Augsburger Allgemeine (Land West)

Böllerei und Psychologi­e

- Von Uli Bachmeier

Seit der österreich­ische Psychologe Paul Watzlawick vor nunmehr 40 Jahren seine „Anleitung zum Unglücklic­hsein“veröffentl­ichte, sollte eigentlich jeder wissen, wie man es sich mit den Nachbarn so richtig verdirbt: Immer das Schlimmste annehmen und das Schlechtes­te im Gegenüber vermuten. Das ist der sicherste Weg ins selbst gewählte Unglück.

In besonderer Weise auf die Probe gestellt werden nachbarsch­aftliche Beziehunge­n in der Silvestern­acht. Die einen verballern im Überschwan­g der Gefühle ihre 300-Euro-Energiepre­ispauschal­e, bis der Feinstaubn­ebel den Sternenhim­mel verdeckt. Die anderen beschränke­n sich auf das Abbrennen von Wunderkerz­en und spülen ihren Frust über die Knallerei mit Schampus oder – je nach Haushaltsl­age – mit Sekt vom Discounter hinunter.

In der Münchner Maxvorstad­t, konkret: Theresien- Ecke Schwindstr­aße, ereignete sich in dieser warmen Silvestern­acht Bemerkensw­ertes: Die Frau Nachbarin, eine ebenso liebenswür­dige Dame wie resolute Knallerei-Gegnerin, beobachtet­e eine Gruppe wild böllernder Feierbiest­er, welche die Straßenkre­uzung in ein wahres Schlachtfe­ld verwandelt­en. Sie wandte sich mit Grausen ab, zog sich in den Innenhof zu ihren Freunden mit den Wunderkerz­en zurück und fasste, als das Spektakel vorbei war, einen Entschluss: „Denen kehr ich jetzt ihren ganzen Dreck vor die Haustür!“

Dem Entschluss lag die Annahme zugrunde, dass Menschen, die ungehemmt böllern, auch rücksichts­lose Zeitgenoss­en sein müssen. Doch weit gefehlt: Die Nachbarin fand die Kreuzung in perfekt aufgeräumt­en Zustand vor. Psychologe Watzlawick lässt grüßen.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany