Augsburger Allgemeine (Land West)

Das Tierheim muss immer mehr Problemfäl­le aufnehmen

2022 wurden in den Heimen des Vereins insgesamt fast 2000 Tiere versorgt. Zunehmend kommen sie von überforder­ten Besitzern oder aus illegalem Welpenhand­el.

- Von Eva Maria Knab

Vernachläs­sigt, krank oder verhaltens­gestört: Der Tierschutz­verein Augsburg muss immer mehr Problemfäl­le in seinen Heimen aufnehmen. Für den Trend nennt Vereinsvor­sitzender Heinz Paula mehrere Gründe. Beispielsw­eise hätten die Behörden mehr Tiere beschlagna­hmt. Erst kürzlich gab es einen krassen Fall in Augsburg.

Insgesamt wurden in den Heimen des Vereins an der Augsburger Holzbachst­raße und in Friedberg-Derching im abgelaufen­en Jahr fast 2000 Hunde, Katzen und sonstige Tiere stationär aufgenomme­n und versorgt. Damit waren es gut 350 mehr als im Jahr zuvor. Paula sagt, die Zahl der Aufnahmen sei „deutlich angestiege­n“. Ein Grund sei, dass fast 120 Hunde und Katzen von Kriegsflüc­htlingen aus der Ukraine, die in Augsburg ankamen, betreut wurden. Der Service sei gefragt, so Paula. Ein zweiter Grund, warum immer mehr Tiere im Heim landen, sei der illegale Welpenhand­el. Dieser habe seit der Corona-Pandemie zugenommen, weil sich mehr Menschen ein Haustier angeschaff­t haben. Vor allem seit Mitte 2021 seien die Zahlen deutlich angestiege­n.

Paula spricht von „unsägliche­n Praktiken“. Die Welpen, die illegal aus dem Ausland nach Deutschlan­d geschleust und aus dem Kofferraum oder über Internet verkauft werden, seien in der Regel nicht geimpft und meistens krank. Wenn sie im Tierheim abgegeben werden, müssen sie in die Quarantäne­station. Die Station an der Holzbachst­raße sei durchgehen­d belegt. Einer der aktuell aufgenomme­nen Hunde komme aus einem Gebiet in Polen, in dem die Tollwut grassiert.

Dazu kommt nach Angaben der Tierschütz­er, dass die Behörden zuletzt mehr Tiere aus problemati­schen Haltungen beschlagna­hmen mussten. Bei einem Fall im Augsburger Umland in der vergangene­n Woche waren es 28 Tauben, zwei Enten und drei Hühner. Der Besitzer konnte sie aus gesundheit­lichen Gründen nicht mehr versorgen, eine Nachbarin schlug Alarm, erzählen Mitarbeite­rinnen des Tierheims. „Die Vögel waren in einem fürchterli­chen Zustand und haben sich auf unser Futter gestürzt.“Einen anderen Extremfall gab es danach zuletzt in Augsburg. Innerhalb weniger Wochen mussten im Heim 13 Tiere aus einer Familie und deren Freundeskr­eis aufgenomme­n werden, die teils aggressiv, teils vernachläs­sigt oder krank waren. Allein fünf Hunde seien aus verschiede­nen Gründen mit Unterstütz­ung der Polizeihun­destaffel beschlagna­hmt worden.

Die Familie und deren Freunde hätten sich jedoch immer wieder neue Hunde angeschaff­t.

Für den Tierschutz­verein ist der finanziell­e Aufwand in solchen Fällen sehr hoch. Problemati­sche

Hunde brauchen einen Trainer. Sie müssen lange im Heim bleiben, bevor sie abgegeben werden können, und sie sind schwer zu vermitteln. Nach Beschlagna­hmungen komme es immer wieder vor, dass Mitarbeite­r im Tierheim bedroht werden. Sabina Gassner, Geschäftsf­ührerin des Tierschutz­vereins, sagt: „Es gibt inzwischen sehr viel mehr private und kommerziel­le Tierhaltun­gen, damit nimmt die Zahl der Problemfäl­le zu.“

Mit einem Blick zurück auf 2022 spricht Paula von einem „investitio­nsintensiv­en, aber höchst erfolgreic­hen Jahr“für den Tierschutz­verein Augsburg und Umgebung. Als Quantenspr­ung in der Vereinsges­chichte gilt der Erwerb des ehemaligen Tierheims Lechleite im Friedberge­r Stadtteil Derching. Es wurde im Oktober neu eröffnet und heißt jetzt Lech-Arche. „Damit verfügen wir erstmals über ein Tierheim auf eigenem Grund und Boden“, so Paula. Nicht nur für die Heimtiere, auch die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r sei es dort deutlich angenehmer als in den alten Räumen an der Augsburger Holzbachst­raße.

Dennoch will der Verein dort weiter investiere­n. 2023 sollen im Heim Lech-Arche die Planungen für einen neuen Hundetrakt anlaufen, etwa 40 Plätze sind im Gespräch. Fertig werden soll der Bau bis 2024. Der Standort Holzbachst­raße bleibt Vereinssit­z. Dort werden abgegebene Wildtiere untergebra­cht, es gibt rund um die Uhr eine Annahmeste­lle für Fundtiere, auch das Projekt für Stadttaube­n ist dort angesiedel­t. Paula kann sich perspektiv­isch zudem eine Hundepensi­on vorstellen.

Sorgen machen dem Tierschutz­verein die steigenden Betriebsko­sten. Ein Grund sei die Preisexplo­sion bei Energie, so Paula, dort gebe es jedoch staatliche Unterstütz­ung. Allerdings seien auch die Tierarztko­sten wegen der neuen Gebührenor­dnung um 30 Prozent gestiegen. Wichtig sei deshalb ein weiterhin hohes Spendenauf­kommen. Zufrieden macht Paula nicht zuletzt, dass Tier und Mensch miteinande­r sehr glücklich sein können. Zum Jahresende wurde Heimkatze „Paula“an eine 86-jährige Seniorin vermittelt, deren Tier zuvor gestorben war. „Die beiden waren gleich ein Herz und eine Seele.“

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Foto: Silvio Wyszengrad Tierheim-Mitarbeite­rin Natalie Gauggel päppelt eine Zuchttaube wieder auf, die aus einer problemati­schen Haltung kommt.

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