Augsburger Allgemeine (Land West)

In der Ruhe liegt die Kraft

Halvor Egner Granerud gewinnt auch das zweite Springen der Vierschanz­entournee. Bei seinem Jubel ahmt der Norweger einen berühmten Landsmann nach. Die deutschen Athleten enttäusche­n dagegen am Neujahrsta­g.

- Von Marco Scheinhof

Die erste Analyse findet sofort statt. Noch unten im Auslauf, wo sich Stefan Horngacher und Karl Geiger kurz vor den Gesprächen mit den Journalist­en treffen. Sie gestikulie­ren und zeichnen Flugkurven in die Luft. Zufrieden ist weder der Skisprung-Bundestrai­ner noch sein Vorzeigeat­hlet. Am Neujahrsta­g wird Geiger in Garmisch-Partenkirc­hen nur Elfter, Sprünge auf 131,5 und 131 Meter reichen nicht für eine bessere Platzierun­g. Andreas Wellinger wird Achter. „Es ist schade, dass ich als Achter bester Deutscher bin und nicht der beste Deutsche bei der Siegerehru­ng steht. Das ist aber die Realität, die wir annehmen müssen“, sagt Wellinger.

Auch Stefan Horngacher weiß um die Problemati­k. „Nach Oberstdorf waren wir euphorisch­er, dass wir den Rückstand etwas aufgeholt haben. Jetzt sind wir wieder weiter weg“, sagt der Bundestrai­ner. Er spricht leise, Enttäuschu­ng schwingt mit. Von den

Spitzenleu­ten sind seine Athleten weit weg. Vor allem von Halvor Egner Granerud, der mit 140 und 142 Metern vor dem Slowenen Anze Lanisek (140,5 und 137 Meter) und dem Polen Dawid Kubacki (136 und 138,5 Meter) gewinnt. Es sind beeindruck­ende Leistungen, die Granerud gerade zeigt. „Der Abstand ist enorm“, muss auch Horngacher zugeben.

Geiger ist momentan weit weg von Granerud. Auch weil der Oberstdorf­er in Garmisch-Partenkirc­hen nicht wirklich in Schwung kommt. Beide Versuche sind nicht überzeugen­d. In der Gesamtwert­ung ist Geiger Fünfter, ganz knapp vor Wellinger. Eine Podestplat­zierung scheint am Ende noch möglich, dafür aber braucht es eine Steigerung. Am Montag steht erst einmal ein Ruhetag an. Es geht ein bisschen in die Halle, um sich ein wenig zu bewegen. Sonst ist eher Erholung angesagt. Das Trainertea­m wird derweil analysiere­n, worin das schwache Abschneide­n am Neujahrsta­g begründet liegt.

Markus Eisenbichl­er hat zum zweiten Mal nach Oberstdorf nicht den Final-Durchgang erreicht.

Während er im Allgäu davon schwer getroffen war und beinahe frühzeitig von der Tournee ausgestieg­en wäre, sieht er seinen Auftritt in Garmisch-Partenkirc­hen nicht ganz so kritisch. „Ich bin diesmal nicht unzufriede­n, ich hatte hier ein paar gute Sprünge“, sagt er. Er wird für die ausstehend­en Stationen in Innsbruck und Bischofsho­fen auf jeden Fall im Team bleiben.

Klar ist nach zwei Sprüngen: Es wird wieder keinen deutschen Gesamtsieg­er

geben. Die Leidenszei­t geht weiter. Der Mythos Tournee, er kann Helden hervorbrin­gen, aber auch für Enttäuschu­ngen sorgen. „Die Tournee ist eines der coolsten Events, die wir haben. Man muss aber auf vier völlig verschiede­nen Schanzen in kurzer Zeit alles hinkriegen. Man darf sich keine Schwächen leisten“, erklärt Geiger. Die deutschen Springer aber zeigen zu viele Schwächen. Ihre Sprünge sind nicht konstant genug. Das gilt für Geiger ebenso wie für Wellinger, der sich nach seiner langen Verletzung­spause zwar immer stärker zurückmeld­et. Aber noch nicht stark genug, um die Spitzenleu­te zu ärgern.

Granerud scheint auf dem besten Weg, die Tournee zu gewinnen. Vielleicht sogar mit Siegen auf allen vier Schanzen. „Er ist unfassbar ehrgeizig“, sagt Geiger über den Norweger. In den entscheide­nden Momenten kann er aber auch ganz ruhig sein. Er demonstrie­rt das am Sonntag, als er sich nach seinem Sieg ruhig in den Schnee setzt. Ganz wie Erling Haaland. Der Fußballer hat zu seiner Zeit bei Borussia Dortmund so mal ein Tor im Yoga-Sitz gefeiert. Landsmann Granerud hat sich das bei ihm abgeschaut. Nach Enttäuschu­ngen aber brauche er lange, um diese zu verarbeite­n. „Ich verstehe mich sehr gut mit ihm“, sagt Geiger. Granerud hat den Oberstdorf­er sogar gebeten, nur noch deutsch mit ihm zu reden. Er möchte die Sprache besser lernen. Nachhilfe von Geiger also – allerdings nicht auf der Schanze. Da ist Granerud der Dominator. Und wird es Stand jetzt auch in Österreich bleiben.

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Foto: Daniel Karmann, dpa Ganz entspannt sitzt Halvor Egner Granerud nach seinem Sieg in Garmisch-Partenkirc­hen im Schnee des Auslaufes unterhalb der Schanze.

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