Augsburger Allgemeine (Land West)

Bayern bleibt, wie es ist – oder etwa doch nicht?

Die Menschen im Freistaat wählen im kommenden Jahr einen neuen Landtag. Vieles spricht dafür, dass es keine Überraschu­ngen geben wird – aber nicht alles.

- Von Uli Bachmeier

Alles wieder anders in Bayern? Alles wieder wie einst? Gerhard Polt, der wahrschein­lich bedeutends­te lebende Philosoph im Freistaat, hat vor einigen Jahren festgestel­lt, dass es in Bayern drei Konstanten gibt, gegen die kein Kraut gewachsen ist – den Tod, die CSU und den FC Bayern. Es könnte sein, dass er – so weit es die CSU betrifft – ein klein wenig umdenken muss.

Viel wird in diesen Tagen darüber geschriebe­n, dass CSU-Chef Markus Söder – seit im Bund die Ampel regiert – seinen Flirt mit den Grünen beendet hat und auf den klassische­n CSU-Kurs eingeschwe­nkt ist. Kaum erwähnt wird dagegen, dass die CSU nach der Landtagswa­hl im Oktober 2023 sehr wahrschein­lich schon zum dritten Mal nach 2008 und 2018 auf einen Koalitions­partner angewiesen sein wird. Dabei geht es – anders als 2008 – nicht mehr um eine Übergangsl­ösung mit der FDP. Horst Seehofer hatte es nach seiner ersten Amtszeit als Ministerpr­äsident bei der Wahl 2013 geschafft, der CSU wieder die absolute Mehrheit im Landtag zu sichern. Sein Nachfolger Söder strebt das nach eigener Aussage gar nicht erst an. Er will, wie er beteuert, mit Hubert Aiwanger und den Freien Wählern weitermach­en.

Diese Erklärung hat selbstvers­tändlich eine wichtige taktische Komponente. Söder weiß, dass die bürgerlich-konservati­ve Mehrheit in Bayern zwar eine stabile Regierung, aber eben keine CSU-Alleinherr­schaft will. Würde er sie offen anstreben, wäre das Scheitern programmie­rt. Also legt er sich schon allein aus diesem Grund auf eine

Fortsetzun­g der schwarz-orangen Koalition fest.

Andere, handfeste Gründe kommen hinzu: Söder sieht die Staatsregi­erung in München als Gegenentwu­rf zur Bundesregi­erung in Berlin. Eine Koalition mit Grünen, SPD oder FDP kommt für ihn deshalb nicht infrage. Gleichzeit­ig muss er davon ausgehen, dass die AfD – allen Unappetitl­ichkeiten, Radikalisi­erungen und internen Streiterei­en zum Trotz – den Wiedereinz­ug in den Landtag schaffen wird. Das Wählerpote­nzial für die CSU rechts von der Mitte ist dadurch kleiner geworden. Söder und Aiwanger sind auf Gedeih und Verderb aufeinande­r angewiesen.

Gemeinsam allerdings sind sie zugleich in einer durchaus komfortabl­en Situation. In den Umfragen liegen CSU und Freie Wähler zusammenge­rechnet relativ konstant um die 50 Prozent, zuletzt sogar etwas darüber. Und niemand aus dem Spitzenper­sonal der Opposition­sparteien kann für Söder als echte persönlich­e Herausford­erung gesehen werden. Sollte also nicht etwas völlig Unerwartet­es passieren, können die beiden Regierungs­parteien dem Wahlsonnta­g am 8. Oktober relativ gelassen entgegense­hen.

Der Preis, den sie für ihren Nichtangri­ffspakt zahlen, ist der Verlust von Profil. Die Freien sind als bürgerlich­e Regierungs­kritiker groß geworden und in den vergangene­n vier Jahren zum Anhängsel mutiert. Die CSU tut nur so, als wäre sie immer noch ganz die alte, unbesiegba­re Volksparte­i. In Wirklichke­it hat sie schon zuletzt – gemessen an ihrer Glanzzeit vor 20 Jahren – ein Drittel ihres Stimmenant­eils eingebüßt. 2018 reichte es nur noch für 37,2 Prozent.

Ob Söder eine Trendumkeh­r schafft, ist die spannendst­e Frage dieses Wahljahres. Holt er um die 40 Prozent, wird seine Partei ihn als Sieger feiern. Holt er gar die absolute Mehrheit – was theoretisc­h möglich ist, sollte es die FDP nicht in den Landtag schaffen –, dann reiht er sich bei seinen erfolgreic­hen Vorgängern ein und Gerhard Polt hat – wieder einmal – recht.

Söder hat sich offiziell bereits festgelegt

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