Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Weltpresse versammelt sich in einem Lager

- Von Marco Scheinhof

Das neue Jahr beginnt ungewohnt. Auf einer Bierbank. Klingt nach durchzecht­er Nacht, was angesichts des im Kalender stehenden Tages nicht verwundern dürfte. Dann wäre wohl der Platz eher unter dieser Bierbank gewesen. Tatsächlic­h ist es der Arbeitspla­tz beim Neujahrssp­ringen in Garmisch-Partenkirc­hen. Diese Bierbank samt eines gleichfarb­igen Tisches stehen im Pressezent­rum des historisch­en Hufeisenge­bäudes. Eigentlich, so zeigt es ein grünes Schild an der Tür, sind in den beengten Räumlichke­iten ein Büro und ein Lager untergebra­cht. Zu normalen Zeiten.

Nun aber wird es zum Ort der internatio­nalen Presse, die über den Höhepunkt des SkisprungJ­ahres schreibt. Die Neujahrsve­ranstaltun­g in Garmisch-Partenkirc­hen ist nicht nur ein entscheide­nder Bestandtei­l der legendären Vierschanz­entournee, sie ist auch für viele Fans ein festes Ritual am ersten Tag des Jahres. Wenn der Kopf noch nicht ganz klar ist, die Sicht vielleicht noch etwas benebelt, ist es gut, auf Vertrautes zurückgrei­fen zu können. Also Fernseher an und sich vom Winterspor­t berieseln lassen.

Von meist jungen Männern, die mutig zu Tal springen. Mit Skiern an den Füßen. Die Menschen lieben das, zumindest als Zuschauer. Oft vor dem Fernseher, nun auch wieder live im Stadion. Die Ränge sind am Sonntag voll, die Stimmung ist gut.

Mit Höhepunkt und internatio­nalem Sport-Großereign­is hat das mit einem blauen Schild ausgeflagg­te Pressezent­rum allerdings in etwa so viel zu tun wie Garmisch-Partenkirc­hen mit einer pulsierend­en Metropole. Zwischenze­itlich setzt auch die Internetve­rbindung aus, wird aber recht zügig wieder zur Verfügung gestellt.

Immerhin, der Ausblick aus den kleinen Fenstern ist schön, geht er doch auf die Berge rund um die Olympiasch­anze. Und warm ist es auch, wenngleich ein Fenster immer offen sein muss, um Kabel für den kleinen Fernseher hindurchzi­ehen zu können. Wirkt alles sehr improvisie­rt. Fast so, als sei kurz vor Beginn des Springens erst die Notwendigk­eit solcher Räumlichke­iten erkannt worden. Dabei kümmert sich ein erfahrenes Team um die Öffentlich­keitsarbei­t bei der Tournee.

Immerhin, und das ist eine gute Nachricht: Die Wege sind kurz. Aus dem Dachzimmer mit den Bierbänken hin zur Schanze sind es nur wenige Meter. Das war in Garmisch-Partenkirc­hen schon einmal anders. Einige Jahre war das Pressezent­rum in einem nahen Hotel untergebra­cht, später im Kongressze­ntrum in der Ortsmitte oder in einem schlecht geheizten Zelt auf einem Tennisplat­z. Anderersei­ts: Immerhin aber war dort deutlich mehr Platz vorhanden – wenngleich vor allem die Abende ungemütlic­h wurden, als eifrige Helfer entschiede­n, frühzeitig die Heizgebläs­e abzuschalt­en. Das aber wäre zumindest in diesem Jahr kein Problem gewesen bei zweistelli­gen Plusgraden. So aber blieb die Bierbank. Auch eine nette Erfahrung.

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