Augsburger Allgemeine (Land West)
Von Spitzbuben, Schnapsideen und Sensenfrauen
Der „Brandner Kaspar“erobert mit Tanz und Gesang die Neusässer Stadthalle. Als sensenschwingender „Boandlkramer“überrascht eine versierte Klassiksängerin.
Ein feuchtfröhliches Kartenspiel mit dem Tod, ein übellauniges Hexenpack, ein chaotischer Haufen völlig verschrobener Himmelsgestalten – dies ist der Stoff, der längst zum bayerischen Heimatkult geworden ist: Die humorvollen wie auch hintergründigen Begebenheiten rund um den Schwarzbrenner „Brandner Kaspar“und dem Sensenmann „Boandlkramer“konnten in der Stadthalle Neusäß nun mit einer äußerst unkonventionellen Musical-Inszenierung die Zuschauerherzen auf sich ziehen.
Dass es sich dabei jedoch keineswegs um einen seichten Volkstheaterklamauk handeln würde,
Kein seichter Volkstheaterklamauk, sondern anspruchsvollste Bühnenkunst
sondern um anspruchsvollste Bühnenkunst, das wurde gleich zu Beginn der Aufführung durch den Einsatz atmosphärisch dichter Elemente deutlich gemacht – von der geisterhaften Hintergrundmusik angefangen bis hin zum schaurig-schönen Hexentanz.
Die Geschichte selbst hingegen ist in bayerischen Gefilden hinreichend bekannt: Der betagte Schwarzbrenner Kaspar Brandner (Armin Stockerer) hat nichts Geringeres vor, als dem anklopfenden „Tod“ein Schnipppchen zu schlagen und diesem noch ganze zwei Jahrzehnte Lebenszeit abzuluchsen. Wie ihm das gelingen kann? Ganz einfach: Den Sensenmann höchstpersönlich mit selbst gebranntem Kirschwasser abzufüllen und gleich darauf in einer geselligen Schafkopfrunde buchstäblich über den Kartentisch zu ziehen!
Dies scheint für den bauernschlauen Bajuwaren zunächst ein „todsicherer“Schachzug zu sein, doch seine frevelhafte Gaunerei ruft schon bald einige höchst missgünstige Gegenspieler auf den Plan – so etwa den hintergangenen Himmelswächter Portner („Rosenheim Cops“-Darsteller Michael A. Grimm) oder die neckischen Spießgesellinnen des Sensenmanns. Ihr gemeinsames Ziel: Den Brandner Kaspar doch noch irgendwie freiwillig ins Totenparadies
zu locken – sei es mit einem vorgegaukelten Himmelreich voller Weißwurstbrez’n oder einem engelsbesetzten Flamenco-Ensemble aus der Costa del Sol.
Den Schöpfern dieser unterhaltsamen Aufführung, Christian Auer und Karl-Heinz Hummel, gelang es dabei spielerisch, professionelle Musical-Kunst, heimatliche Eigentümlichkeiten und rabenschwarze Comedy auf originelle Weise miteinander verschmelzen zu lassen. Statt unentwegt die
Bühnenkulisse umzubauen, setzte man auf sorgsam abgestimmte Beleuchtungswechsel, statt eine Unzahl an Tänzern auf das Publikum loszulassen, hatte man sich für eine kleine, aber professionelle Truppe an findigen Verwandlungskünstlern entschieden.
Die größte Überraschung in dieser Hinsicht bot dabei zweifelsohne der schnapselnde Sensenmann, der keineswegs als brummeliger Bariton über die Showbühne polterte, sondern erstklassig mit der multitalentierten Mezzosopranistin Tanja Maria Froidl besetzt worden war – deren kauzige Gesichtsmuskeleffekte nachzuahmen wohl nicht einmal Hape Kerkeling gelingen würde! Äußerst zuvorkommend schließlich auch deren abschließende Silvestergrüße, die am Ende des spaßigen Musical-Spektakels mit erhobener Sense an das Publikum gerichtet waren: „Kommt gut rüber ... Wir seh’n uns wieder!“Na dann mal auf ein gutes Neues ...