Augsburger Allgemeine (Land West)
Es lebe der Rest – eine Ehrenrettung des Übriggelassenen
Nun sind sie wieder vorbei, die berühmten Feiertage. Landauf, landab wurde über Tage geputzt, gekocht und gebacken. Was davon übrig bleibt, sind im Idealfall gute Erinnerungen – und wohl der eine oder andere Rest im Kühlschrank oder Vorratskammer. Doch während die Erinnerungen immer wieder gern hervorgeholt werden, hat der Rest einen deutlich schwereren Stand. Die halb nur abgesäbelte Gänsekeule, die übrig gebliebenen Beilagen oder die verschmähten Plätzchen und Lebkuchen in der Dose – niemand will sie mehr so recht haben. Ein Rest ist nicht erste
Wahl, kein Instagram-tauglicher Leckerbissen auf Goldrandteller. Er ist eher die Tupperdose im dritten Kühlschrankfach, die stets im Weg steht und immer wieder rausund dann doch wieder reingestellt wird. Was für ein Fehler!
Reste sind erst mal ein Zeichen des Überflusses. Wo noch etwas übrig bleibt, wenn alle nach ihrem Verlangen gegessen haben, da herrscht kein Mangel. Reste helfen uns nach besonderen Tagen, den Weg zurück in den Alltag zu finden. Jeder Bissen lässt noch ein wenig der Stimmung einer besonderen Tafelrunde nachklingen, weckt Erinnerungen an Gespräche, Lacher oder Bekenntnisse. Auch ganz praktisch hilft der Rest, den Weg zu bewältigen, der zwischen einem Delikatess-Feiertag und einem Schwarzbrot-Montag liegt: Lieber Gutes aufwärmen statt schon wieder schlecht neu zu kochen. Ein Motto, das auch gut über mancher Arbeitswoche stehen könnte.
Reste sind schließlich auch oft die besseren Gerichte. Manches muss erst etwas ruhen, damit es leichter verdaulich wird. Auch das haben Reste und Erinnerungen gemeinsam. Und wer Weihnachtsgebäck verschmäht, weil der Anlass für das Backwerk vergangen ist, verweigert dem Bäcker oder der Bäckerin ganz einfach den fälligen Respekt. Also her mit den Vanillekipferln. Der Rest ist Schweigen – und Genießen.