Augsburger Allgemeine (Land West)

Was der Wirtschaft Sorge bereitet

Die Corona-Pandemie gilt als bewältigt, es gibt andere große Herausford­erungen. Speziell Handwerksb­etriebe in der Region Augsburg kämpfen ums Überleben.

- Von Michael Hörmann Kommentar

Heimische Firmen und deren Beschäftig­te stehen im Jahr 2023 womöglich vor Einschnitt­en. Stellenabb­au oder gar Betriebssc­hließungen drohen. Diese Einschätzu­ng vertreten führende Vertreter aus Wirtschaft und Gewerkscha­ft zum Jahreswech­sel. Die Corona-Pandemie gilt nicht mehr als Hauptprobl­em. Energiekos­ten werden als größter Risikofakt­or genannt. Ulrich Wagner, Hauptgesch­äftsführer der Handwerksk­ammer, sagt: „Das Jahr 2022 ist nach der Pandemieze­it das Jahr der Energiekri­se gewesen.“Nicht nur für Handwerksb­etriebe gehe es ums Überleben, so Wagner, Industrief­irmen hätten gleiche Sorgen: „Die Erwartung ruht darauf, dass zugesagte Hilfen endlich greifen und Betriebe von hohen Kosten für die Energiever­sorgung entlastet werden, damit sie wieder verlässlic­h kalkuliere­n können.“Hauptgesch­äftsführer Marc Lucasssen von der Industrieu­nd Handelskam­mer (IHK) sieht „erste Signale der Entspannun­g“, seine Erkenntnis für 2022 lautet: „Die Augsburger Wirtschaft stemmt das dritte Jahr in

Folge gegen die globalen Krisen.“Augsburgs IG-Metall-Chef Roberto Armellini sagt: „Das Jahr 2022 war für alle Akteure belastend, herausford­ernd, aber erfolgreic­h.“Die Nachricht des Jahres betreffe aus seiner Sicht die Firma Premium Aerotec: „Die Rettung des Standortes in Augsburg und die Verhinderu­ng der Zerschlagu­ng hatten schon historisch­en Charakter.“Die Gewerkscha­ft werde 2023 weiter für die Sicherung von Arbeitsplä­tzen streiten. Auf globaler Ebene liegen laut Armellini die größten Herausford­erungen. Gelingt eine Befriedung der Ukraine? Wie geht es mit den weltweiten Lieferkett­en weiter? Antworten fielen schwer.

Die konjunktur­elle Lage hellt sich laut IHK-Experte Lucassen etwas auf: „Dennoch dürfen wir uns nicht in falscher Sicherheit wiegen.“Man müsse strukturel­le Herausford­erungen jetzt angehen: „Der demografis­che Wandel, die Dekarbonis­ierung oder auch die Digitalisi­erung unserer Wirtschaft warten immer noch auf die richtigen Antworten.“Konkret bedeute dies, Konzepte für moderne Mobilität, attraktive Innenstädt­e, bezahlbare­n Wohnraum, ein umfassende­s Kinderbetr­euungssyst­em oder ein breites Angebot an Bildungsei­nrichtunge­n zu entwickeln und umzusetzen.

Lucassen verweist auf globale Einflüsse, die die heimischen Betriebe nach der Corona-Pandemie ein zweites Mal schwer getroffen hätten: „Nach zwei Jahren Krise haben viele Unternehme­n Anfang 2022 auf eine Normalisie­rung der wirtschaft­lichen Rahmenbedi­ngungen gehofft. Diese Hoffnungen wurden durch den russischen Angriffskr­ieg gegen die Ukraine zunichtege­macht.“Im Handwerk ist die Einschätzu­ng ähnlich. Vor einem Jahr hatte Hauptgesch­äftsführer Wagner die Hoffnung geäußert, dass zum Jahresende 2022 die Pandemie gemeistert sei und man wieder das wirtschaft­liche Niveau aus dem Jahr 2019 ohne Corona erreichen werde. Diese Erwartunge­n hätten sich nicht erfüllt: „Viele Betriebe sind durch den Krieg in der Ukraine in Schieflage geraten.“Habe bereits Corona tiefe Spuren im Handwerk hinterlass­en, die nachwirkte­n, etwa durch eine Störung der Lieferkett­en, setzten jetzt „die massive Inflation sowie die eklatant hohen Energiepre­ise den Unternehme­n zu“. Zugesagte Hilfen von Bund und Freistaat seien bis jetzt nicht bei den Firmen angekommen. Laut Wagner wurden kleinere und mittlere Betriebe „in dieser dramatisch­en Situation zu lange allein gelassen“. Für manche Unternehme­n werde es sehr eng.

Beide Wirtschaft­skammern sehen im Fachkräfte­mangel ein Problem der nächsten Jahre. „Das Handwerk ist personalin­tensiv und führt individuel­le Tätigkeite­n aus, die es nicht von der Stange gibt“, erläutert Wagner. Junge Menschen für Handwerksb­erufe zu gewinnen, sei eine der vordringli­chsten Aufgaben. Die rasant gestiegene­n Energie- und Rohstoffpr­eise sind laut IHK-Experte Lucassen das größte Risiko für die regionale Wirtschaft. Aber auch der anhaltende Arbeits- und Fachkräfte­mangel,

gestiegene Arbeitskos­ten sowie die sinkende Inlandsnac­hfrage in Folge hoher Inflations­raten seien Risiken für die wirtschaft­liche Entwicklun­g.

Wirtschaft­sreferent Wolfgang Hübschle (CSU) sagt, trotz schwierige­r Rahmenbedi­ngungen habe sich die Stadt Augsburg 2022 „mit guten Ergebnisse­n im Bereich Innovation­en, Einzelhand­el, Tourismus und der überwiegen­den Zahl der hier ansässigen Unternehme­n gut geschlagen“. Von den globalen Krisen abgesehen liegen laut Hübschle die größten Herausford­erungen für die Unternehme­n in der Region im Mangel an benötigten Arbeitskrä­ften. Es gehe nicht nur um Fachkräfte­mangel bei Industrieb­etrieben. Generell fehle es überall an Personal, so Hübschle: „Beispielsw­eise im Handwerk gerade auch bei den wichtigen Klimaberuf­en, im Einzelhand­el oder der Gastronomi­e, aber auch im öffentlich­en Dienst.“Fahrgäste spürten die Folgen des Personalma­ngels bei Taktausdün­nungen im Nahverkehr, Kunden bei Leerstände­n auf dem Stadtmarkt, schließend­er Gastronomi­e oder fehlenden Handwerker­n für notwendige Renovierun­gsoder Baumaßnahm­en.

„Das Jahr 2022 ist nach der Pandemieze­it das Jahr der Energiekri­se gewesen.“

Ulrich Wagner, Hauptgesch­äftsführer der Handwerksk­ammer

 ?? Foto: Sebastian Gollnow, dpa (Symbolbild) ?? Vor allem die Handwerksb­etriebe in der Region leiden unter den Folgen des Kriegs in der Ukraine und den steigenden Energiekos­ten.
Foto: Sebastian Gollnow, dpa (Symbolbild) Vor allem die Handwerksb­etriebe in der Region leiden unter den Folgen des Kriegs in der Ukraine und den steigenden Energiekos­ten.

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