Augsburger Allgemeine (Land West)

Bis der Baum fällt

Die einen haben nicht mehr alle Nadeln an der Tanne, bei anderen fliegt die Fichte früher.

- Von Michael Stifter

Weihnachte­n ist ein Fest der Rituale – bis zum bitteren Ende. Denn kaum sind die letzten besinnlich­en Lieder verklungen, das letzte unliebsame Geschenk umgetausch­t und der Festtagssc­hmaus halbwegs verdaut, entbrennen schon Diskussion­en um die Frage: Wann kann er weg, der Baum? Während die einen sich gar nicht von der Tanne trennen wollen, fliegt die Fichte bei anderen schon zum Jahreswech­sel. Aus gegebenem Anlass deshalb eine kleine Typologie der Christbaum­entsorger.

Fangen wir mit den Traditiona­listen an. Für sie ist die Antwort völlig klar: Erst an Mariä Lichtmess sind die Tage der Tanne gezählt. Das ist allerdings erst am 2. Februar – also nach derzeitige­r Wetterlage quasi im Frühsommer. Und bis dahin hat kaum noch jemand alle Nadeln an der Tanne.

Auch deshalb gibt es den Typus des Unsentimen­talen: Der lauert schon seit dem zweiten Weihnachts­feiertag auf das erste leise Rieseln im Geäst. Und dann zack, raus aus dem Wohnzimmer mit dem Totholz, bevor noch der Borkenkäfe­r kommt. Familien gehören wiederum meist in die Kategorie

der Unfreiwill­igen, denen die Entscheidu­ng durch regelmäßig­e kleine Nadelstich­e abgenommen wird. Sobald Kinder oder Katze den einst so prächtigen Baum dreimal umgenietet haben, kann man das Ding auch gleich entsorgen.

Am häufigsten anzutreffe­n: die Unentschlo­ssenen. In einer Mischung aus Bequemlich­keit und Gefühlsdus­elei denken sie jeden Abend, beim Zusammenke­hren der Nadeln, dass er dann morgen aber wirklich rausmuss, der Baum. Und wenn dann die Pfadfinder klingeln, um die skelettier­te Tanne abzuholen, steht selbige noch immer da – geschmückt natürlich.

 ?? Foto: Imago Images ?? Mancher hat sich schon vom Christbaum getrennt.
Foto: Imago Images Mancher hat sich schon vom Christbaum getrennt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany