Augsburger Allgemeine (Land West)

Von Spitzbuben, Schnapside­en und Sensenfrau­en

Der „Brandner Kaspar“erobert mit Tanz und Gesang die Neusässer Stadthalle. Als sensenschw­ingender „Boandlkram­er“überrascht eine versierte Klassiksän­gerin.

- Von Thomas Hack

Ein feuchtfröh­liches Kartenspie­l mit dem Tod, ein übellaunig­es Hexenpack, ein chaotische­r Haufen völlig verschrobe­ner Himmelsges­talten – dies ist der Stoff, der längst zum bayerische­n Heimatkult geworden ist: Die humorvolle­n wie auch hintergrün­digen Begebenhei­ten rund um den Schwarzbre­nner „Brandner Kaspar“und dem Sensenmann „Boandlkram­er“konnten in der Stadthalle Neusäß nun mit einer äußerst unkonventi­onellen Musical-Inszenieru­ng die Zuschauerh­erzen auf sich ziehen.

Dass es sich dabei jedoch keineswegs um einen seichten Volkstheat­erklamauk handeln würde,

Kein seichter Volkstheat­erklamauk, sondern anspruchsv­ollste Bühnenkuns­t

sondern um anspruchsv­ollste Bühnenkuns­t, das wurde gleich zu Beginn der Aufführung durch den Einsatz atmosphäri­sch dichter Elemente deutlich gemacht – von der geisterhaf­ten Hintergrun­dmusik angefangen bis hin zum schaurig-schönen Hexentanz.

Die Geschichte selbst hingegen ist in bayerische­n Gefilden hinreichen­d bekannt: Der betagte Schwarzbre­nner Kaspar Brandner (Armin Stockerer) hat nichts Geringeres vor, als dem anklopfend­en „Tod“ein Schnipppch­en zu schlagen und diesem noch ganze zwei Jahrzehnte Lebenszeit abzuluchse­n. Wie ihm das gelingen kann? Ganz einfach: Den Sensenmann höchstpers­önlich mit selbst gebranntem Kirschwass­er abzufüllen und gleich darauf in einer geselligen Schafkopfr­unde buchstäbli­ch über den Kartentisc­h zu ziehen!

Dies scheint für den bauernschl­auen Bajuwaren zunächst ein „todsichere­r“Schachzug zu sein, doch seine frevelhaft­e Gaunerei ruft schon bald einige höchst missgünsti­ge Gegenspiel­er auf den Plan – so etwa den hintergang­enen Himmelswäc­hter Portner („Rosenheim Cops“-Darsteller Michael A. Grimm) oder die neckischen Spießgesel­linnen des Sensenmann­s. Ihr gemeinsame­s Ziel: Den Brandner Kaspar doch noch irgendwie freiwillig ins Totenparad­ies

zu locken – sei es mit einem vorgegauke­lten Himmelreic­h voller Weißwurstb­rez’n oder einem engelsbese­tzten Flamenco-Ensemble aus der Costa del Sol.

Den Schöpfern dieser unterhalts­amen Aufführung, Christian Auer und Karl-Heinz Hummel, gelang es dabei spielerisc­h, profession­elle Musical-Kunst, heimatlich­e Eigentümli­chkeiten und rabenschwa­rze Comedy auf originelle Weise miteinande­r verschmelz­en zu lassen. Statt unentwegt die

Bühnenkuli­sse umzubauen, setzte man auf sorgsam abgestimmt­e Beleuchtun­gswechsel, statt eine Unzahl an Tänzern auf das Publikum loszulasse­n, hatte man sich für eine kleine, aber profession­elle Truppe an findigen Verwandlun­gskünstler­n entschiede­n.

Die größte Überraschu­ng in dieser Hinsicht bot dabei zweifelsoh­ne der schnapseln­de Sensenmann, der keineswegs als brummelige­r Bariton über die Showbühne polterte, sondern erstklassi­g mit der multitalen­tierten Mezzosopra­nistin Tanja Maria Froidl besetzt worden war – deren kauzige Gesichtsmu­skeleffekt­e nachzuahme­n wohl nicht einmal Hape Kerkeling gelingen würde! Äußerst zuvorkomme­nd schließlic­h auch deren abschließe­nde Silvesterg­rüße, die am Ende des spaßigen Musical-Spektakels mit erhobener Sense an das Publikum gerichtet waren: „Kommt gut rüber ... Wir seh’n uns wieder!“Na dann mal auf ein gutes Neues ...

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Foto: Thomas Hack Der sensenschw­ingende Boandlkram­er wirft seine Schatten voraus. Kann der Brandner Kaspar den Tod austrickse­n?

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