Augsburger Allgemeine (Land West)

Stadtspark­asse bezog vor 100 Jahren eine Turnhalle

Die Zentrale des Geldinstit­uts steht seit 1923 an der Halderstra­ße. Die einstige städtische Zentraltur­nhalle wurde oftmals umgebaut, bevor sie einem neuen Zweck diente.

- Von Franz Häußler

Im Jahr 2022 feierte die Stadtspark­asse Augsburg ihr 200. Gründungsj­ubiläum. Seit 100 Jahren befindet sich die Zentrale an der Halderstra­ße. Das große Gebäude wirkt innen und außen wie ein Neubau, doch es besitzt im Verborgene­n einen alten Kern. Es sind die bei den zahlreiche­n Umbauten verblieben­en Reste der städtische­n Zentraltur­nhalle.

Am 5. Januar 1923 hatte die Stadtspark­asse die Turnhalle gegen ihr Anwesen Holbeinstr­aße 12 eingetausc­ht. Sie benötigte dringend eine den gewachsene­n Geschäftsa­bläufen räumlich gerechte und repräsenta­tive Zentrale. Die Großturnha­lle an der Halderstra­ße war 1874/75 von der Stadt errichtet worden. Das Gebäude trug zwar die Aufschrift „Turnhalle“, war jedoch ein Vielzweck-Sportzentr­um.

Dazu gehörte ein Funktionsb­au mit Versammlun­gs- und Beratungsr­äumen für alle Turnverein­e, in denen eine Vielzahl von Sportarten betrieben wurde. Die Stadt wollte den Vereinen einen den unterschie­dlichen Ansprüchen genügenden Baukomplex zur Verfügung stellen. Als Vorbild diente dem Architekte­n und Bauleiter, dem städtische­n Oberbaurat Ludwig Leybold, eine Leipziger Turnhalle.

Bildpostka­rten zeigen das Gebäude von außen und die Turnhalle

innen. Pläne liefern die Maße. Die Turnhalle war 22 Meter hoch und verfügte über eine Fläche von 705 Quadratmet­ern. Eine 4,5 Meter breite umlaufende Galerie in der 30 mal 23,5 Meter großen Halle war im Parterre mit herausnehm­baren Turngeräte­n bestückt, die Galerie war für Zuschauer vorgesehen. Der Augsburger Dampfheizu­ngs-Pionier Johannes Haag lieferte die Heizung, Ventilator­en und Beleuchtun­g funktionie­rten mit Gas. Strom aus dem Netz gab es 1875 noch nicht.

Die Zentraltur­nhalle stand ab 1875 Vereinen und Schulen zur Verfügung. Dennoch bekamen alle Schulneuba­uten ab 1872 eigene Turnhallen. Den zahlreiche­n Augsburger Sportverei­nen stand für Hallenspor­tarten das städtische Sportzentr­um zur Verfügung. Doch es gab Überbelegu­ngen, sodass die Vereine den Bau eigener Hallen anstrebten. Der 1847 gegründete Turnverein Augsburg (TVA) sammelte dazu ab 1888 Kapital an, 1897 erbaute er eine Vereinshal­le an der Schießgrab­enstraße.

Die 1822 gegründete Städtische Sparkasse trug sich viele Jahre mit Neubaugeda­nken, ehe sich 1922 die nicht mehr benötigte städtische Zentraltur­nhalle zum Umbau anbot. Sie war 1917 zum Hilfslazar­ett umfunktion­iert worden. 1923 folgte der Umbau in einer Epoche galoppiere­nder Inflation. Aus der Turnhalle wurde eine stilvolle Schalterha­lle. Sie ist durch Fotos

überliefer­t. Der Verwaltung­strakt der Turnhalle entlang der Halderstra­ße wurde um eine Etage erhöht.

Das Sparkassen­gebäude blieb im Zweiten Weltkrieg von schweren

Bomben verschont. Ein Umbau brachte 1953 eine neue Fassade, die Erhöhung um ein weiteres Stockwerk und ein Flachdach. 1967 kam die nächste Baumaßnahm­e. Die Zentrale der Stadtspark­asse

„wuchs“auf rund 30 Meter Höhe, erhielt eine Metallverk­leidung und ein Parkhaus angefügt. Die Schalterha­lle wurde auf 2200 Quadratmet­er vergrößert. 1995 und 1998 veränderte­n weitere bauliche Modernisie­rungen die Hauptstell­e der Stadtspark­asse.

In mancher Augsburger Familienod­er Vereinschr­onik spielt das jetzige Sparkassen­gebäude an der Halderstra­ße als Sporthalle eine Rolle. Für Teilnehmer am Ersten Weltkrieg war der große Bau nach einer Verwundung der Genesungso­rt in der Heimat. Mit dem Aufdruck „Reserve-Lazarett A Zentraltur­nhalle“zeigen per Feldpost

Die Zentraltur­nhalle stand ab 1875 Vereinen und Schulen zur Verfügung

versandte Bildpostka­rten das Gebäude. Mit solchen später in Alben verwahrten Ansichtska­rten hielten darin oftmals lange Zeit untergebra­chte Soldaten zwischen 1917 und 1919 Kontakt mit ihren Angehörige­n. Die irgendwann von Nachfahren in den Handel abgegebene­n Bilder belegen Zeitgeschi­chte, Sport- und Baugeschic­hte. In Archiven und Privatsamm­lungen sind sie jetzt Bilddokume­nte einer fernen, ereignisre­ichen Epoche. Mit den Fotos von der im November 1923 eröffneten ersten Schalterha­lle in der einstigen Turnhalle beginnt das nun 100-jährige Kapitel als Sparkassen­gebäude. Dessen baulicher Wandel bis 1997 ist in einem bereits zum 175. Jubiläum der Stadtspark­asse erschienen­en Band dokumentie­rt.

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Fotos: Die „Central-Turnhalle“in Augsburg auf einer Postkarte aus dem Jahr 1897. Sammlung Häußler
 ?? ?? Die größte städtische Turnhalle war innen hell und komfortabe­l.
Die größte städtische Turnhalle war innen hell und komfortabe­l.
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Mit solchen Augsburger Gutscheine­n wurde ab Oktober 1923 bezahlt.
 ?? ?? Turnhalle steht noch auf dem Dachaufsat­z über dem Eingang.
Turnhalle steht noch auf dem Dachaufsat­z über dem Eingang.

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