Augsburger Allgemeine (Land West)
„Freie Berichterstattung bedroht“
Der neue ARD-Vorsitzende Kai Gniffke warnt vor einer Machtkonzentration in Medien und lehnt eine Fusion von ARD und ZDF ab. Beim Gendern fährt er einen zurückhaltenden Kurs.
Der neue ARD-Vorsitzende, Kai Gniffke, hat sich gegen eine Fusion der ARD mit dem ZDF ausgesprochen. Der 62-Jährige sagte in einem Antrittsinterview: „Unabhängiger Journalismus ist im Moment auf dem Rückzug, und deshalb wäre der Schritt, jetzt unsere Vielfalt in Deutschland weiter einzuschränken, aus meiner Sicht falsch.“Gniffke sagte auch: „Ich bin der festen Überzeugung, dass uns der publizistische Wettbewerb in Deutschland bisher sehr gutgetan hat.“
Der ARD-Vorsitz wechselt von Zeit zu Zeit unter den öffentlichrechtlichen ARD-Rundfunkhäusern. Der ARD-Chef ist der oberste Repräsentant. Der Intendant des Südwestrundfunks (SWR), der den ARD-Vorsitz zum Jahreswechsel von Tom Buhrow übernommen hat, verwies auch hierauf: „Wenn ich mir anschaue, was in Europa um uns herum passiert: Wie gerade die BBC kleingemacht wird, dass Frankreich sich aus der unabhängigen Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verabschiedet, in Dänemark der Rundfunk geradezu klein gehackt wird. Auch in Südosteuropa ist freie Berichterstattung in Teilen schwer bedroht.“
Vor Tagen erst hatte sich auch der Intendant des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF), Norbert Himmler, ablehnend zu der Fusionsfrage geäußert: „Ich finde es falsch, den publizistischen Wettbewerb
von ARD und ZDF infrage zu stellen. Ich halte ihn für essenziell.“Norbert Himmler betonte auch: „Es ist wichtig, dass wir in Deutschland einen öffentlichrechtlichen Rundfunk haben, der an entscheidenden Stellen auch im Wettbewerb steht und deshalb
auch Pluralität, Vielfalt und Qualität zutage fördert.“
Kai Gniffke gibt sich beim Gendern eher verhaltener. Gendern ist immer wieder ein Streitthema. Seit Jahren wird in Deutschland diskutiert, ob – und wenn ja, wie – die männlichen Formen in der Sprache
durch weiter gefasste Begriffe ersetzt werden können oder sollten – um zum Beispiel Frauen offensiver einzubeziehen. Das Gendersternchen wie bei Lehrer*innen ist eine Möglichkeit. Manche setzen an die Stelle auch einen Doppelpunkt oder einen Unterstrich. In der gesprochenen Sprache und im Fernsehen oder Radio äußert sich das dann als Sprechpause.
Gniffke sagte im Interview auf die Frage, ob er gendere: „Ich möchte so sprechen und schreiben, dass sich alle Menschen angesprochen fühlen. Das Wunderbare an der deutschen Sprache ist, dass sie die Möglichkeit gibt, verschiedene Geschlechter anzusprechen, ohne dass man dabei die Regeln der Orthografie oder der Grammatik beugen muss.“Der 62-Jährige ergänzte: „Deshalb habe ich mir vorgenommen, inklusiv zu sprechen, aber nicht mit Binnen-I, Doppelpunkten oder Schrägstrichen.“
Kai Gniffke kam am 20. November 1960 in Frankfurt am Main zur Welt. Nach dem Abitur studierte er Politikwissenschaft, Öffentliches Recht und Soziologie. Gniffke war von 2006 bis 2019 „Erster Chefredakteur“von ARD-aktuell und somit auch der Tagesschau und der Tagesthemen. Seit 1. September 2019 ist er Intendant des Südwestrundfunks. Seit seiner Studienzeit Anfang der 1980er Jahre ist Gniffke Mitglied der SPD.