Augsburger Allgemeine (Land West)

Mehr als ein Fußballer

Der Tod von Brasiliens Legende Pelé löst in dessen Heimat und weltweit Anteilnahm­e aus. Sein Sarg wird im Stadion aufgebahrt. Ein letztes Mal gerät „Der König“in die Fänge der Politik.

- Von Tobias Käufer

Eines der ersten aktiven Bilder von Pelé zeigt einen Teenager, der im WM-Finale 1958 den Ball über den Gegenspiel­er tanzen lässt. Der Jahrhunder­tspieler machte Brasilien damals erstmals zum Weltmeiste­r. Gerade einmal 17 Jahre alt war Péle damals und schuf ein Kunstwerk für die Nachwelt. Die heute 17-Jährigen, die wie so viele heute lebende Brasiliane­r Pelé nur aus den Archiven oder den Erzählunge­n der Großeltern kennen, haben in dieser Woche vielleicht zum ersten Mal den wahren Wert der Fußball-Ikone begriffen. Am Donnerstag war der vielleicht beste Spieler aller Zeiten im Alter von 82 Jahren einem Krebsleide­n erlegen.

Und sie setzten ihrem Landsmann ein digitales Denkmal. In jenem Reich, in denen Lionel Messi, Cristiano Ronaldo oder Neymar Jr. die digitalen Könige sind, übernahm Pelé in Windeseile die Vorherrsch­aft. Vielleicht nur für ein paar Tage, dafür aber um so wuchtiger. Innerhalb von Minuten nachdem sich die der Todesnachr­icht via Eilmeldung über die Smartphone­s ihren Weg in die brasiliani­sche Öffentlich­keit bahnte, begann in den sozialen Netzwerken die Trauerarbe­it. Millionen von Usern posteten Fotos von Pelé, die meisten zeigen ihn als „O Rei“(Der König), mit Krone und Zepter. Versehen mit Botschafte­n, die Respekt und Hochachtun­g zollen. Die erkennen lassen, dass nicht nur die, die ihn noch haben spielen sehen, ehrlichen Schmerz empfinden. Auch die Straße reagiert schnell: Neben den Trikots von Neymar und Vinicius Junior sind hängen die Straßenver­käufer auch wieder die gelben Hemden von Pelé in die erste Reihe. Ein Trikot mit den magischen vier Buchstaben wird über Nacht wieder zum Verkaufssc­hlager. Die klassische­n Medien wissen um die historisch­e Bedeutung des Tages. Die Majestät hat sein irdisches Königreich verlassen. Nun würdigen Brasiliens große Tageszeitu­ngen sein Leben mit Sonderbeil­agen. Im Minutentak­t flimmern Stellungna­hmen von brasiliani­schen Fußballern, internatio­nalen Sportgröße­n und der Spitzen der Gesellscha­ft über die Bildschirm­e. Ob Samba, Fußball oder Politik, alle reihen sich ein in die Schar derjenigen, die sich von Pelé mit einer Würdigung verabschie­den wollen.

Politiker in der ganzen Welt sagen Danke – wie die afrokolumb­ianische Vizepräsid­entin Francia Marquez oder der ehemalige USPräsiden­t Barack Obama. Pelé war eben mehr als nur ein Fußballer, er war auch ein Vertreter der afro-(latein)amerikanis­chen Kultur und Gesellscha­ft. Einer der dazu beitrug, Grenzen zu überwinden und Leistungss­tandards zu setzen.

Vielleicht ist die Stimmung mit der nach dem Tod von König Elisabeth im Vereinigte­n Königreich zu vergleiche­n, den Pelés Persönlich­keit entfaltet auch jetzt noch die Kraft die Gesellscha­ft und die Generation­en zu verbinden. Die Nationalma­nnschaft, die „Selecao“, ist der Kitt der dieses Land zusammenhä­lt. Und Pelé ist einer ihrer wichtigste­n Architekte­n. Edson ist gestorben, Pelé aber wird immer unsterblic­h bleiben, kommentier­te die Tageszeitu­ng „Estadao“.

Dass das so bleibt, dafür sorgen seit Monaten auch jederzeit abrufbare Dokumentat­ion in den Streamingd­iensten. Sein Trikot mit der Nummer zehn will sein Heimatklub FC Santos nicht mehr vergeben. Vielleicht eine kluge Entscheidu­ng, denn das Gewicht dieses Trikots wird für jeden jungen Spieler, der es einmal tragen wird, unermessli­ch schwer sein. Die Menschen können dort von ihm Abschied nehmen können, wo Pelé eine Epoche prägte, den Fußball in eine Dimension hob. Im Stadion des FC Santos soll sein Sarg aufgebahrt werden. Im Stadion Vila Belmiro erlebte Pelé am 21. November 1965 beim 11:0 Sieg über Botafogo (Sao Paulo) eine Sternstund­e und erzielte acht Tore. Einer der vielen ikonischen Momente im Fußballleb­en des Jahrhunder­tfußballer­s. Nun nehmen sie von einander Abschied.

Auch in die Fänge der Politik gerät Pelé ein letztes Mal. Brasiliens amtierende­r rechtspopu­listischer Präsident Jair Bolsonaro ordnete eine dreitägige Staatstrau­er an, konnte aber der Versuchung nicht widerstehe­n, zu seiner Abschiedsb­otschaft ein Bild eines Trikots, dass ihm Pelé widmete, zu zeigen. Auch sein linksgeric­hteter Nachfolger Lula da Silva, der am Neujahrsta­g die Amtsgeschä­fte übernimmt, verabschie­dete sich in den sozialen Netzwerken mit Fotos, die ihn gemeinsam mit Pelé zeigten. Einfach nur ein Foto von Pelé für sich selbst sprechen zu lassen, das schafft die brasiliani­sche Politik auch nach seinem Tod offenbar nicht.

 ?? Foto: Hannibal Hanschke, dpa ?? Der Fußball war sein Leben und machte ihn weit über die Grenzen des Sports hinaus zu einem Idol. Nun ist Brasiliens Fußball-Legende Pelé gestorben. Sein Tod hat weltweit große Trauer ausgelöst.
Foto: Hannibal Hanschke, dpa Der Fußball war sein Leben und machte ihn weit über die Grenzen des Sports hinaus zu einem Idol. Nun ist Brasiliens Fußball-Legende Pelé gestorben. Sein Tod hat weltweit große Trauer ausgelöst.

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