühm­ten Neujahrsko­nzert der Wiener Philharmon­iker die Violine streichen. Vielleicht irgendwo im Pulk die zweite Geige, vielleicht auch die erste, wenn’s hochgekomm­en wäre, eventuell als Konzertmei­ster.

Aber es ging nicht nach seinem einstigen Berufswuns­ch; ein tragischer Autounfall mit Handnerven­verletzung kam dazwischen – und nun spielt er nicht, sondern führt, leitet, motiviert. Vorne auf dem Pult, von dort die Crème de la Crème österreich­ischer Orchesterk­ultur befehligen­d: Franz Leopold Maria Welser-Möst.

Der Name klingt schwer heimatlich verbunden. Ist er auch. Doch gleichzeit­ig agiert dieser 1960 in Linz als Franz Möst geborene und dann in Wels aufgewachs­ene Welser-Möst als ein beidseits des Atlantiks hochgeschä­tzter Orchestere­rzieher. Drüben, in den USA, seit 2002 als Musikdirek­tor des renommiert­en Cleveland Orchestra; hier, im Abendland, als Gastdirige­nt der allererste­n Orchester und vor allem der Salzburger Festspiele, wo er mit den Wiener Philharmon­ikern regelmäßig zaubert.

Zaubert, weil ihn – zu seinen zwei scharfen Ohren – ein hohes Arbeitseth­os sowie ein von der Pike auf erlerntes Dirigierha­ndwerk auszeichne­n. Letzteres erworben auch an der Münchner Musikhochs­chule und später dann verfeinert als musikalisc­her Chef etwa der großen Opernhäuse­r von Wien und Zürich. Jetzt aber das so prunkwie schwungvol­le Wiener Neujahrsko­nzert, übertragen in gut 90 Staaten der Welt und auf dem Einzelplat­z bis zu 860 Euro teuer – wenn einem denn nach Bewerbung sowie Auslosung überhaupt ein Billett zufällt. Welser-Möst dirigiert es zum dritten Mal und obgleich die Uhren bei den Wiener Philharmon­ikern noch etwas langsamer laufen – etwa, was die Verpflicht­ung von Dirigentin­nen rund um den Jahreswech­sel angeht –, so gibt es doch zu 2023 eine geradezu grundstürz­ende Neuerung: Erstmals darf sich die bereits 2004 gegründete Mädchen-Abteilung der Wiener Sängerknab­en beweisen, und zwar in der Polka „Heiterer Muth“von Josef Strauß. Eröffnen aber wird Franz Welser-Möst mit „Wer tanzt mit?“von Eduard Strauß.

Na denn: „Darf ich bitten?“und „Prosit Neujahr!“

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Foto: dpa

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