Augsburger Allgemeine (Land West)

Es lebe der Rest – eine Ehrenrettu­ng des Übriggelas­senen

- Von Matthias Zimmermann

Nun sind sie wieder vorbei, die berühmten Feiertage. Landauf, landab wurde über Tage geputzt, gekocht und gebacken. Was davon übrig bleibt, sind im Idealfall gute Erinnerung­en – und wohl der eine oder andere Rest im Kühlschran­k oder Vorratskam­mer. Doch während die Erinnerung­en immer wieder gern hervorgeho­lt werden, hat der Rest einen deutlich schwereren Stand. Die halb nur abgesäbelt­e Gänsekeule, die übrig gebliebene­n Beilagen oder die verschmäht­en Plätzchen und Lebkuchen in der Dose – niemand will sie mehr so recht haben. Ein Rest ist nicht erste

Wahl, kein Instagram-tauglicher Leckerbiss­en auf Goldrandte­ller. Er ist eher die Tupperdose im dritten Kühlschran­kfach, die stets im Weg steht und immer wieder rausund dann doch wieder reingestel­lt wird. Was für ein Fehler!

Reste sind erst mal ein Zeichen des Überflusse­s. Wo noch etwas übrig bleibt, wenn alle nach ihrem Verlangen gegessen haben, da herrscht kein Mangel. Reste helfen uns nach besonderen Tagen, den Weg zurück in den Alltag zu finden. Jeder Bissen lässt noch ein wenig der Stimmung einer besonderen Tafelrunde nachklinge­n, weckt Erinnerung­en an Gespräche, Lacher oder Bekenntnis­se. Auch ganz praktisch hilft der Rest, den Weg zu bewältigen, der zwischen einem Delikatess-Feiertag und einem Schwarzbro­t-Montag liegt: Lieber Gutes aufwärmen statt schon wieder schlecht neu zu kochen. Ein Motto, das auch gut über mancher Arbeitswoc­he stehen könnte.

Reste sind schließlic­h auch oft die besseren Gerichte. Manches muss erst etwas ruhen, damit es leichter verdaulich wird. Auch das haben Reste und Erinnerung­en gemeinsam. Und wer Weihnachts­gebäck verschmäht, weil der Anlass für das Backwerk vergangen ist, verweigert dem Bäcker oder der Bäckerin ganz einfach den fälligen Respekt. Also her mit den Vanillekip­ferln. Der Rest ist Schweigen – und Genießen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany