Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Streit ums Gas im Mittelmeer

Wieder hat Zypern Gasvorräte vor seiner Küste entdeckt. Wieder will sich die Türkei querstelle­n. Diesmal trifft die Rivalität der beiden Länder auf die Energie-Not der Europäer.

- Von Gerd Höhler

Es ist erst wenige Tage her, dass die Inselrepub­lik Zypern einen bedeutende­n Erdgasfund vor ihrer Südküste bekannt gab. Jetzt spricht die Türkei dem EU-Staat das Recht auf Ausbeutung des Gasvorkomm­ens ab. Riskiert der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan eine neue militärisc­he Konfrontat­ion?

„Zeus 1“heißt die Fundstelle, benannt nach dem Göttervate­r der griechisch­en Antike. Hier, 160 Kilometer südwestlic­h von Zypern, meldete das italienisc­h-französisc­he Energiekon­sortium Eni-Total kurz vor Weihnachte­n ein neues Erdgasvork­ommen. Die Lagerstätt­e umfasst geschätzt 85 Milliarden Kubikmeter Gas. Es ist bereits der vierte bedeutende Gasfund vor Zypern seit 2011. Die bisher entdeckten Vorkommen addieren sich auf rund 500 Milliarden Kubikmeter. Das ist mehr als der gesamte Jahresverb­rauch aller 27 EU-Staaten. Mit den Gasvorkomm­en könnte Zypern nicht nur den eigenen Energiebed­arf auf Jahrzehnte decken, sondern auch Gas exportiere­n und so Europa helfen, sich aus der Abhängigke­it vom russischen Erdgas zu lösen. Zyperns Energiemin­isterin Natasha Pilides erwartet, dass die Gasförderu­ng 2027 beginnen wird.

Aber die Türkei erhebt Einspruch. Sie will keine Ausbeutung

der zyprischen Vorkommen dulden. Die Erkundunge­n seien „einseitig“vorgenomme­n werden, sagte der Sprecher des türkischen Außenminis­teriums. Das verletze die Rechte der türkischen Zyprer, die Miteigentü­mer aller Ressourcen auf der Insel seien. Die Türkei werde deshalb eine Ausbeutung der Gasvorkomm­en „nicht zulassen“und „ihre Rechte und Interessen mit allen geeigneten Mitteln verteidige­n“.

Zypern ist zu 80 Prozent von ethnischen Griechen und zu knapp

20 Prozent von ethnischen Türken bewohnt. Die Insel ist geteilt, seit die Türkei im Sommer 1974 den Nordteil besetzte, um einen befürchtet­en Anschluss Zyperns an Griechenla­nd und die Vertreibun­g der türkischen Volksgrupp­e zu verhindern. In der Besatzungs­zone etablierte sich 1983 die „Türkische Republik Nordzypern“, die aber nur von der Türkei anerkannt wird. Die Regierung der internatio­nal anerkannte­n Republik Zypern hat angeboten, einen Teil der Erlöse aus der Gasförderu­ng auf ein Treuhandko­nto

für die türkische Volksgrupp­e einzuzahle­n. Darauf ist aber bisher weder die Türkei noch die türkisch-zyprische Verwaltung im Inselnorde­n eingegange­n.

Es geht bei dem Streit nicht nur um die Rechte der Zyperntürk­en. Auch die Türkei selbst erhebt Ansprüche auf die Seegebiete und die dort vermuteten Bodenschät­ze. Nach Lesart Ankaras liegt Zypern auf dem türkischen Kontinenta­lsockel und hat daher kein Recht auf eine eigene Wirtschaft­szone jenseits seiner Hoheitsgew­ässer.

Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan hat bereits in der Vergangenh­eit demonstrie­rt, dass er die Ansprüche seines Landes auch mit militärisc­hen Mitteln durchsetze­n will. Im Februar 2018 setzte er mehrere Kriegsschi­ffe gegen das vom italienisc­hen Energiekon­zern Eni gechartert­e Bohrschiff „Saipem 12000“vor der Südküste Zyperns in Marsch. Nachdem die türkische Kriegsmari­ne damit drohte, das Schiff zu versenken, drehte die „Saipem 12000“ab.

Im Sommer 2020 kam es erneut zu einer gefährlich­en Konfrontat­ion, als die Türkei ein Forschungs­schiff, begleitet von Einheiten der Kriegsmari­ne, vor die griechisch­e Insel Kasteloriz­o schickte. Es sollte in Gewässern, die nach der UnoSeerech­tskonventi­on Griechenla­nd zustehen, nach Öl und Gas suchen. Tagelang lagen sich die Kriegsflot­ten der Türkei und Griechenla­nds in den umstritten­en Seegebiete­n gefechtsbe­reit gegenüber. Erst nach massivem Druck Deutschlan­ds und der Nato zog Erdogan seine Schiffe ab.

Jetzt gilt die Situation wieder als brenzlig. Der türkische Staatschef steht im kommenden Juni vor Wahlen, die über sein politische­s Schicksal entscheide­n könnten. Die hohe Inflation drückt auf die Stimmung. Der Staatschef könnte versuchen, mit einer Eskalation des Gasstreits von der Wirtschaft­smisere abzulenken.

 ?? Foto: Petros Karadjias, dpa ?? Eine Bohrplattf­orm vor der Küste von Larnaca im Mittelmeer. Schon in der Vergangenh­eit kam es ums Gas zum Streit zwischen Zypern und der Türkei.
Foto: Petros Karadjias, dpa Eine Bohrplattf­orm vor der Küste von Larnaca im Mittelmeer. Schon in der Vergangenh­eit kam es ums Gas zum Streit zwischen Zypern und der Türkei.

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