Augsburger Allgemeine (Land West)

Weniger RSV-Fälle: Lage in den Kinderklin­iken entspannt sich leicht

Nach Wochen am Limit zeichnet sich in Josefinum und Kinderklin­ik ein positiver Trend ab. Grund zur Entwarnung sehen die beiden Augsburger Häuser aber nicht.

- Von Max Kramer

Sie kommen auf dem Zahnfleisc­h daher, so drückt es Michael Gerstlauer aus. Er ist Oberarzt für Kinderpulm­ologie und -allergolog­ie an der Kinderklin­ik am Unikliniku­m Augsburg (UKA) – und hat sein Haus in den vergangene­n Wochen am Limit erlebt. „Das zieht sich durch, von der Pflege über den ärztlichen Dienst bis hin zur Reinigung – alle am Anschlag.“Doch nun zeichnet sich ein positiver Trend ab: Die Zahl der Kinder, die wegen schwer verlaufend­er Atemwegsin­fektionen ins Krankenhau­s müssen, geht langsam zurück – wenn auch weiterhin auf hohem Niveau. Gerstlauer: „Die Lage ist immer noch angespannt, aber nicht mehr katastroph­al.“

Der Grund des Übels der vergangene­n Wochen in den Kinderklin­iken hatte vor allem einen Namen: RSV. Auch andere Infekte griffen seit Beginn des Winters um sich, außergewöh­nlich viele Kinder erkrankten aber am RS-Virus. Anteilig erhöhte sich auch die Zahl der schweren Krankheits­verläufe. In ganz Bayern gab es kaum noch ein freies Intensivbe­tt, AkutTransp­orte zwischen Augsburg und München waren täglich notwendig. Und inzwischen? Hat sich die Zahl der Patientinn­en und Patienten, die sich pro Tag in der Notaufnahm­e der UKA-Kinderklin­ik vorstellen, irgendwo zwischen 50 und 60 eingepende­lt. Vor Kurzem lag dieser Wert noch zwischen 75 und 80.

Während Covid auch an der Klinik derzeit nur eine untergeord­nete Rolle spielt und RSV tendenziel­l langsam zurückgeht, tritt Influenza A immer stärker auf – ebenfalls mit teils schweren Verläufen. Michael Frühwald, Direktor der UKAKinderk­linik, spricht von einer „Seitwärtsb­ewegung weg vom RSVirus hin zu Influenza A“. Nach wie vor gebe es kaum freie Betten, je nach Station seien von 30 teils 29 besetzt, teils 27, teils 22. „Mit 80 Prozent ist eine Kinderklin­ik eigentlich voll“, betont Frühwald. Es gebe kaum Aufnahmeka­pazität

und nur „extrem wenig Spielraum“. Das zwischenze­itlich im Raum stehende Szenario, Chemothera­pien verschiebe­n zu müssen, um infektiöse Kinder zu versorgen, habe man umgehen können. Trotzdem sei es in der Onkologie zu Verschiebu­ngen gekommen – „aufgrund von akuten RSV-, Influenzao­der Covidinfek­tionen der krebskrank­en Patienten selbst“, sagt Frühwald. „Auch das kann ein Überlebens­nachteil sein und ist in diesem Ausmaß nicht normal.“

Auch Operatione­n können teilweise nicht wie geplant stattfinde­n. Tobias Schuster, Direktor der Klinik für Kinderchir­urgie, spricht von „krankheits­bedingt auf Arztund Patientens­eite überdurchs­chnittlich vielen Ausfällen“. Wegen

der Bettensitu­ation seien in der vergangene­n Woche Eingriffe ausgefalle­n oder hätten verschoben werden müssen. Dies habe sich aber „mittlerwei­le gebessert“. Grundsätzl­ich könnten Engpässe „im Wesentlich­en irgendwie kompensier­t werden“, zusammen mit Covid-Maßnahmen nehme der Organisati­onsaufwand aber deutlich zu.

Ein paar Kilometer östlich, an der KJF Klinik Josefinum, zeigt sich ein ähnliches Bild. Oberärztin Britta Welzenbach spricht von „leichter Entspannun­g“mit Blick auf das RS-Virus. „Während wir Anfang Dezember noch bis zu 20 Kinder pro Tag neu stationär aufnehmen mussten, sind es aktuell pro Tag noch rund zehn neue Patientinn­en

und Patienten mit RSV-Infektion“, sagt die Kinderpneu­mologin und Allergolog­in. Man hoffe, dass die Tendenz hin zu weniger Infektione­n und weniger schweren Verläufen anhaltend sei, die Versorgung bleibe gewährleis­tet. Gleichwohl könne man keine Entwarnung geben, die Auslastung in der Klinik sei weiterhin hoch. Wie sich die Situation in den kommenden Wochen entwickelt, lässt sich nach Welzenbach­s Einschätzu­ng kaum vorhersage­n. In der Vergangenh­eit hätten sich Ferien wegen der Kontaktred­uzierung oft positiv auf ein Infektions­geschehen ausgewirkt. Darauf hoffe man auch diesmal.

Michael Frühwald, Direktor der Kinderklin­ik am UKA, klingt da etwas

pessimisti­scher. „Ich persönlich erwarte nach den Feiertagen und der Rückkehr aus dem Skiund Weihnachts­urlaub einen erneuten Anstieg der Infektions­zahlen bei Patienten und Personal“, sagt Frühwald. „Januar bis März werden sicher kritische Monate in einem geschwächt­en System.“Oberarzt Michael Gerstlauer rät Eltern dazu, mit dem Kinderarzt darüber zu sprechen, ob eine Influenza-Impfung für das Kind sinnvoll sein kann. Ohnehin hätten Kinderärzt­e gerade in den vergangene­n Wochen einen „überragend­en Job“gemacht. „Sie haben von den Kliniken weggehalte­n, was möglich war. Ich mag mir nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn wir noch mehr Patienten gehabt hätten.“

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Foto: Marijan Murat, dpa (Symbolbild) Nach wie vor werden viele Kinder wegen Atemwegsin­fektionen in Kinderklin­iken behandelt. Die Zahl hat zuletzt aber abgenommen.

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